Das Anführungszeichen

zeichensetzung In Zeitungen und Büchern wimmelt es von sinnlosen und falschen Auszeichnungen. Kein Wunder, nirgendwo steht, wann man Gänsefüßchen anwenden soll. Und vor allem: Wann man es lieber läßt.
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Video veröffentlicht am 07.03.2010 (81.15 MB).

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Auszeichnen mit Anführungszeichen und Kursivierung

Das Gänsefüßchen oder An­führungs­zeichen ist eine Form des Aus­zeich­nens. Daneben gibt es noch das Kursi­vieren (Kur­siv­set­zen), das Sper­ren, das Fett­set­zen und weitere For­men.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, worin die Funktion von An­füh­rungs­zei­chen und Kursi­vie­rung besteht und wann man sie rich­tig und sinn­voll an­wen­det. Auch fal­sche An­wen­dun­gen wer­den aus­führ­lich be­spro­chen.

Daran schlie­ßen sich zwei weitere Arti­kel an, in denen Sie er­fah­ren, wie An­füh­rungs­zei­chen und Kur­sivie­rung ortho­gra­fisch und typo­gra­fisch rich­tig ge­setzt werden.

Wann benutzt man Anführungszeichen?

Wann verwendet man überhaupt Anführungszeichen? Wann zeichnet man ein Wort durch Gänsefüßchen oder durch Kursivieren aus und hebt es dadurch aus dem Fließtext hervor?

Beginnen wir mit einem Beispiel. Ein Schriftsteller beginnt ein Ka­pi­tel in seinem neuen Roman mit dem Satz:

Am nächsten Morgen entdeckte der Kommissar ein Bild von sich auf der Titelseite des Tagblatts.

Sein Lektor erhebt Einwände. Er möchte das Wort Tagblatt in An­füh­rungs­zei­chen setzen und begründet dies damit, daß Zeitungsnamen grundsätzlich in Gänsefüßchen stehen. Als Beweis schneidet er einen Artikel aus einer Zeitung aus und sendet ihn dem Schriftsteller zu:

Wie die Süddeutsche Zeitung aus gut unterrichteten Kreisen berichtet, soll der Vorschlag zu diesem Gesetz auf Eis gelegt werden.

Der Schriftsteller ist nicht einverstanden, deshalb legt der Lektor noch eine Reihe kürzlich erschienener Romane vor; darin stehen alle Zei­tungs­namen in Anführungszeichen. Nun ergibt sich die Frage: Wer hat recht? Die Antwort lautet: der Schriftsteller.

Warum kann man hier so entschieden urteilen? Weil die Gänse­füß­chen um Tagblatt nichts zitieren. Anführungszeichen werden vielseitig angewandt, aber all diese Anwendungsweisen lassen sich auf eine einzige Funktion zurück­führen: Das Anführungszeichen führt etwas an. Es zi­tiert etwas. Wo nichts zitiert wird, haben Anführungszeichen nichts zu suchen.

Deshalb stehen alle wörtlichen Wiedergaben in Anführungszeichen. Im Roman sind dies Dialog und Figurensprechen, im Journalismus das wörtliche Zitieren.

Bei allen anderen Fällen als der wörtlichen Rede, also vor allem über­all dort, wo einzelne Wörter in einem Text durch Anführungszei­chen her­vor­geho­ben werden sollen, muß sich der Verfasser eines Textes dar­über im klaren sein, ob der Text, an dem er schreibt, zu einer selbst­refe­ren­tiel­len oder zu einer nicht­selbst­referen­tiel­len Textgattung gehört.

Regeln für Anführungszeichen in verschiedenen Textgattungen In referentiellen Texten werden Anführungszeichen nach Konventionen gesetzt, in nichtreferentiellen dagegen nicht. Textgattungen A referentiell — Wissenschaft — Journalismus — Hypertexte Konvention beachten B nichtreferentiell — Roman — Gedicht — Liebesbrief keine Konventionen Man darf die Auszeichnungskonvention einer Textgattung nicht auf andere übertragen.

Denn aus dieser Entscheidung leiten sich verbindliche Konventionen ab, die nicht von einer Text­gat­tung auf die andere übertragen werden dür­fen. Nur weil es im Jour­nalis­mus üblich ist, die Namen and­rer Zei­tun­gen in Anführungs­zeichen zu setzen und damit als Quellen zu kenn­zeich­nen, darf diese Kon­ven­tion nicht in der Schönlitera­tur angewandt werden, denn hier wer­den Zei­tungs­namen nicht als Quel­len angeführt. Eine Zei­tung ist in einem Roman keine Refe­renz, sondern ein Ding:

  • Er entdeckte ein Bild von sich im Tagblatt.
  • Er entdeckte ein Bild von sich in der Schublade.

Wir behandeln zuerst die referentiellen Texte (A), um zu verstehen, was kon­ventio­nel­les Aus­zeich­nen ist, und dann die nicht­referen­tiellen (B), bevor zu den prag­mati­schen An­wen­dun­gen des Gänse­füß­chens und des Kursiv­setzens kommen (C), die für alle Texte gelten (nicht­konven­tionel­les Aus­zeichnen).

A Selbstreferentielle Textgattungen

Die wichtigsten selbstreferentiellen Textgattungen sind wissen­schaft­liche Texte, jour­nalisti­sche Texte und alle Texte im Inter­net, wenn sie im Geiste des Inter­nets ge­schrie­ben und echte Hyper­texte mit Links sind. Diese Texte beziehen sich auf­ein­an­der. Deshalb findet man in sol­chen Text­gattun­gen ver­bind­liche Kon­ven­tio­nen der Zita­tion und zwi­schen­text­lichen Bezug­nahme.

A1 Wissenschaftliche Texte

Innerhalb der Gattung der wissen­schaft­lichen Texte beziehen sich die ein­zel­nen Texte aufeinander. Es ist Konvention, den Namen anderer For­scher durch gesperrteExterner Link: Typografie der Kapitälchen bei Typografie.info. Kapitälchen auszu­zeichnen. Die­ser in Ka­pi­täl­chen ge­setzte Name re­fe­riert also auf eine an­dere For­schungs­quelle. Im Zeit­alter der Schreib­maschi­ne zeich­nete man mit Ver­sa­li­en aus, unter­strich oder durch S p e r r e n.

Auszeichnungskonvention in der Wissenschaft, hier mit amerikanischer Kurzzitierweise
Auszeichnungskonvention in der Wissenschaft, hier mit amerikanischer Kurzzitierweise.

A2 Journalismus

Auch im Journa­lis­mus ist es üblich, andere journalistische Texte, die man als Quellen zitiert, auszeichnen. Hierbei wird der Name der ande­ren Zeitung kursiv ausgezeichnet oder in Gänsefüßchen gesetzt:

Laut der Londoner »Times« bestätigte das britische Au­ßen­mini­ste­rium darüber hinaus, dass die Identitäten in den britischen Päs­sen, die von sechs der elf Verdächtigen benutzt wurden, von echten Pass­inhabern stammen.

Die meisten Journalisten ahmen dies nur nach, ohne die Konvention verstanden zu haben, und setzen dann überschematisch auch Zei­tungs­namen in Gänse­füßchen, die in ihrem Text gar keine Quelle be­zeich­nen, son­dern ein nor­males Ding sind:

Falsches konventionelles Auszichnen in Zeitungsartikeln

Falsches konventionelles Auszeichnen in journa­listi­schen Texten: Der Name der ande­ren Zei­tung wird gar nicht als Quelle zi­tiert, es wird über diese Zeitung berichtet.

Der Zei­tungs­name ist zudem Ap­posi­tion zum Substantiv Sonntagszeitung; der Zei­tungs­name wird also lexi­ka­lisch zu einem Ding, das sich semio­tisch und prag­matisch nicht von Tele­fon oder Soldat unter­schei­det.

Des­halb ist die Kursi­vierung falsch (mehr dazu weiter unten). Quelle: sued­deut­sche.de. Wie bei der Süd­deut­schen Zei­tung lei­der üblich, führt die Link gar nicht zu dem, was der Link bezeichnet.

Auch im im folgenden Fall wird Tagesschau schematisch falsch in An­füh­rungs­zeichen ge­setzt, ob­wohl sie bei beiden Er­wäh­nun­gen Ding und nicht Quelle ist. Die Gänse­füß­chen sind sinn­los.

Sie steht in der Klage­schrift, mit der acht deut­sche Zei­tungs­verlage juri­stisch gegen die „Ta­ges­schau“-App [zudem fal­sche Wort­bil­dung, siehe unten; rich­tig wäre: Ta­ges­schau-App] vor­gehen, und sie ist falsch. (…) Wenn die „Tages­schau“ ein On­line-An­ge­bot macht, das so aus­sieht wie ein On­line-An­ge­bot eines Ver­lages, muss es un­zu­läs­sig sein.

Stefan Niggemeier

A3 Internet

Ein Link ist im Internet traditionell und by default blau und unter­stri­chen. Das ist die Konvention.

Während wissenschaftliche und journalistische Texte aus chrono­logischen Gründen nicht wechsel­sei­tig auf­einan­der verweisen können, ist das Inter­net als Mut­ter der Selbst­referen­tiali­tät dazu in der Lage, weil die Texte immer wieder geändert werden können.

Regel (A)

Referentielle Texte gehören zu einer Textgattung, in der sich die einzelnen Texte aufeinander beziehen. Ein Text ist sich bewußt, daß neben ihm noch andere Texte gleicher Art existieren.

Nur in referentiellen Texten gibt es konventionelles Aus­zeich­nen. Kon­ventio­nell bedeu­tet schema­tisch. Jeder Name, der in einem wissenschaftlichen Text als Ver­fas­ser eines an­de­ren wis­sen­schaft­lichen Tex­tes steht, wird also schema­tisch aus­gezeich­net. Schema­tisch, weil es keine Rolle spielt, ob man einen sol­chen Namen auch ohne Aus­zeich­nung im Ein­zel­fall als Quelle er­ken­nen würde.

Schreibt man eine Doktorarbeit über Bismarck, dann wird dieser Name nur aus­gezeichnet, wenn er für eine Quelle steht, die im Lite­ratur­verzeich­nis auf­gelistet ist (zum Bei­spiel eine Rede von ihm oder seine Auto­bio­gra­fie). Spricht man aller­dings über Bis­marck als Per­son (semio­tisch: Ding), dann zeich­net man nicht aus.

Gleichermaßen zeichnet ein Zeitungsartikel den Namen einer anderen Zeitung mit Anfüh­rungs­zei­chen oder besser durch Kur­sivie­rung aus, wenn sie als Quelle ge­nannt wird, also aus der an­de­ren Zei­tung berich­tet wird, aber nicht, wenn über die Zei­tung be­rich­tet wird (zum Bei­spiel darüber, daß sie ein­gestellt wurde).

B Nichtreferentielle Textgattungen

Diesen selbstreferentiellen Textgattungen stehen nicht­selbst­referen­tielle gegenüber. Hier bezieht sich Text A nicht auf Text B. Es gibt keine hy­per­textuellen Verweise. Das hat zur Folge, daß es keine gattungs­spe­zifi­schen Konventionen für Anführungszeichen und andere Aus­zeich­nungs­arten gibt. Die Gepflogenheiten aus Journalismus und Wissenschaft sind hier ungültig.

B1 Belletristik

Nichtreferentielle Texte sind Liebesbriefe, Notizzettel, die an Kühl­schrank­türen kle­ben, vor allem aber alles, was wir als Schön­litera­tur bezeich­nen.

Der erste Satz eines Romans ist ein Big Bang. Er schafft ein fik­tio­na­les Uni­ver­sum, eine Er­lebnis­welt, die das reale Uni­ver­sum gänzlich aus­füllt. Da­raus folgt, daß es nach dem Aufschlagen eines Ro­mans keine anderen Romane und keine andere Wirklichkeit neben der Erlebniswelt dieses Romans mehr gibt.

Alles, wirklich alles, was in einem Roman existiert, wurde vom Autor er­schaf­fen. Kommen der Eif­fel­turm oder Peer Steinbrück darin vor, dann han­delt es sich nicht um den realen Eif­fel­turm und auch nicht um den echten Peer Steinbrück. Das beweist schon die Möglichkeit, daß der Autor als Schöpfer seinen Eif­fel­turm einstürzen oder doppelt so hoch sein lassen kann. Der fik­tiona­le Peer Steinbrück kann Mitglied der FDP sein und stot­tern.

Ein Roman tut also so, als gäbe es keine anderen Romane außer ihm. Er kann sich deshalb nicht auf andere Romane beziehen. Das würde auch Empö­rung und Raserei bei den Lesern verursachen:

Seine Empfindung für Hannelore war [B. Brecht, 1923, Vers 8]. Deshalb verließ er sie im Morgengrauen.

Kein Leser würde zur Bücherei aufbrechen, um in einem Sonett von Brecht nach­zu­sehen, auf welche Emp­fin­dung der Erzähler refe­riert, um sie dann in seine Emp­fin­dungs­welt ein­zuset­zen.

Er er­war­tet, daß der Autor seine eigene Spra­che fin­det, denn auch die Spra­che wird im Roman neu er­schaf­fen.

Regel (B)

In der Schönliteratur gibt es keine inter­tex­tuel­len Kon­ven­tio­nen und deshalb kein konventionelles Auszeichnen.

Kommt in einem Roman eine Zeitung vor, dann kann die Zeitung keine Quelle sein, sondern nur ein Ding wie ein Baum oder ein Quietsche­entlein. Zei­tungs­namen werden im Roman daher grund­sätz­lich nicht aus­gezeich­net (Einzel­fälle siehe un­ten).

Es ist falsch, sol­che Kon­ven­tio­nen von ei­ner Text­gat­tung auf eine andere zu über­tragen. Des­halb Ach­tung: Nur weil man Zei­tungs­namen in Zei­tun­gen meist an­geführt sieht, darf man dar­aus nicht ab­lei­ten, daß Zei­tungs­namen auch auf Ein­kaufs­zet­teln oder in Ro­ma­nen in Gänse­füß­chen stün­den. Lei­der pas­siert vielen Lek­toren in ihrer pseudo­profes­sionel­len Ein­falt genau das.

C Anwendungsfälle für Anführungszeichen und Kursivierung

Neben dem gattungsspezifischen Gebrauch der Anführungszeichen gibt es aber auch einen allgemeinen. Er gilt für alle Textsorten glei­cher­maßen.

Anwendungsfälle von Anführungszeichen und Kursivie­rung im Über­blick:

Übersicht über die Anwendungsfälle für Anführungszeichen und Kursivierung C1 Metasprache C2 Wörtliche Rede Figurenrede Zitat C3 Lesehilfe C4 Betonung irrtüml: Ironie

Funktion des Anführungszeichens

Bevor wir die Anwendungsfälle aufführen, müssen wir uns Gedanken machen, welche Funktion das Anführungszeichen ausübt. Und hier ist die Regel, die Funktion, die hinter allen Anwendungsfällen wirkt:

Das Anführungszeichen führt etwas an.

Das hätten Sie nicht gedacht, oder? Wenn es schon so einfach ist, was führen Gänsefüßchen denn dann an? Eine andere semio­tisch-prag­ma­ti­sche Ebene.

Ein Beispiel, das Ihnen sofort einleuchten wird, ist der Dialog in ei­nem Roman. Ein Roman wird von einer Er­zähl­stim­me erzählt. Sie er­zählt vom Han­deln und Stre­ben der Figu­ren im Roman und hat die Macht, eine Figur auch ein­mal selbst spre­chen zu lassen. Hier der An­fang eines Romans:

Eines Tages, ich war schon alt, kam in der Halle eines öf­fent­lichen Ge­bäu­des ein Mann auf mich zu. Er stellte sich vor und sagte: Ich kenne Sie seit jeher. Alle sagen, Sie seien schön ge­wesen, als Sie jung waren, ich bin ge­kom­men, Ihnen zu sagen, daß ich Sie heute schö­ner finde als in Ihrer Jugend, ich mochte Ihr jun­ges Ge­sicht weniger als das von heute, das ver­wüstete.

Marguerite Duras: Der Liebhaber. Frankfurt 1985. Übersetzt von Ilma Rakusa.

Jeder Text hat eine Erzählstimme. Jeder. Wenn Sie einen Liebes­brief oder einen Ein­kaufs­zet­tel schrei­ben oder als Arzt ein Rezept aus­stel­len, dann sind sie zwar der Ver­fas­ser, aber nicht der Er­zäh­ler. Wo diese nor­male Erzähl­stimme eines Tex­tes unter­brochen wird, da­mit ein an­de­rer wört­lich zu Wort kommt, wechselt die Ebene der Er­zäh­lung. Der Er­zäh­ler führt an, was eine seiner Fi­guren sagt. Er zitiert sie.

Regeln für Anführungszeichen in verschiedenen Textgattungen Erzählstimme meta Figurenrede

Ein Beispiel aus dem Alltag:

  • (1) Quietscheenten sind aber lustig.
  • (2) Quietscheenten ist aber ein lustiges Wort.

Im ersten Fall ist von einem Ding (lateinisch: rēs) die Rede, im zwei­ten von dem Na­men des Dings (la­tei­nisch: nomen). Wenn wir ein Wort le­sen, sehen wir nor­ma­ler­weise das Ding, das dieses Wort be­zeich­net (Ebene der Dinge). Um an­zuzei­gen, daß über das Wort ge­spro­chen wird und nicht über das Ding hin­ter dem Wort, zeich­net man dieses Wort aus:

  • (1) Quietscheenten sind aber lustig.
  • (2) Quietscheenten ist aber ein lustiges Wort.

Man spricht hier auch von Metasprache oder Meta­ebene. Hierzu eine Regel:

Im nichtkonventionellen Gebrauch zeigen Anführungs­zei­chen im­mer ei­nen Wech­sel der Sprech­ebene von der nor­ma­len Er­zähl­ebene des Tex­tes (Dinge) zu einer Metaebene an (Ebene der Na­men, Ebene der Zeichen) an.

Ausgezeichnet wir im konkreten Fall, also nicht sche­ma­tisch wie beim kon­ventio­nellen Auszeichnen.

Das hat semiotische Gründe, die wir unten an Beispielen kennen­lernen werden, aber auch typo­gra­fische. An­führungs­zeichen stiften beim Lesen Un­ruhe, sie stören das Text­bild; es ist schließ­lich ihre Auf­gabe, den Le­se­fluß zu stö­ren. Des­halb sollte man An­führungs­zeichen wirk­lich nur dann setzen, wenn der Wech­sel der Sprech­ebene sonst nicht gleich zu er­ken­nen wäre.

Gänsefüßchen oder Kursivsetzen?

In einem Text, den man benutzt und in dem man nach­schlägt, zum Bei­spiel in einem Wör­ter­buch, gibt es viele Mög­lich­keiten des Aus­zeich­nens.

In Lesetexten, vor allem Zei­tungs­arti­keln und Roma­nen, erlau­ben die Re­geln der Kunst der deutsch­spra­chigen Schrift­setzerei nur das An­füh­rungs­zeichen und die Kur­sivie­rung. Fettdruck, Unter­strei­chen und Sper­ren sind im Fließ­text als Aus­zeich­nungs­met­ho­den nicht zu­läs­sig, ebenso Kapi­täl­chen und Ver­sa­lien.

Stehen einem beide Met­ho­den zur Ver­fügung, zei­gen An­füh­rungs­zei­chen laute oder spre­chende Anführung an, die Kur­sivie­rung ist da­ge­gen leise. Auch einfache An­führunsg­zei­chen sind leise.

  • Platz da! rief Superman und stürmte durch die Tür.
  • Wörter wie schon/schon kann man immer strei­chen.

C1 Metasprache und Auszeichnung in Einzelfällen

Ein Schriftsteller schreibt:

Der Kommissar war gerade auf die Straße getreten, als er inne­hielt. Er hatte schon wieder die Zeit ver­ges­sen! Er eilte zurück zum Brief­kasten und klemm­te sie sich unter den Arm.

Hier wird auch der Leser innehalten, sich wundern und schließlich be­grei­fen, daß der Kommissar gar nicht die Uhrzeit vergessen hat, sondern Abonnent der Zeitung Die Zeit ist. Er muß also zum Beginn des Ab­satzes zurück­kehren und die Handlung noch einmal anders erleben.

Das gilt es natürlich um jeden Preis zu vermeiden. Im Gegensatz zum Tagblatt hat Die Zeit einen sprechenden Namen. Hier muß zwischen dem Objekt Zeit (die verstreichende Zeit) und dem Namen eines Objekts Die Zeit (die Zeitung) unter­schie­den werden. Es handelt sich also um einen Wechsel von der Objekt­sprache (rēs, Dinge) zur Namens­sprache (nomina, Zeichen).

In diesem Fall — und nur in diesem! — wird in einem Roman der Na­me einer Zeitung mit Anführungszeichen oder durch Kursivieren ausgezeichnet. Denn hier wird etwas zitiert: der Name einer Zeitung.

Es kann auch in anderen Fällen nötig sein, darauf hinzuweisen, daß nicht nur ein Objekt genannt, sondern ein Name zitiert wird, und zwar immer dann, wenn der Name mit einem Objekt verwechselt werden kann: Die »Fregatte« war gegen Abend gerammelt voll. Hier handelt es sich nicht um ein Schiff, sondern um den Namen einer Spelunke.

Das vorangegangene Beispiel zeigt die Aufgabe des Anfüh­rungs­zei­chens und des kursiven Auszeichnens: Etwas wird ausdrücklich ange­führt, also als Name genannt. Ein weiteres Beispiel:

  • Er bestellte einen Espresso und dachte beim Trinken darüber nach, wie man Espresso in Italien wohl richtig aussprach. Dabei fiel der Löffel zu Boden.

Das Wort Espresso kommt zweimal vor, zuerst als kochende schwarze Brühe und zuletzt als Vokabel. Weil der Espresso als Getränk ein Ding ist, genau wie der Löffel, steht er hier nicht in An­füh­rungs­zeichen. Als Vokabel ist der Espresso aller­dings kein Ding oder Objekt, sondern ein Name, der zitiert wird. Deshalb muß mit Gänsefüßchen aus­gezeichnet werden — oder besser noch kursiv, denn hier wird nicht laut zitiert. Da­durch wird das Wort optisch und semiotisch aus der normalen Ebene des Textes herausgehoben.

Prägnant läßt sich das an diesem Beispiel vorführen:

  • Espresso ist in aller Munde.
  • Espresso ist in aller Munde.

Die erste Variante behauptet, daß der Espresso ein Ding ist, eine Brühe, die alle gerne trinken und deshalb ständig im Mund haben. Bei der an­de­ren Variante kann es sein, daß noch niemand je Espresso ge­trun­ken hat. Dennoch haben alle den Begriff Espresso als Vokabel im Mund. Sie re­den darüber.

C2 Wörtliche Rede, Figurenrede und Zitat

Genau dies ist auch bei der wörtlichen Rede der Fall:

Wo waren Sie gestern abend zwischen 22 und 23 Uhr? fragte der Kommissar.

Die Verdächtige überlegte eine Weile.Ich ging aus­nahms­weise früh zu Bett.

Das ist aber schlecht für Sie. Sehr schlecht.

Ein Roman bewegt sich auf der Ebene der Erzählerstimme. Die Figuren er­zählen nicht selbst, was sie gerade tun. Die Erzählstimme ist also die normale Objektebene.

Spricht eine Figur, steht der Erzähler vor der Wahl. Er kann darüber berichten:

  • Gerlinde äußerte Zweifel.

Er kann die Äußerung der Figur indirekt wiedergeben (indirekte Rede):

  • Gerlinde erwiderte, sie habe Zweifel.

Oder er kann die Figur selbst zu Worte kommen lassen (wörtliche Rede).

  • Da habe ich meine Zweifel, sagte Gerlinde.

In diesem Fall unter­bricht die Erzählstimme ihre eige­nen Wor­te und zi­tiert (führt an), was die Figur wört­lich sagt. Da­bei ver­läßt der Text die nor­ma­le Ob­jekt­ebene und wech­selt zu ei­ner ande­ren, der Ebene der Zi­ta­ti­on. Aus die­sem Grund steht wört­liche Rede in An­füh­rungs­zei­chen: Der Erzähler führt die Worte eines anderen an, die einer Figur.

Wörtliche Rede findet sich in allen Textgattungen:

I am sure the parliament is with me, betonte Energie­kom­mis­sar Öttinger bei seinem Antrittsstatement.

C2a Anführungszeichen in Überschriften

Anführungszeichen in Zeitungsüberschriften sind ein mißratenes Kind unserer Zeit und immer der Versuch, mangende Grund­kennt­nisse durch Pseudo­akkura­tesse auszugleichen: Kommt in einem Bericht oder In­ter­view jemand zu Wort und soll eine prägnante oder provokante Äuße­rung daraus zur Über­schrift werden, dann glau­ben heute viele Journa­listen, die Über­schrift mit Gänse­füß­chen aus­zeich­nen zu müssen.

Anführungszeichen in Überschriften
Bildblog nimmt sich Bild Online vor: Von wegen brav. Anführungszeichen haben in Zeitungsüberschriften nichts zu suchen.

Anführungszeichen erfüllen an dieser Stelle keinen Sinn. Über­schrif­ten dienen dem Zweck, über den Inhalt eines Textes zu informieren und in Zeitungen zum Lesen anzuregen. Wer was gesagt hat, erfährt man im Text selbst. Es ist eine Selbst­verständ­lich­keit, daß in einem jour­na­li­sti­schen Text Quel­len zur Sprache kommen. Welchen Zweck erfüllt es, wenn Überschrften als Zitat ge­kenn­zeich­net sind? Keinen. Man erfährt ja ohnehin erst im Text, von wem die Aus­sage stammt. Gänse­füßchen haben in Zei­tungs­über­schrif­ten nichts verloren.

Das gilt auch, wenn der Urheber genannt wird, was ohnehin die einzig wirklich akkurate Aus­zeich­nung wäre:

Anführungszeichen in Überschriften
Wer sonst sollte hier sprechen als der­Bezeichnete?

C2b Wörtliches Schweigen

Selten, aber nicht unerhört, ist dieses seltsame Etwas:

Es war schon spät, dachte die Kommissarin und eilte weiter.

Hier glaubt der Urheber, der Erzähler würde die Ge­dan­ken wört­lich spre­chen las­sen. Ge­nau das ist aber nicht mög­lich. Ge­dan­ken kön­nen nicht spre­chen. Tat­säch­lich kann der Erzähler nur be­rich­ten, was im Kopf der Kom­mis­sa­rin vor sich geht. Als All­wis­sen­der weiß er darüber Be­scheid. Es handelt sich also in Wahrheit um einen indirekten Aus­sage­satz:

Es war schon spät, dachte die Kommissarin und eilte weiter.

C2c Erlebte Rede

Dem Schriftsteller, aber keinem anderen, steht neben direkter und in­di­rek­ter eine dritte Form der Fi­guren­rede zur Ver­fügung, bei der sich die Figur durch­aus selbst äußert, dabei aber nicht laut in der Szene spricht. Die Rede ist von der er­lebten Rede:

  • Gerlinde schüttelte den Kopf. Das war nie und nimmer wahr!

So ist es doch viel eleganter und eindringlicher, als wenn die Er­zähl­stim­me nur be­rich­ten würde, daß Ger­linde ihre Zwei­fel hatte. Aber wer spricht nun im zwei­ten Satz: Ger­linde oder die Er­zähl­stimme?

Beide. Und das geht so: Bis auf den Ich-Erzähler hat zwar jede Er­zähl­stimme Ein­blick in das In­nere al­ler Fi­gu­ren, aber sie kann dem Leser ei­gent­lich nur berichten, was sie im In­ne­ren der Figur sieht.

  • Am anderen Morgen fühlte sich Gerlinde gar nicht wohl.
  • Sie fühlte sich gar nicht wohl, dachte Gerlinde nach dem Aufstehen.
  • Gerlinde glaubte ihm nicht.

Dieses Manko überwindet die erlebte Rede, indem sie Ger­lin­des In­ne­res wört­lich spre­chen läßt:

  • Gerlinde schüttelte den Kopf. Das war nie und nimmer wahr!
  • Gerlinde schüttelte den Kopf. Nie und nimmer!

Wer seine Leser für Idioten hält, zeichnet erlebte Rede aus. Aber das ist narrativ falsch. Man packt schließ­lich auch kein Geschenk hübsch ein, um dann auf das Ge­schenk­papier zu schrei­ben, was darin ist. Die erlebte Rede ist ein Geschenk für den Leser, das er selbst aus­packen muß. Wird sie mar­kiert, ver­liert sie wie die Iro­nie (siehe unten) ih­ren Esprit und ihre Ele­ganz. Und natür­lich ihre Ein­dring­lich­keit.

Anführungszeichen wären hier zudem semiotisch falsch. Gerlinde spricht näm­lich nicht selbst, es ist ihr In­ne­res, das durch den Er­zäh­ler als Me­di­um zum Spre­chen ge­bracht wird. Aber nicht laut. Ger­lin­des In­ne­res dringt nicht nach au­ßen, der Er­zäh­ler zieht den Leser ins In­nere von Gerlinde.

Erlebte Rede, sprechende Gedanken und Gedanken­berichte wer­den nie­mals aus­ge­zeich­net. Wenn die Not zur Aus­zeich­nung zu be­stehen scheint, ist der Text falsch in­sze­niert.

In der erlebten Rede wird also das Innere einer Figur zum Spre­chen ge­bracht. Des­halb darf sie nur ent­hal­ten, was dort auch wirk­lich vor­gehen kann:

  • Absurd: Gerlinde betrachtete sich nach dem Aufstehen im Spiegel. Nein, sie würde ihr langes, blondes Haar auch morgen noch waschen können.
  • Richtig: Nach dem Aufwachen betrachtete Gerlinde ihr langes, blondes Haar im Spiegel. Nein, das konnte sie auch morgen noch waschen.

Auch wenn Gerlinde beim Blick in den Spie­gel lan­ges, blon­des Haar sieht, nimmt sie es nach fünf­und­drei­ßig Jah­ren natür­lich nicht mehr war.

C2d Falsche wörtliche Rede

Der Schriftsteller schreibt:

Und dann habe ich rot gesehen.
Und weiter?
Es gibt kein weiter.

Falsch wäre: Es sei nebenbei angemerkt, daß aus wei­ter kein Sub­stan­tiv wird, nur weil ihm ein Ad­jek­tiv oder Pro­no­men vor­aus­geht. Es ist und bleibt ein Ad­verb und darf da­her nicht groß­ge­schrie­ben wer­den.

Und dann habe ich rotgesehen.
Und weiter?
Es gibt kein Weiter.

Denn hier wird nicht aus der vorangegangenen Frage zitiert, sondern einfach nur der Begriff weiter wie­der­holt. Diese Epi­pher ruft Ein­dring­lich­keit hervor. Epi­phern und Ana­phern sind Rede­figu­ren, bei der ein Be­griff wie­der­holt wird; bei der Ana­pher am An­fang des Satzes, bei der Epi­pher am Ende.

Einen ähnlichen Irrtum findet man auch in die­sem Bei­spie­l:

  • Richtig: Sie sagte ja.
  • Falsch: Sie sagte ja.

Auch hier ist by the way nur Klein­schrei­bung richtig. Man sagt die Wahr­heit oder nichts, aber nicht ein Ja.

  • Richtig: Die Antwort lautet/ist nein.
  • Falsch: Die Antwort lautet/ist nein.
  • Falsch: Die Antwort lautet/ist Nein.
  • Doppelplusungut: Die Antwort lautet/ist Nein.

C2e Falsche wörtliche Rede im Bericht

Häufig trifft man in Zeitungen so etwas an:

Falsche Gänsefüßchen bei lexikalischer Auszeichnung
Sinnlose Gänsefüßchen auf jetzt.de.

Vergleichen Sie den Inhalt des Satzes mit der äußer­lichen Aus­zeich­nung. Hier wird nicht nur das Anführungs­zei­chen ohne Sinn und Ver­stand an­gewandt, dem Ver­fas­ser fehlt zu­dem das Grund­wissen, worin sich Be­richt, wört­liche und in­direkte Rede unter­schei­den. Dies ha­ben wir in un­se­rem Tu­tori­al über rich­tiges Zi­tie­ren und Be­rich­tenTutorial: Richtig zitieren und berichten mit dem Konjunktiv 1 aus­führ­lich be­han­delt.

Anführungszeichen versetzen das, was sie um­schlie­ßen, von der Ebe­ne der Dinge in die Ebene der Zei­chen (Meta­ebene). Das Ver­bum von etwas spre­chen macht Will­kür­justiz aber aus­drück­lich zu einem Ding. Die Ebene der Dinge wird also nicht ver­lassen.

Richtig kann also nur sein: … sprechen von Willkürjustiz.

Ein starkes Bei­spiel für fal­sches Zi­tie­ren:

Formal und journalistisch falsches und sinnloses Zitieren sehen wir oft bei Bildblog.
Formal und journalistisch falsches und sinnloses Zitieren sehen wir oft bei Bildblog.

Grotesk ist daran, daß das zusammen­gesetz­te Verb ge­spal­ten wird. Das Prä­fix los soll wört­lich zi­tiert sein, der Rest wird da­gegen nicht. Die Gänse­füß­chen sol­len einen glau­ben ma­chen, bei Bild­blog ar­beite­te man im Ge­gen­satz zur Bild­zei­tung ganz prä­zise. Wer­fen wir einen Blick auf die zi­tier­te Quelle:

Falsche Anführungszeichen
Quelle bei Bild Online, die Bildblog zu zitieren versucht.

Die Quelle offenbart, daß nicht nur semiotisch, son­dern auch jour­nali­stisch falsch zitiert wurde. Wird kommt dort durch­aus vor. Wie hätte es auch an­ders sein kön­nen? Nur nicht in der­sel­ben Stel­lung, und da will man bei Bild­blog ganz prä­zise sein. Wer aller­dings wie Bild­blog Zitate als Frag­mente in einen eige­nen Satz einbaut, soll­te ohne­hin jeden Wunsch nach Au­then­tizi­tät fah­ren las­sen.

Wört­liche Rede ist bei diesem Bei­spiel das fal­sche Mit­tel. Es schreit nach indirekter Rede mit dem Kon­junk­tiv 1Tutorial: Richtig zitieren und berichten mit dem Konjunktiv 1:

  • … und verriet, wie man(n) Intimhaare loswerde.

Aber noch lauter schreit es wegen eklatanter Zitierunwürdigkeit nach einem schnö­den Bericht:

  • … und verriet, wie man(n) Intimhaare los­wird.

Haben Sie so den Eindruck, etwas verpaßt zu haben?

Regel

1. Wörtliche Rede ist nur dann korrekt und seriös, wenn die Quelle in ihrer Aus­sage for­mal voll­stän­dig wie­der­gegeben wird.

2. Kann nicht vollständig und buchstaben­getreu wört­lich zitiert wer­den, zitiert man indi­rekt. Dabei darf die Wort­rei­hen­folge aus­drück­lich um­gewan­delt werden, soweit dies gramma­tika­lisch not­wen­dig ist. So wandert das Verb zum Bei­spiel an das Satzende, weil das Zitat zum Neben­satz wird. In in­direk­ter Rede steht der Kon­junk­tiv 1. An­füh­rungs­zei­chen haben darin nichts ver­loren.

3. Wörtliche Zitate sollen nicht als Frag­mente in den eigenen Fließ­text mon­tiert und dort ver­un­treut wer­den (wie im Bei­spiel). Das­ist nicht so ele­gant, wie es scheint, und nicht selten un­seriös. Man zi­tiert schließ­lich wört­lich, um jemand zu Worte kom­men zu las­sen, und nicht, um ihn zu miß­brauchen. Fremde Aussagen montiert man am besten mit dem Konjunktiv 1 in den eigenen Text.

Das Beispiel von Bildblog endet mit einem zwei­ten Zitat, das man aber nur am schlie­ßen­den An­füh­rungs­zei­chen er­kennt, weil das öff­nen­de fehlt. Viel­leicht soll es durch die fal­sche Groß­schrei­bung er­setzt wer­den. Nun ver­wir­ren die sinn­losen ein­mon­tier­ten wört­lichen Reden bei Bild­blog ohne­hin schon mehr, als sie Klarheit bringen. Wenn die ver­kork­ste Akribie dann nicht bis zum bit­te­ren Ende durch­gehal­ten wird und man beim Lesen an­fängt, die Gänse­füß­hen ab­zuzäh­len, ist alles dahin.

Wer wie Bild­blog stän­dig wört­lich zi­tiert, obwohl der Wort­laut der Quelle un­er­heb­lich oder gar banal ist, tut dies eigentlich nur als manie­rier­tes Stil­mit­tel, das dem Le­ser Prä­zisi­on und State of the Art im Jour­nalis­mus vor­machen soll.

Denn was bringt es dem Le­ser zu er­fah­ren, daß die nichts­sagen­den Pas­sagen wört­lich zi­tiert sind? Wel­cher Sinn liegt darin?

Wört­liche Zi­tate soll­ten sich auf solche Fälle be­schrän­ken, wo die Form der Aus­sage An­teil an ihrem Gehalt hat. Wenn die Bun­des­kanz­lerin schlicht be­haup­tet, sie wolle das Ge­setz zur Ab­stim­mung brin­gen, reicht ein Be­richt.

  • Die Bundeskanzlerin will das Gesetz zur Abstimmung bringen.

Be­zeich­net sie da­gegen Mil­liar­den­hilfen als al­ter­nativ­los, zitiert man wört­lich, weil die Wort­wahl Auf­schluß über die der Äuße­rung zu­grunde­liegen­de Hal­tung der Kanz­lerin gibt. In sol­chen Fäl­len zitiert man voll­stän­dig und fügt seine Be­wer­tung da­nach an:

  • Milliardenhilfen und die damit verbundene Neu­ver­schul­dung sind al­ter­nativ­los, sagte die Bun­des­kanz­lerin. Wer Schul­den, die die fin­an­ziel­le Stabi­li­tät unse­res Staa­tes ge­fähr­den, als al­ter­nativ­los be­zeich­net, kann nicht mehr ganz rich­tig im Kopf sein.

Wer ernsthaft zitieren will, berichtet nicht mit einem hin­ein­gewur­stel­tem Zitat:

  • Die Bundeskanzlerin bezeichnete die Mil­liar­den­hil­fen und die damit ver­bun­dene Neu­ver­schul­dung als al­ter­nativ­los.

Konstruktionen wie diese sieht man häufig bei un­behol­fe­nen Jour­nali­sten. An­schei­nend be­trachten sie sie als ele­gant und flüs­sig. Davon kann je­doch keine Rede sein.

Es ist semio­tisch falsch, weil al­ter­nativ­los durch das Ver­bum zum Ding wird und damit be­reits lexi­ka­lisch als Zitat ge­kenn­zeich­net ist. Diese Ding­lich­keit dann durch An­füh­rungs­zei­chen wie­der auf­zuhe­ben und zu ei­nem Zei­chen (Meta­ebene) zu ma­chen, ist kon­tra­iko­nisch und ver­korkst. Die­ses Vor­gehen zeigt, daß sein Ver­fas­ser seine jour­nali­sti­schen Mit­tel nicht im An­satz ver­steht.

C2f Wörtliche Rede mit Inquit

Folgen in einem Erzähltext mehrere kurze Dialogzeilen auf­ein­ander, kann es nötig sein, ein Inquit wie sagte er einzufügen, damit der Leser nicht aus den Augen ver­liert, wel­che Figur gerade spricht. Hier Heiner Müllers Kurz­drama Herzstück in leicht veränder­ter und da­durch lei­der auch deut­lich ver­schlech­ter­ter Form:

Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen? sagte Eins.

Zwei zögerte. Wenn Sie mir meinen Fußboden nicht schmutzig machen.

Mein Herz ist rein.

Das werden wir ja sehen.

Ich kriege es nicht heraus.

Wollen Sie, daß ich Ihnen helfe?

Wenn es Ihnen nichts ausmacht.

Es ist mir ein Vergnügen, sagte Zwei und zog. Ich kriege es auch nicht heraus.

Eins begann zu heulen.

Ich werde es Ihnen herausoperieren, sagte Zwei. Wozu habe ich ein Taschen­mes­ser. Das werden wir gleich haben. Ar­bei­ten und nicht ver­zwei­feln. So, das hät­ten wir. Zwei schau­te blöd. Aber das ist ja ein Zie­gel­stein. Ihr Herz ist ein Zie­gel­stein.

Aber es schlägt nur für Sie.

In einem journalistischen Text muß es gar nicht so weit kommen. Sogar bei einer einzigen Rede muß deutlich werden, wer dies gesagt hat.

Bei wörtlicher Rede sind die allgemeinen Regeln der Syntax und Orthografie zu beachten. Bei …

Guten Tag, sagte er.

… ist die wörtliche Rede ein Nebensatz und als solcher das Objekt des Haupt­satzes (Objektsatz). Was sagte er? Guten Tag! Weil die wörtliche Rede ein Neben­satz ist, darf sie kein anderes Satz­zei­chen als ein Kom­ma ent­hal­ten. Ein Punkt darf inner­halb eines Satz­gefüges aus einem Haupt- und einem oder mehreren Nebensätzen nicht stehen, dafür aber das Frage­zei­chen und das Aus­rufe­zei­chen, weil sie eine Fra­ge oder lautes Aus­rufen kenn­zeich­nenVideo-Tutorial und Artkel zum Fragezeichen in direkten und indirekten Fragesätzen sowie die Frage, warum die Satzzeichen so aussehen, wie sie aussehen.. Das Inquit (sagte er) muß also folgen, bevor das Ende des Haupt­satzes er­reicht wird.

Besteht die Rede der Figur aber aus mehr als einem Satz, so wird sie nach dem ersten unterbrochen und später fortgeführt.

  • Richtig: Ich weiß nicht, sagte sie. Wir haben vielleicht doch nicht so viel ge­mein­sam.
  • Falsch: Ich weiß nicht. Wir haben vielleicht doch nicht so viel ge­mein­sam, sagte sie.

Das falsche Beispiel ist deshalb falsch, weil sich innerhalb der wörtlichen Rede ein Satzzeichen befindet, daß die Rede gemäß den Grundsätzen der Zeichensetzung be­en­det, obwohl die Rede tatsächlich ja weiter­geht.

Der Autor muß eine Möglich­keit fin­den, das Inquit nach dem ersten Satz der Rede einzufügen, die Rede dort zu unterbrechen. Da­hin­ter kann er die Rede dann beliebig lang fortsetzen. Gerät er dabei in Schwie­rig­kei­ten, kann er die Per­sonen­identi­fizie­rung vom not­wen­digen Übel zur Tu­gend werden lassen:

  • Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Ich weiß nicht. Wir haben vielleicht doch nicht so viel gemeinsam.

Syntaktisch falsch ist auch der Ameri­kanis­mus, das Satz­gefüge nach dem Inquit mit einem Kom­ma for­tzu­füh­ren: Auch in Amerika ist dieses Phä­no­men noch jung und das Er­geb­nis von Ge­dan­ken­losig­keit und dem Wunsch nach pseu­do­reali­sti­scher Sprech­genauig­keit.

  • Falsch: Ja, sagte sie, da haben Sie recht.
  • Richtig: Ja, sagte sie. Da haben Sie recht.

Nach dem Inquit muß ein neuer Satz beginnen. Der Einwand, der Punkt würde eine un­gewoll­te Zäsur zwi­schen den Rede­teilen er­zeu­gen, ist nicht stich­hal­tig. Punkte er­zeu­gen keine Zäsur, das tun nur Ge­dan­ken­striche (Nähe­res gegen diesen Ein­wand im Tuto­rial zur Komma­set­zung). Mehr zum rich­tigen Um­gang mit In­quit­for­meln in wört­licher Rede fin­den Sie im Video die­ses Tuto­rials.

C2g Falsches Zitieren in indirekter Rede

Neben der wörtlichen (direkten) Rede kann man auch indirekt zitieren. Hierbei entfallen zunächst die Anführungszeichen, und der Satz wird vom Indikativ in den Konjunktiv 1Interner Link: Tutorial zum Konjunktiv (Video und ausführlicher Artikel) überführt. Dadurch wird dem Leser klar, daß alles — wirk­lich alles, jedes ein­zel­ne Wort — in die­sem ab­hän­gi­gen Aus­sage­satz ein Zitat ist.

Darüber hinaus noch mit Gänsefüßchen im Konjunktivsatz herum­zudok­tern, ist falsch, bei schlechten Jour­nali­sten aber leider gang und gebe:

Mehrmals habe der Gipfel vor dem kom­plet­ten Schei­tern ge­stan­den, sagte Mer­kel in ih­rer Pres­se­kon­fe­renz und machte klar, an wem es aus ihrer Sicht lag. Man lebe in einer Welt des Über­gangs, und in Ko­pen­hagen habe man ein selbst­bewuss­tes China er­lebt.

Oder:

Ich bin am Abend gekom­men, habe ge­ges­sen und ge­schla­fen, jetzt bin ich hier, ver­mel­det [Oskar­kandi­dat] Haneke, sicht­lich ge­jet­lagt. Die Span­nung wird dann stei­gen, wenn man da drin sitzt. Trotz­dem habe er sich "ein biss­chen über­legt, was man sa­gen will", auch habe er ge­hört, man sol­le sich dieses Jahr be­son­ders kurz fas­sen.

Hier tritt die naive Vorstellung zutage, nur das Verb im Konjunktiv wäre indirekt, alle nichtverbalen Satzteile müßten zusätzlich noch in Gänse­füß­chen gesetzt werden, damit auch sie als zitiert gelten.

Das ist Unsinn. Ein Satz wird allein dadurch, daß das Verb im Kon­junk­tiv 1 steht, in Gänze zu einem in­di­rekten Aus­sage­satz. Das lernt jeder Schüler im Englischunterricht, wenn es um reported speech geht. Die nominalen Satzteile bleiben unverändert.

Man stelle sich vor, man möchte eine Hand­lung in der Ver­gangen­heit beschreiben, und ließe es nicht dabei bewenden, das Verb ins Prä­te­ri­tum zu setzen, son­dern setzte die nomi­nalen Satz­glieder zudem noch in Frak­tur­schrift, damit auch sie in der Ver­gangen­heit ste­hen.

Irrwitz des Auszeichnens

Noch ein Beispiel:

Der Vertreter eines 26 Qua­drat­kilo­meter gro­ßen Lan­des mit zwölf­tau­send Ein­woh­nen lehnt sich ge­gen die USA auf, ge­gen Chi­na, In­dien, Bra­sili­en - ge­gen all jene Staats­chefs, die am Abend an­geführt von US-Präsi­dent Ba­rack Oba­ma einen "Deal" ab­ge­schlos­sen ha­ben wol­len.

Hier gibt es keinen Konjunktiv, aber eine gleichwertige Phrase: haben wollen. Der Autor hält es für nötig, den Begriff Deal in Anführungs­zei­chen zu setzen, um zu kenn­zeich­nen, daß er den Wort­laut des Ver­tre­ters zitiert. Dies tut jedoch bereits die Verb­kon­struk­tion. Die Anführungs­zei­chen sind also falsch, weil sie den Bericht mit einem Zitat ver­wech­seln.

Es geht weiter:

Begonnen hatte Klein am Mor­gen mit einem vor­berei­te­ten State­ment für den Aus­schuss. Darin be­zeich­nete er sei­nen An­griffs­befehl als "an­ge­mes­sen". Zu­vor hatte sein An­walt die Or­der als "rechts­mäßig" klas­si­fi­ziert.

Überträgt man dieses semiotische Konzept auf einen ein­fachen Satz, erhält man dies:

  • Sein Name war Peter.

Als Leser fragt man sich, ob man einer Zeitung trauen darf, die die Welt der Objekte nicht von denen der Namen und Zeichen unterscheiden kann. Ist, semiotisch gesehen, nicht genau das die Kernaufgabe eines Journalisten?

Derartiges fanden wir auch anderswo im Hochfeuilleton:

Der Roman erzählt vor al­lem von ei­ner Exi­stenz, in der man einen ganz klassischen Typus er­ken­nen kann, den Phäno­typ des todes­süchtigen und lebens­untüch­tigen jun­gen Dich­ters, wie er seit den Ta­gen des „Sturm und Drang“ und der Früh­roman­tik durch die abend­län­di­sche Lite­ra­tur gei­stert.

aus einem Feuilletonartikel

Klingt intelligent und gebildet, nicht wahr? Die Bildung des Verfassers entlarvt sich durch die Gänsefüßchen allerdings als Mimikry. Sturm und Drang ist ein ganz normaler Begriff wie Romantik, Klassik und Mo­der­ne. Wahrscheinlich stehen die Gänsefüßchen, weil der Ausdruck aus drei Wörtern besteht. Dadurch versagt beim Verfasser auch gleich der früh­kindliche Spracherwerb: Er hält das Wort für in­dekli­nabel. Besser wäre:

… seit den Tagen des Sturm und Drangs …

Hier wird die Wendung Sturm und Drang als geschlos­se­ner Aus­druck ge­sehen und nur ein­mal am Ende mit einer Geni­tiv­endung ver­sehen. So machen wir es bei Namen: Das Haus Peter Schmidts und nicht das Haus Peters Schmidts.

Be­denkt man aber, daß man auch von Stür­mern und Drän­gern spricht und nicht von Stür­mer und Drän­gern sowie von Dichtern und Den­kern und nicht von Dich­ter und Den­kern, sollte man bes­ser beide Sub­stan­tive de­kli­nie­ren:

… seit den Ta­gen des Sturms und Drangs …

Es geht noch schlimmer. Hier ein Essay von einer Philo­sophie­pro­fes­so­rin. Auch wenn ihre Schwer­punkte wo­anders lie­gen, hat sie als stu­dier­te Philo­sophin be­stimmt schon von der Leh­re der Zei­chen ge­hört. Den­noch schreibt sie in der FAZ:

Betrachte ich meine Arbeit, so ist die Antwort klar: In zweier­lei Hin­sicht hat das Netz mei­nen Schreib­tisch verändert. […] So­ge­nanntes „Wissen“ ist in Überfülle vor­han­den (…), das lädt zum Stöbern ein und setzt Ver­gleichs­maßstäbe. […] Wirk­lich gut ge­schrie­bene Netz­texte sind meist digi­tale Dupli­kate von Ge­druck­tem. Das macht aber nichts, denn auch wer das Web „krea­tiv“ findet wird zu­geben, dass es vor allem der Distri­bu­tion von Vor­hande­nem dient - und der Rest ist Tele­kommuni­kation.

eine Philosophieprofessorin

Wohlgemerkt, der Verfasser ist Professor für Philosophie. Die erste Auszeichnung ist unsäglich. Sogenannt macht den folgenden Ausdruck zu einem Ding, weil es das Sagens bereits lexikalisch kennzeichnet so genannt!. Deshalb dürfen darauf keine Anführungszeichen folgen.

Die zweite Anführung soll offenbar kennt­lich machen, daß hier mit authen­tischen Be­griffen han­tiert wird. So auch an ande­ren Stel­len:

Grundsätzlicher scheint mir auch fraglich, ob das Internet im Alltag tatsächlich, wie man so sagt, „allgegenwärtig“ ist.

Hier sind die Anführungszeichen wieder sinnlos, weil ja bereits durch wie man so sagt das Zi­tie­ren lexi­ka­lisch kennt­lich gemacht wird. Und zu guter Letzt:

Wer von „Verschmelzung“ von Geist und Netz redet, hat die Rechnung ohne den Körper gemacht.

Im Text wimmelt es von so vielen Anführungen, daß man die wahre Intention des Ver­fas­sers ableiten kann: Es geht weniger um Zitation. Hier soll das, was über etwas aus­gesagt wird, also die Prädikation oder Aussage selbst, mar­kiert wer­den, obwohl die Syn­tax der Sprache diese Aufgabe längst erfüllt.

Dies ist das Motiv hinter den vielen Pommesbuden-Gänsefüßchen:

Dittsche im Ersten mit der Mutter aller Anführungszeichen: Mittagstisch "hausgemacht"
Dittsche im Ersten Externer Link zu Dittsche beim WDR

Mittagstisch hausgemacht ist eine Verkürzung aus Der Mittags­tisch ist haus­ge­macht. Der Mit­tags­tisch ist das Sub­jekt, das Par­ti­zip haus­ge­macht das Prä­di­kat, also die Satzaussage. Weil mit dem Prä­di­kat etwas über den Mit­tags­tisch aus­gesagt wird, glau­ben Men­schen, die wenig schrei­ben, daß die Satz­aus­sage in Gänse­füß­chen ste­hen müß­te. Denn wo etwas ge­sagt wird, steht in ge­schrie­benen Tex­ten be­kannt ein An­füh­rungs­zei­chen.

Darin besteht der Irrtum aller Pom­mes­buden­gänse­füß­chen. Und wie wir sahen, herrscht er auch bei der FAZ. Das Prä­di­kat ei­nes Sat­zes ist als Aus­sage al­ler­dings von ganz an­de­rem Wesen als die wört­liche Rede.

Regel

Die Satzaussage wird in der Sprache durch Flexion und syntaktische Stellung dargestellt.

Das Gänsefüßchen ist kein Element der Syntax und Flexion.

Oft werden auch Appositionen in Gänse­füß­chen gekleidet:

Das Phänomen "Manhattanhenge" ähnelt der Sonn­wende im eng­lischen Stone­henge: Die Abend­sonne geht zwei­mal im Jahr genau in der Ver­länge­rung der schnur­geraden Quer­straßen von Man­hat­tan unter und lässt alle Ost-West-Stra­ßen auf der Halb­insel leuch­ten.

Katja Schnitzler, sueddeutsche.de

Manhattanhenge ist der Name des Phänomens, grammatikalisch ist es eine Ap­posi­tion zu Phäno­men. In der Wen­dung das Phänomen Man­hat­tan­henge kann das zweite Sub­stan­tiv gar nichts anderes sein als eine Ap­posi­tion. Und weil es keinen Arti­kel vor sich hat, muß das zweite Sub­stan­tiv der Name des ersten sein. Es aus­zuzeich­nen, erfüllt also keinen Zweck, denn die Be­nen­nung ist syn­tak­tisch, nicht semio­tisch. Der Satz bleibt auf der ding­lichen Ebene. Hier mal das Prin­zip des Bei­spiels auf einen anderen Fall an­gewandt:

  • Doktor Huber

Es gibt jedoch Fälle, wo Auszeichnung sein muß:

  • Das Verbum beugen wird schwach gebeugt.
  • Das Verbum beugen kann ja jeder.

Wäre im ersten Satz nicht ausgezeichnet, würde man beu­gen zu­nächst für ein nor­males Wort, also ein Ding, hal­ten. Das Ver­bum spricht jedoch nicht selbst wie im zwei­ten Satz — es wird dar­über ge­spro­chen.

Also:

  • Das Phänomen Manhattanhenge ähnelt der Sonnwende im eng­lischen Stone­henge.
  • Das Phänomen Lieben ist nicht zu durchdringen.

Wenn lieben der Name eines Phänomens ist, muß es großgeschrieben werden. Verwechslung ist so aus­geschlos­sen.

Möglich und oft gut sind auch ältere Methoden des Aus­zeich­nens, der geni­tivus ex­plica­tivus oder lexi­kali­sches Aus­zeich­nen:

  • das Phänomen des Liebens
  • das Phänomen namens Lieben

C3 Auszeichnung als Lesehilfe

In einem Text kommen manchmal Begriffe vor, über die der Leser in vol­lem Schwung stol­pern kann. Sie wer­den kur­siv aus­gezeich­net, damit der Leser be­reits vor und nicht während des Wor­tes ins Stu­tzen kommt.

  • Der Kommissar war stets à jour.

Durch die Auszeichnung wird die neutrale Objektebene ganz kurz ver­lassen und zur Ebene der Namen und Zeichen gewechselt. Das dadurch entstehende Beschwer wiegt leichter als Verwirrung.

Solche Begriffe treten meist nur einmal in einem längeren Text auf. Folgen aber wei­tere in kurzem Ab­stand, dann wird nur die erste Erwäh­nung aus­gezeich­net. Sonst wim­mel­te es in einem Text vor Aus­zeich­nun­gen, und das setzt seine Les­bar­keit und Homo­genität stark herab. Der Leser bekommt außerdem den Ein­druck, daß man ihn für einen Idioten hält.

Dies gilt vor allem für Übersetzungen. Wer einen spanischen Roman liest, muß damit rechnen, dort auf Schritt und Tritt spanischen Namen zu begegnen. Hier wäre Auszeichnung kontraikonischTutorial: Ikonizität in der Sprache, denn spanische Namen sind in einem spanischen Roman der Normalfall, Auszeichnung weist aber immer auf etwas Besonderes hin.

  • Richtig: Jesús Corazon war in seiner Jugend Torero gewesen. Seit zehn Jahren arbeitete er als Buchhalter bei der Junta von Cádiz. Seine Wohnung lag in der Calle de los Reyes.
  • Falsch: Jesús Corazon war in seiner Jugend Torero gewesen. Seit zehn Jahren arbeitete er als Buchhalter bei der Junta von Cádiz. Seine Wohnung lag in der Calle de los Reyes.

C4 Betonung

Soll ein Wort besonders betont werden, kann man es kur­siv aus­zeich­nen. Zuvor soll­te man sich al­ler­dings fra­gen, ob die Be­to­nung nicht durch Wort­stel­lung zu er­rei­chen ist.

Anführungszeichen in älteren Texten
Gänsefüßchen waren auch in früheren Zeiten beliebt, zum Beispiel in der Fackel, einer Zeit­schrift, die Karl Kraus dazu diente, sich mit allen Men­schen seiner Zeit zu über­werfen. Bild aus der Nummer 588, März 1922.

Das Gänsefüßchen ist kein ge­eig­ne­tes Mit­tel, um Be­to­nung zu mar­kie­ren.

Ironische Gänsefüßchen

Beliebt sind Gänsefüßchen, wenn man etwas als ironisch kennzeichnen möchte. Allerdings ist das Resultat dann keine Ironie, sondern Hohn, denn das Wesen der Ironie ist die Verstellung und nicht die Kennt­lich­machung.

Grammatikalisch und lexikalisch falsch ist der Ge­dan­ke der Teil­ironie. Hier­bei wird bei einem Deter­mina­tiv­kom­posi­tum nur der Be­stand­teil in Anführungs­zei­chen ge­setzt, den man für ironisch hält.

  • Falsch: Keiner erwartet noch etwas vom ehe­maligen Vor­zei­ge-Minister. Wann tritt er end­lich zurück?
  • In Ordnung: Keiner erwartet noch etwas vom ehe­maligen Vorzeige­mini­ster. Wann tritt er end­lich zurück?
  • Besser: Keiner erwartet noch etwas vom ehe­maligen Vor­zei­ge­minister. Wann tritt er end­lich zurück?
  • So allein wirklich ironisch: Keiner erwartet noch etwas vom Vor­zei­ge­minister. Wann tritt er end­lich zurück?

Dieser Usus verrät, daß der Urheber die Wort­bil­dung des Deutschen nicht ver­stan­den hat: Nur weil der ehemalige Vor­zeige­mini­ster nicht mehr vor­zeig­bar ist, bleibt er bis zu seinem Rücktritt dennoch Mini­ster, sagt sich der Ver­fas­ser und fol­gert fälsch­lich: Also ist nur das eine zu ver­höh­nen, das andere dagegen nicht zu bestreiten.

Nein. Es betrifft sehr wohl das ganze Wort. Ein nicht mehr vor­zeig­barer Vor­zeige­mini­ster ist kein Vor­zeige­mini­ster mehr und nicht nur kein Vorzeige-. Das Wort trifft in seiner Gänze nicht mehr zu. Daß er dabei noch Mini­ster ist, berührt das andere überhaupt nicht.

Aber auch die Anführung des ganzen Kompositums ist nicht gut. Der Aus­druck Vor­zeige­minister tut aus sich selbst her­aus be­reits kund, daß der Mini­ster einst als Vor­zeige­mini­ster in aller Mun­de war. Es bedarf keiner zu­sätz­lichen Aus­zeich­nung mit An­füh­rungs­zei­chen. Die ste­hen nur da, wo man die Aus­zeich­nung sonst nicht er­ken­nen würde.

Falsche Wortkomposition

Der sondersame Gebrauch der Gänsefüßchen in der Wortbildung hat sich allerdings ganz allgemein eingebürgert:

  • "Eier ab"-Attacke
  • "Fair use"-Politik
  • "Hartz IV"-Empfänger
  • "Laissez faire"-Haltung
  • "Darth Vader"-Maske

So beliebt er ist, er bleibt doch auf ewig falsch. Die Schrei­bun­g mit An­füh­rungs­zei­chen ist in viel­facher Hin­sicht und außer­dem fun­da­men­tal un­kor­rekt. Das Gän­se­füß­chen ist kein Mittel der Wortbildung. Es hat hier ganz grund­sätz­lich nichts verloren.

Das gilt auch für das Leerzeichen: Zur Grund­kon­ven­tion der deut­schen Rechtschreibung gehört, daß Leerzeichen zwi­schen Wortende und Wortanfang stehen und nirgendwo sonst. Sobald ein Leerzeichen auf­taucht, ist das Wort zu Ende. Ohne jede Ausnahme. Das Leerzeichen soll hier also das Gegenteil dessen verrichten, was seine einzige Aufgabe ist. Das umschließende Gänsefüßchen soll diese Verkehrung überwinden und das sinnlos Getrennte zusammenfügen.

Als einziges Zeichen kann der Bindestrich Wörter zu einem längeren Wort verbinden. Oder: In einem deutschen Wort können nur Buch­sta­ben, Ziffern (20jährig), Bindestriche (wird am Zeilenende zum Trenn­strich) und ApostropheTutorial: Der Apostroph vorkommen. Alles andere ist tabu.

Wie geht es richtig? Die Bestandteile des Wortes werden entweder unmittelbar aneinandergefügt (Fairusepolitik) oder mit dem Bindestrich verknüpft:

Falsche Wortkomposition mit Anführungszeichen
im Vergleich zu korrekter Wortkomposition
Falsch Richtig
"Eier ab"-AttackeEier-ab-Attacke
besser: kompletter Verzicht
"Fair use"-PolitikFair-use-Politik
besser: Politik des Fair Use
noch besser: Fair Use
"Hartz IV"-EmpfängerHartz-IV-Empfänger
besser: Empfänger von Hartz-IV
"Laissez faire"-HaltungLaissez-faire-Haltung
besser: das Laissez faire
"Darth Vader"-MaskeDarth-Vader-Maske

Das nennt man Durchkoppeln. Hat ein Autor Bammel, ob das Re­sul­tat ungelenk aussieht, dann hat er damit voll und ganz recht. Allerdings beruht das nicht auf den Durchkopplungs- und Wortbildungsregeln des DeutschenDurchgekoppelte Wortzusammensetzungen durchkoppeln, sondern auf seinem schlechtem Geschmack oder einer Un­acht­sam­keit. Eine Eier-ab-Attacke wird durch keine Schreibung weniger eklig, wie auch all die anderen monströsen Instantkompositionen von Journalisten, etwa "Yes we can"-Mantra. Das Laissez-faire ist bereits eine Haltung, genau wie das Hanging-loose und das Dolce Vita.

  • Falsch: das "Yes we can"-Mantra
  • Schlecht: das Yes-we-can-Mantra
  • Besser: das Mantra Yes we can!
  • Oft noch besser: Yes we can!

Fürchtete man sich vor zwanzig Jahren noch vor unger­mani­schen Ro­ma­nis­men wie den sai­so­na­len Schwan­kun­gen und den regio­na­len Dis­pari­tä­ten, schlägt das Pen­del der Ge­schmack­losig­keit heu­te in die an­de­re Rich­tung aus: Jedes zufällige Zusammentreffen von Begriffen mündet in einem Kompositum. Ist von Homeland Security die Rede und wird dabei der Direktor erwähnt, ist er nicht der Direktor von Homeland Security, sondern zwanghaft der "Homeland-Security"-Direktor.

  • Falsch: Der »Homeland Security«-Direktor ließ alle Tur­ban­trä­ger ver­haf­ten.
  • Richtig: Der Homeland-Security-Direktor ließ alle Tur­ban­trä­ger ver­haf­ten.
  • Gut: Der Direktor von Homeland Security ließ alle Tur­ban­trä­ger ver­haf­ten.

Die Lösung liegt in der Lösung:

  • Präpositionalphrase: »Homeland Secu­ri­ty«-Di­rek­tor → Di­rek­tor von Home­land Se­curi­ty
  • Apposition: "Yes we can"-Mantra → das Man­tra Yes we can!

Ebenso falsch bleibt diese Wortbildung, wenn nur Gänsefüßchen fehlen: Martin Wal­ser-Adap­tion. Auch falsch ist Bin­nen­zita­tion:

Die "Deutschland schafft sich ab"-Rezension in der FAZ war aber bissig.

Richtig wäre:

Die Rezension zum Buch Deutschland schafft sich ab in der FAZ war aber bissig.

Unverzeihlich sind Mon­ster­komposi­ta in der Schön­litera­tur. Hier der schrift­stel­leri­sche Offen­barungs­eid von Stephen King, vom deut­schen Ver­lag zu­sätz­lich mit falscher Wort­bil­dung und Recht­schrei­bung aus­gestat­tet:

Kam es gegen Ende der zweiten Halbzeit eines un­ent­schie­den ste­hen­den Spiels zu einer Ran­ge­lei um den Ball, war die Nein, du nicht, du kleine Schlampe, dieser Ball gehört MIR!-Stim­mung ge­ra­de­zu greif­bar.

Stephen King: Die Arena. Seite 525. München 2011 (TB).

Der Satz ist schon im Original unfaßbar falsch kon­stru­iert. Gram­matika­lisch lautet seine fade Aussage ist greifbar. Aber ist das in­halt­lich seine Aus­sage? Nein, sie liegt in dem, was Step­hen King zu einem No­minal­mon­ster macht und ir­gend­wo ver­steckt. Das ist kein Ein­zel­fall. An den Stellen, wo ein Schrift­stel­ler das In­nere sprach­lich fas­sen muß und sein Hand­werk auf die Probe ge­stellt wird, greift der King zum Nächst­liegen­den und schu­stert ein gigan­ti­sches Nomen dar­aus. Auch wenn Spra­che und sze­nische Ge­stal­tung nicht seine Stär­ken sind, hätte ein Lektor bei diesem un­gelen­ken und ge­schmack­losen Trei­ben ein­grei­fen müs­sen. Zum Bei­spiel so:

Drohte ein Spiel unentschieden zu enden, rangelten die Spie­lerin­nen um Ball. Nein, du nicht, du klei­ne Schlam­pe, die­ser Ball ge­hört mir! [erleb­te Rede]

Typografie der Gänsefüßchen

In der Druckersprache hielt man sich lange an das Lateinische; noch heu­te sind Aus­drücke wie dele­atur (dies werde gelöscht) oder Pagina (Numerierung der Seiten) in Ge­brauch. So spra­chen die Drucker lange Zeit lateinisch vom signum citationis, bis sich die deut­sche Be­zeich­nung Gänsefüßchen einbürgerte. Sie rührt daher, daß die Gly­phen an den Ab­druck eines Gänsefußes im Lehm oder Schnee er­in­nern.

In der deutschen Orthotypographie, die ein Teil der Recht­schrei­bung ist, sind drei Anführungsformen zulässig: die klassischen Gänsefüßchen („…“) und zweierlei Arten der Guillemets (»…« und «…»).

Erstaunlicherweise haben die Gänsefüßchen genannten deutschen Anführungszeichen aber gar keine Ähnlichkeit mit dem Fußabdruck einer Gans — dafür aber die nachfolgend besprochenen Guillemets, die man gewöhnlich nicht Gänsefüßchen nennt. Oft wird der Begriff sogar als Gegenteil von Gänsefüßchen gebraucht.

Deutsche Gänsefüßchen

Das öffnende Gänsefüßchen hat im Deutschen die Gestalt einer Doppel­neun und sitzt auf der Grund­linie, das schließende sieht wie eine Doppel­sechs aus und hängt an der Oberlinie: ₉₉…⁶⁶

Typografisch korrekte Anwendung klassischer Gänsefüßchen im Deutschen

Fremdländische Gänsefüßchen

In jeder Sprache findet man andere Gepflogenheiten:

  • Englisch: ⁶⁶O, wilt thou leave me so unsatisfied?⁹⁹ — ⁶⁶What satisfaction canst thou have tonight?⁹⁹ — ⁶⁶The exchange of thy love’s faithful vow for mine.⁹⁹ — ⁶⁶I gave thee mine before thou didst request it: And yet I would it were to give again.⁹⁹
  • Schwedisch: ⁹⁹Jag blir galen, det är för fan jävlar inte sant. Sa hon det?⁹⁹ — ⁹⁹Ja, precis innan jag stack.⁹⁹ — ⁹⁹Hon är ju för fan inte klok din morsa.⁹⁹ — ⁹⁹En dag stryper jag henne.⁹⁹ — ⁹⁹Ja, gör det.⁹⁹
  • Spanisch: ⁶⁶¡Seremos como el Ché!⁹⁹

Klassische Gänsefüßchen werden im Buch- und Zeitungsschriftsatz aller­dings vermieden. Dies hat zwei Gründe: Erstens ähneln die Gänse­füß­chen anderen Satz­zei­chen wie dem Kom­ma und dem ApostrophDer Apostroph: Funktion und Anwendung, was zu Ver­wechs­lung oder zu einer Bal­lung von Zei­chen glei­cher Form führen kann.

Noch wichtiger ist allerdings ein anderer Nachteil: Klassische Gän­se­füß­chen stören den Grau­wertExterner Link zu Grauwert auf Typografie.info des Satz­spie­gels. Hält man ein Buch mit aus­gestreck­tem Arm von sich, dann ver­mischen sich das Weiß des Papiers und die Drucker­schwärze zu einer gräulichen Fläche. Die Schrift­setze­rei strebt nach einem gleich­mäßigen Grau. Gänsefüßchen führen jedoch zu hel­len Flecken, weil die Gly­phen sehr klein sind und viel weiße Fläche darüber und dar­unter ver­ursa­chen, was zu dem Ein­druck un­gleich­mäßiger Wortabstände führt.

Guillemets

Deswegen bevorzugt man im Schriftsatz sogenannte Guillemets (sprich: gii-mee). Im Gegensatz zu Gänsefüßchen ähneln sie tatsächlich dem Fuß­abdruck einer Gans:

Einwärts gewandte Guillemets

Der Name Guillemets wird meist als Hommage an den Schrift­setzer Guil­laume le Bé ge­deu­tet. Guil­laume, hat die Gly­phen zum er­sten­mal als Anführungs­zei­chen ver­wen­det.

In Deutschland setzt man Guillemets am liebsten mit einwärts ge­wand­ter Spitze. Dies bringt den Vor­teil mit sich, daß man den Abstand zwi­schen dem Guil­le­met und dem benach­bar­ten Buch­sta­ben nicht hän­disch zu­rich­ten muß.

Daneben ist gelegentlich aber auch die Manier mit auswärts ge­wand­ten Spi­tzen an­zu­tref­fen. Hier wen­det sich die Sei­te der Gly­phe mit der vollen Höhe dem be­nachbar­ten Buch­sta­ben zu. Der Setzer darf nicht zu­las­sen, daß sich die Zei­chen berühren oder zu nahe kommen. Deshalb bleibt diese Vari­an­te Fällen vor­behal­ten, wo größere Sorg­falt an­gewandt und damit Geld und Zeit in Kauf ge­nom­men werden.

Auswärts gewandte Guillemets

In den romanischen Ländern und in der Schweiz ist dies die Standard­form. In Frankreich, wo man es in der Typografie luftig mag, ist es üb­lich, die Guillemets durch ein ganzes Leerzeichen vom Nachbar­zei­chen abzusetzen:

« L’état ? C’est moi ! »

Weil die Variante »…« in Deutsch­land be­liebt und ver­brei­tet ist, die Va­ri­an­te «…» dagegen in Frankreich, spricht man meist von deut­schen und von französischen Guille­mets. Gemeint ist damit aber nur, daß diese als à la manière française, jene als à la manière alle­mande gelten. Es bedeu­tet nicht, daß Guille­mets mit auswärts gewand­ten Spitzen in der deut­schen Typo­grafie falsch oder fremd­län­disch wären. Alle drei Arten, die klas­si­schen Gänsefüßchen und die bei­den Guille­mets-Vari­an­ten, sind in der deut­schen Recht­schrei­bung kor­rekt und gleich­berech­tigt.

Falsche Anführungszeichen

In der Typographie und in der Typophilie gilt alles andere als falsch. Dies betrifft vor allem das "Zollzeichen" (aliter Sekundenzeichen), aber auch noch andere ´´windschiefe´´ oder >>brachiale<< Nachahmungen echter Anführungs­zei­chen.

Man bedenke aber, daß Zollzeichen über ein Jahrhun­dert lang im All­tag gang und gäbe waren. Die Schreibmaschine und anfänglich auch die Text­verarbei­tungs­programme boten gar keine andere Möglich­keit als das Zoll­zei­chen. Heut­zu­tage gibt es jedoch keine Ent­schul­digung mehr, in gedruckten und ausgedruckten Dokumenten falsche Anführungs­zei­chen zu ver­wen­den. Wer aller­dings das Schrift­bild einer Schreib­maschi­ne nachahmt oder Schreib­maschinen­schrif­ten wie die Cou­rier verwendet, darf umgekehrt nichts anderes als Zollzeichen ver­wen­den, wenn es nicht pussy­haft aus­sehen soll.

Anführungszeichen in HTML

In gutem, das heißt seman­ti­schem HTML-Markup werden über­haupt kei­ne An­füh­rungs­zei­chen verwendet. Die Zitation wird durch ein Tag wie das q-Tag, das cite-Tag oder das blockquote-Tag ma­schi­nen­les­bar im Quellcode der Seite verankert und erst durch CSSExterner Link: CSS-Quotes bei W3C für den menschlichen Betrachter visualisiert.

Diese strenge Trennung zwischen Inhalt und Dar­stel­lung halten ge­ra­de große Webseiten selten durch. Spiegel Online verwendet seit jeher Zoll­zei­chen, Zeit Online hat seine guten Vorsätze mit Guillemets nicht konsistent durchgehalten und vor kurzem aufgegeben. FAZ.net ver­wen­det korrekte deutsche Gänsefüßchen.

Falsche Anführungszeichen bei Spiegel Online
Anführungszeichen bei Spiegel Online: Die typografische Einfalt wiegt leicht im Vergleich damit,
daß jedes einzelne Anführungszeichen in diesem Beispiel semiotisch und sprachlich falsch ist.

Das Problem liegt darin, daß hier Autoren in einer großen Redaktion Ar­tikel in einem Schreib­programm verfassen und mit Markup-Tags über­for­dert wären. Die fertigen Texte durch­wan­dern dann ein Con­tent-Manage­ment-Sys­tem. Jede Art von For­matie­rung (kursiv, rot, Schrift­art) bleibt dabei auf der Strecke. Das Anführungs­zei­chen muß also als hard­gecode­tes Zei­chen im Text ver­ankert wer­den. Hier bietet das Zoll­zei­chen als Stan­dard­zei­chen viele Vor­teile. Der Autor kann sicher sein, daß das, was er in An­führungs­zeichen setzt, auch später auf der Inter­net­seite in Anführungszeichen zu sehen sein wird. Daß neun Zehn­tel der An­füh­rungs­zei­chen bei Spiegel Online falsch sind und besser ver­loren gin­gen, ist eine andere Frage.

Man sollte erwägen, ob sich das Zollzeichen im Internet nicht auch in Bezug auf Typografie und Les­bar­keit besser eignet als her­kömm­liche An­füh­rungs­zei­chen. Denn nie­mand liest Inter­net­texte sorg­fäl­tig durch. Man scannt den Text in seiner verti­kalen Aus­deh­nung und springt dabei von einem visu­ellen An­halts­punkt zum nächsten. Hier kann der fleckige Grau­wert, den das Zoll­zei­chen mit sich bringt, eine Hilfe sein.

Anführungszeichen vor Initial

Wie man vorgeht, wenn ein Absatz zugleich mit ei­nem An­füh­rungs­zei­chen als auch mit ei­nem Ini­tial be­ginnt, wird im Ar­ti­kel zur über die Typo­gra­fie der Kur­sivie­rung be­spro­chen.

Anführungszeichen und Satzzeichen

Orthotypografisch gibt es eines zu beach­ten, wenn An­füh­rungs­zei­chen auf Satz­zei­chen tref­fen: Endet die wört­liche Rede mit einem Aus­rufe- oder Frage­zei­chen, wird sie in der Re­form­schrei­bung durch ein Komma vom über­geord­neten Satz ab­getrennt, in der klas­si­schen Recht­schrei­bung da­gegen nicht:

»Haben sie ihre Frau erwürgt?«, fragte der Kommissar.

»Das war ich nicht!« brüllte Kunze.

Heute ist es allgemein üblich, das Komma zu setzen. Wir möchten den­noch darauf hin­wei­sen, daß wir die Idee der Recht­schreib­reforma­toren für fun­da­men­tal falsch hal­ten. Zu­nächst sei gesagt, daß der Pri­mat der Zei­chen­setzung jahr­hun­derte­lang bei den Schrift­setzern lag, die frü­her weit mehr als Hand­wer­ker oder In­design-User waren. Sie ver­stan­den es, aus kom­plexen semio­tischen und lingu­isti­schen Zu­sam­men­hän­gen ein­fache und kon­sisten­te Setz­regeln zu schaf­fen.

Von dieser Bil­dung ist die Ger­mani­stische Lin­gui­stik, aus deren Mi­lieu und Met­ho­do­logie die Recht­schreib­reform stammt, weit ent­fernt. Die Ger­mani­stische Lin­gu­istik ist der Teil der Germa­ni­stik, die sich mit Spra­che be­schäf­tigt. Seit das Setzer­hand­buch vor eini­gen Jahr­zehn­ten im Duden auf­gegan­gen ist, bil­den sich die Ger­ma­nisten ein, profes­sionel­le Ur­teile über die Zei­chen­setzung ab­geben zu kön­nen. Leider haben es die Schrift­setzer ver­säumt, die Ger­mani­sten darauf hin­zu­weisen, daß sie sich da­rin etwas vor­machen.

Die Zei­chen­setzung des Deut­schen ist das Re­sul­tat von jahr­hunderte­lan­gem Wir­ken der Setzer. Und kei­nem ande­ren. Die An­hän­ger des Mas­sen­stu­dien­fachs Ger­mani­stik haben lei­der weder die semio­tische und prag­ma-syn­tak­tische Kom­plexi­tät der Aus­gangs­situ­ation be­grif­fen, ge­schwei­ge denn die bril­lan­te Ein­fach­heit des Re­sul­tats.

Das Fragezeichen und das Ausrufezeichen sind erweiterte Punk­te. Sie er­fül­len zunächst die syn­tak­tische Auf­gabe, die auch der Punkt er­füllt: das Be­en­den von Haupt­sätzen. Des­wegen ent­hal­ten die Gly­phen einen Punkt als syn­tak­ti­schen Un­ter­bau:

Konstruktion von Fragezeichen und Ausrufezeichen
Frage- und Ausrufezeichen bestehen aus einem syntaktischen Unterbau (Punkt)
und einem pragmatischen Oberbau, der die Intonation vorgibt.

Über dem Punkt steht beim Frage- und Ausrufezei­chen ein Neuma, ein Wink, der da­rauf hin­weist, wie der Satz zu be­tonen ist. Das ist der prag­ma­tische Über­bau.

Nach einem Punkt kann kein Komma stehen. Das gilt auch für das Frage- und Ausrufezeichen. Syn­tak­tisch agieren sie wie Punk­te. Be­en­den sie wört­liche Rede, das heißt wer­den sie von An­füh­rungs­zei­chen um­schlos­sen, so ist die wört­liche Rede ein ein­gebet­te­ter Haupt­satz. Nichts andres kann wört­liche Rede sein.

»Ich komme gleich.«

»Ich komme gleich!«

»Wann soll ich kommen?«

Wird die wörtliche Rede in einen anderen Hauptsatz eingebettet, blei­ben das Frage- und das Aus­rufe­zei­chens in der klas­si­schen Zei­chen­setzung wegen ihren un­ver­zicht­baren Neu­mas erhal­ten.

»Ich komme gleich!« rief er.

»Wann soll ich kommen?« fragte er.

Der Punkt dagegen erfüllt nur syntaktische Funk­tio­nen und ver­schwin­det, weil die ein­gebet­tete wört­liche Rede syn­tak­tisch das Ob­jekt des über­geord­neten Haupt­satzes ist. Da das Objekt ein Objekt­satz ist, muß er vom Haupt­satz durch Kom­ma ab­getrennt wer­den.

  • »Ich komme gleich«, sagte er.

Das ist zugegebenermaßen kompliziert. Aber die Setzer frü­herer Jahr­hun­der­te müs­sen diese Ge­dan­ken ge­nau so ge­dacht haben, da die Setz­regeln anders nicht zu er­klä­ren sind. Daß die­se Regeln den Punkt strei­chen, statt­dessen außer­halb der An­füh­rungs­zei­chen ein Komma setzen, genau das aber bei Frage- und Aus­rufe­zei­chen nicht tun, ist semio­tisch genial und aufs äußerste anti­redun­dant. Keine ein­zige In­forma­tion wird zwei­mal gegeben. Anti­redun­danz war in den letzten Jahr­hun­derten die ober­ste Maxime der deut­schen Zei­chen­setzung. All das war das Werk der Setzer.

Die germanistischen Reformatoren haben dies nicht im An­satz ver­stan­den und fest­gelegt, daß über­all ein Komma auf die An­füh­rung folgt:

»Ich komme gleich!«, rief er.

»Wann soll ich kommen?«, fragte er.

Das ist mindestens mehrfach redundant, wenn nicht gar kon­tra­ikonisch: Erstens kann nach einem Frage­zei­chen kein Komma ste­hen, so­lange das Frage­zei­chen einen Punkt enthält. Zwei­tens kann das Komma dem Leser keine In­forma­tion mit­tei­len, die ihm nicht auch der Um­stän­de ver­riete, daß das fol­gen­de Wort fragte klein­geschrie­ben wird.

Das ist mehr als ein dümmliches Ärger­nis: Die re­for­mier­te Kom­ma­setzung ver­stößt gegen die Grund­maxi­men der Zei­chen­setzung. Sie ver­ändert das Wesen der Zei­chen, ohne es zu be­mer­ken.