Woher kommt das Wort ›deutsch‹?

wortkunde Wo liegt der Ursprung des Wortes ›deutsch‹ und wie entwickelte es seine heutige Bedeutung? ›Deutsch‹ ist von dem ausgestorbenen Wort Diet (wie in Dietrich oder Dietmar) abgeleitet. Es beschreibt das Volk aus Menschenauflauf und geht auf die urindogermanische Wurzel ›teuh₂‹ (wachsen, schwellen) zurück, von der auch der Tumult oder der Daumen (als dickster Finger) herrühren. ›Deutsch‹ trat zuerst im Frühmittelalter als lateinisches Adverb theodisce auf und beschreibt dort die Sprache der Volksmassen im Gegensatz zum Lateinischen. Ein, zwei Generationen später steht ›deutsch‹ bereits für das, was es heute noch ist: Die Deutschen im Gegensatz zu allen anderen.
Dauer: 37 Minuten.

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  1. 00:00 Althochdeutsch diot ? urgermanische þeudō ? urindogermanisch teutā
  2. 26:22 Lateinische theodisce
  3. 28:43 Althochdeutsch diutisk
  4. 32:00 Die heutige Lautung deutsch
  5. 34:00 Pseudoaltdeutsch teutsch
  6. 34:45 Altfranzösisch tudesque und italienisch tedesco
  7. 36:30 Englisch Dutch

Korrektur: Karl Martell war nicht der Vater, sondern der Großvater von Karl dem Großen.

Video veröffentlicht am 26.07.2016 (73.41 MB).

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Deutsch

Das Wort deutsch ist eine Adjektivableitung auf ∙isch zu dem im 16. Jahr­hundert ausgestorbenen Sub­stantiv althoch­deutsch diot und mittel­hoch­deutsch und früh­neuhoch­deutsch diet. Es bezeichnet das Volk und steckt noch in Namen wie Dietrich oder Dietmar.

Etymologisch läßt es sich über urgermanisch þeudo und urindogermanischVideo-Tutorial: Indogermanisch und nicht indoeuropäisch teutā zurückführen, einer Abstrak­tion zur Wurzel teuh₂∙ ‚gedei­hen, anwach­sen, schwel­len‘. Es steckt mit­tel­bar auch in Tumult, in Tumor und in Dau­men (der dickste Finger).

teuta

Das urindogermanische Abstraktum teuta ist also als ‚Schwellung‘ und Men­schen­ansamm­lung zu verstehen, das zuerst ähnlich (aber natürlich nicht als a-Wort) im Hethitischen als tuzzi ‚Heer‘ auftrat und den Men­schen in seiner Masse beschrieb.

Teuta zeigte sich allerorten in der westlichen Hälfte des Indo­germani­schen; in Italien und bei den Kelten be­zeich­nete es Gemeinschaften, das Volk oder deren Land. Der Ihnen aus Asterix wohl­bekannte Kelten­gott Teutates ist der Vater seines Volkes.

diot(a)

Auch bei uns war die diota oder der oder das diot eifrig in Gebrauch, um das Volk in seiner Masse zu bezeichnen.

theudisce und diutisk

Das Adjektiv zu diot tauchte erstmals im späten 8. Jahrhundert als Kunst­adverb theodisce in Texten auf, die auf lateinisch verfasst waren. Es be­zeich­nete dort die heid­nische Sprache des Diots im Gegen­satz zum La­tei­nischen als Sprache des Christentums.

Alle Belege stehen mit Karl dem Großen (747 bis 814) und seinem Hof in Ver­bin­dung. Er und sein Vater Karl Martell hatten bei der Er­schaf­fung ihres Reichs eine große Zahl von Stämmen besiegt und benötigten eine Sam­mel­bezeich­nung für all das, was aus dem Mund der unter­legenen Sach­sen, Friesen, Thü­ringer, Ale­man­nen, Baju­waren und Lango­barden kam.

Eine Be­zeich­nung für die Sprache der Hei­den. Zugleich eine Be­zeich­nung, die diese Heiden nicht als heid­nische Ver­lierer herab­würdigt und mit dem Reich versöhnt. Die Sprache des Diots, der Massen also, die sich alle ins neue Reich fügten, und nicht die Spra­chen der Stämme, wie zum Bei­spiel Sächsisch oder Englisch.

Beschlüsse und Dekrete wurden tam latine quam theodisce verlesen, also einmal auf lateinisch und dann auf deutsch.

Am Ende des 9. Jahrhunderts heißt es erstmals apud thiudiscos mit deut­scher Lautung. Gemeint sind die heidnischen Massen, aber heißen tut es buchstäblich ‚die deutsch sprechen‘. Die deutsche Lautung diutisk muss damals bereits weit­verbrei­tet gewesen sein, zusammen mit gidiuti ‚Gedeute ? Bedeutung ? Volks­sprache‘, denn das Deuten ist nichts anderen als das Bezeichnen auf deutsch.

Bei der Entstehung des Annolieds im späten 11. Jahrhundert bedeutete diutisk allgemein ‚deutsch‘. Die latei­nische Form theodiscus ver­schwin­det in die­ser Zeit und wird durch teutonicus ersetzt.

Man sprach das Wort zunächst /di-utisk/ aus. Der Zwievokal /i-u/ blieb im Bairi­schen erhalten, im Mittel­deutschen wurde später /ü/ gespro­chen, aber wei­ter­hin iu ge­schrie­ben, woraus sich die heutige Form deutsch ergab, die seit der frühen Neu­zeit nicht mehr /dütsch/, sondern /doitsch/ aus­gespro­chen wird. Im Nieder­deutschen hieß es düdesch und dann dütsch.