Es tut mir [l]eid!

rechtschreibung Vielen tut eine Sache nicht mehr leid, sondern Leid. Die Klein­schreiber fragen sich, wie einem eine Sache ein Leid antun kann. Falsche Groß­schrei­bungen breiten sich in der deutschen Sprache aus. Seit Kurzem nimmt man das Sub­stanti­vieren ziemlich Ernst. Doch meist sind diese Schrei­bungen nach allen Regelwerken falsch.
Dauer: 30 Minuten.

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Video veröffentlicht am 02.08.2010 (35.81 MB).

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Leid oder leid?

Nach der aktuellen amtlichen Rechtschreibung lau­tet die kor­rek­te Schrei­bung: Es tut mir leid. Die Groß­schrei­bung Es tut mir Leid ist in al­ter und neu­er Recht­schrei­bung falsch und zudem auch ein lexi­ka­li­scher Feh­ler.

Die Kleinschreibung stimmt auch mit der klassischen Recht­schrei­bung über­ein. Aller­dings besteht diese Ein­tracht nur an der Ober­fläche. Der Schrei­bung lie­gen ver­schie­dene Ge­dan­ken zu­grun­de. Dies zeigt sich beim Infi­ni­tiv. In neuer Recht­schrei­bung wird zu­sam­men-, in al­ter ge­trennt­ge­schrie­ben:

  • Amtliche Rechtschreibung: leidtun
  • Klassische Rechtschreibung: leid tun

Orthografie

Neue Rechtschreibung

Die geltende amtliche Rechtschreibung von 2006 sieht in leidtun ein zu­sam­men­gesetz­tes Verb mit ab­trenn­barem Vor­der­glied. Nach die­ser Ein­schät­zung muß zu­sam­men­geschrie­ben wer­den, wenn leid vor tun steht, weil es sich um ein Wort han­delt. Im Vor­der­glied wird das Sub­stan­tiv das Leid gese­hen, das als Wort­bil­dungs­element aller­dings kein Sub­stan­tiv mehr ist. Des­halb ist es auch klein­zu­schrei­ben, wenn es vom Verb abrückt: Es tut mir leid nach dem Schema teil­nehmen: nimmt teil oder statt­finden: findet statt.

Klassische Rechtschreibung

Die alte Rechtschreibung (amtlich bis 1996) schreibt leid in dieser Wendung eben­falls im­mer klein, die Grund­form jedoch aus­ein­ander: leid tun.

Das wirft Fragen auf. Bei Getrenntschreibung wie Auto fah­ren wur­de die Wen­dung nicht als Wort­bil­dung gesehen. Das Sub­stan­tiv war also Objekt zum Verb und kein Wort­bil­dungs­ele­ment. Des­halb wurde es groß­geschrie­ben.

Warum aber schreibt man dann nicht auch Leid tun? Die Ant­wort ist ein­fach: Weil leid gar kein Sub­stan­tiv ist, son­dern ein Ad­jek­tiv.

Etymologie und Syntax

Die Wendung es tut mir leid mit der Bedeutung bereuen hat nichts mit der ähn­lich klin­gen­den Wen­dung einem ein Leid an­tun zu tun. Das es tut also nicht mir ein Leid an.

Das Adjektiv leid bezeichnete ursprüng­lich den ge­nauen Gegen­satz zu lieb, be­deu­te­te also feind­lich ge­sinnt. So sagte man einst: Es wære mir liep ode leit. Heute ver­tritt die­se Bedeu­tung eher das Ad­jek­tiv feind: Er ist mir (spinne)­feind. Von leid spricht, wer einer Sache über­drüs­sig ist:

Ich bin die Sache leid.

Ich habe es leid.

Auch andere Adjektive kommen in dieser Konstruktion vor:

Es tut mir wohl.

Es tut mir gut.

Es tut mir weh.

Daß leid in es tut mir leid kein Substantiv sein kann, zeigt sich in der Erwei­te­rung es tut mir leid um dich. In älte­rem Deutsch zeigt lieb auch die En­dung des Ad­verbs: alt­hoch­deutsch leido, mittel­hoch­deutsch leide.

Aus dem Komparativ ist unser Adverb leider ent­stan­den.

In Wörterbüchern mit klassischer Recht­schrei­bung fand man die Wen­dung unter dem Lemma lieb (Ad­jek­tiv). Die Schrei­bung der Re­form ist richtig, ob­wohl ihre Be­grün­dung lexika­lisch und gram­mati­kalisch falsch ist. Denn man schreibt auch zusam­men­gesetz­te Ver­ben, de­ren Vor­der­glied aus einem Ad­jek­tiv ent­stan­den ist, zu­sam­men: gut­heißen, gut­gehen lassen, weh­tun.