Das Adjektiv
deklination
In diesem Tutorial beschäftigen wir uns mit der Beugung und Stilistik des Adjektivs.
Dauer: 78 Minuten.
Starke und schwache Deklination des Adjektivs
Das Adjektiv kann in der deutschen Sprache in drei Beugungsarten auftreten:
- Starke Deklination: ein guter Mann, eine gute Frau, ein gutes Kind
- Schwache Deklination: der gute Mann, die gute Frau, das gute Kind
- Endungslose Form: Der Mann/die Frau/das Kind ist gut. Wir haben ihn fröhlich erlebt.
Wie das Adjektiv gebeugt wird, hängt von seiner Stellung und syntaktischen Rolle im Satz ab.
Stellungen des Adjektivs
Das Adjektiv kann an zwei Stellen im Satz vorkommen: in prädikativer und attributiver Stellung.
1. Als Attribut, also als Adjektivattribut, das ein Substantiv näher bestimmt: der schwarze Hut, die leidenschaftliche Liebe, das leckere Bier
Attribute beziehen sich syntaktisch auf ein Substantiv und bestimmen es näher.
2. Das Adjektiv kann die Hauptaussage eines Satzes sein und im Prädikat stehen. Man spricht dann von einem Prädikatsnomen.
Nomina sind alle Wörter, die man deklinieren kann, also Substantive, Adjektive und Pronomina) oder Prädikatsadjektiv: Der Mann ist taub, die Frau ist blind, das Kind ist klein
Von dieser syntaktischen Rolle hängt es ab, wie ein Adjektiv in der deutschen Sprache und auch in den anderen germanischen Sprachen gebeugt wird (in den skandinavischen Sprachen deutlich, im Englischen wegen des Abfalls der Endungen verhüllt oder aufgehoben).
Das Adjektiv im Prädikat
Jeder Satz enthält eine Aussage, also ein Prädikat. Diese Aussage ist überhaupt erst der Anlaß dafür, daß der Satz gesprochen oder geschrieben wird. Denkt man an das Prädikat, denkt man zuerst an ein Verb:
Aber nicht nur Verben können das Prädikat bilden. Ebenso Adjektive und andere Wortarten:
Man spricht hier von einem Prädikatsnomen, denn alle Wortarten, die man deklinieren kann, sind Nomina: Substantive (in der Germanistik fälschlich aus dem Englischen als Nomen
übersetzt), Adjektive und Pronomina. Man kann aber auch von einem Prädikatsadjektiv sprechen.
Aber auch Nominalprädikate brauchen eine Verbform (anders im Arabischen und Russischen: Mann gut.
). Hier kommen aber nur die Verben sein
, werden
und bleiben
in Frage. Weil sie nichts anderes tun, als das Prädikatsnomen mit dem Subjekt zu verbinden, also wie ein Gleichheitszeichen in der Mathematik fungieren, nennt man diese Verknüpfungsverben Kopula.
Als Prädikatsnomen hat das Adjektiv keine Endung.
Hase
steht als Subjekt im Nominativ. Stellen Sie sich tatsächlich ein Gleichheitszeichen vor: Hase = klein. Deshalb steht auch das Prädikatsnomen immer im Nominativ.
Diese endungslosen Adjektive sind in Wahrheit die alten Nominative der starken Adjektivbeugung (siehe unten). Diese Nominative waren früher im Singular für alle drei Geschlechter endungslos: ein guot man, ein guot frouwe, ein guot kind
Allerdings nicht in der Mehrzahl: zwene guote man, zwo guoto frouwe, zwei guotiu kind
Aber davon weiß man in der Neuzeit nichts mehr. Man deutet die endungslosen Formen als unbeugbar (indeklinabel). Deshalb ist das Adjektiv im Prädikat in Singular und Plural endungslos:
Das Adjektiv als Attribut
Das Adjektiv kann aber noch an anderer Stelle im Satz stehen: als Attribut. Hier steht es bei einem Substantiv und bestimmt es näher: ein alter Hut, die junge Frau
Man spricht in diesem Fall von einem Adjektivattribut.
- Dersubjekt-1 kleineadjektivattribut Hasesubjekt-2 hoppeltprädikat .
Adjektivattribute können auf zweierlei Weise gebeugt werden: stark oder schwach. Welche der beiden Beugungen verwendet wird, hängt vom Substantiv ab, auf das sich das Adjektiv als Attribut bezieht.
Aber: Adjektive mit Genitiv (ein Glas voll Weines)Video-Tutorial: Welche Adjektive stehen mit einem Genitiv (voll Weines) und wie bildet man den Genitiv richtig? werden nachgestellt und können wegen des Genitivs weder gebeugt noch gesteigert werden.
Schwache Deklination des Adjektivs
Das Adjektiv wird als Attribut schwach gebeugt, wenn das Substantiv, auf das es sich bezieht, determiniert ist. Determiniert, also bestimmt, ist es, wenn es den bestimmten Artikel der, die, das
oder ein Demonstrativpronomen wie der/die/das
, dieser/diese/dieses
oder jener/jene/jenes
bei sich hat:
- Der junge Mann schwimmt im See.
- Diese klugen Frauen gehören an die Universität!
- Jene verzogenen Kinder sagen nicht danke.
Die schwachen Beugungsformen des Adjektivs lauten:
Schwache Beugung des Adjektivs in der deutschen Sprache | |||
---|---|---|---|
Kasus | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
Nominativ | der dick∙e Mann | die groß∙e Frau | das klein∙e Kind |
Akkusativ | ich sehe den dick∙n Mann | ich sehe die dick∙e Frau | ich sehe das klein∙e Kind |
Dativ | mit dem dick∙en Mann | mit der groß∙en Frau | mit dem klein∙en Kind |
Genitiv | der Bauch des dick∙en Mannes | der Kopf der groß∙en Frau | der Schnuller des klein∙en Kindes |
Starke Deklination des Adjektivs
Ist das Substantiv nicht bestimmt, wird das Adjektiv stark gebeugt:
- groß∙er Eifer
- ein groß∙er Mann
Fehlt dem Substantiv also ein bestimmendes Pronomen wie der bestimmte Artikel (auch ein Pronomen) oder ein Demonstrativpronomen — ist das Substantiv also unbestimmt — übernimmt das Adjektivattribut diese Aufgabe quasi mit. Früher war das Adjektiv im Nominativ endungslos: ein gut Mann
. Erst im Laufe der Zeit hat man die pronominale Rolle des starken Adjektivs so hochgeschätzt, daß der Nominativ die Endungen der Pronomina erhielt: dieser, diese, dieses
→ guter, gute, gutes
Starke Beugung des Adjektivs bei Substantiv mit unbestimmtem Artikel | |||
---|---|---|---|
Kasus | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
Nominativ | ein dick∙er Mann | eine groß∙e Frau | ein klein∙es Kind |
Akkusativ | er sah einen dick∙en Mann | sie sah eine groß∙e Frau | sie hatten ein klein∙es Kind |
Dativ | mit einem dick∙en Mann | mit einer groß∙en Frau | mit einem klein∙en Kind |
Genitiv | der Bauch eines dick∙en Mannes | der Kopf einer groß∙en Frau | der Schnuller eines klein∙en Kindes |
Der unbestimmte Artikel ein, eine, ein
muß als reines Zahlwort betrachtet werden, das erst später üblich geworden ist als der bestimmte Artikel. Auch bei den anderen Zahlwörtern steht das Adjektiv stark: zwei gute Männer
und nicht zwei guten Männer
Die früheren starken Endungen im Dativ sind durch die Endungen der schwachen Beugung ersetzt: Einem guten Mann
statt einem gutem Mann
; eines guten Mannes
statt eines gutes Mannes
; einer guten Frau
statt einer guter Frau
(Dativ und GenitivDer Genitiv in der deutschen Sprache (Video-Tutorial)). Was für das Männliche gilt, gilt auch für das Sächliche. Die Akkusativ- und Nominativendungen sind allerdings original stark, auch wenn sie sich nicht immer von den schwachen unterscheiden.
Wo allerdings kein unbestimmter Artikel steht, findet man alte starke Genitivformen: Sie war guter Hoffnung
und nicht Sie war guten Hoffnung.
Auch im Plural, wo der unbestimmte Artikel nie vorkommt, gibt es nur starke Formen: Die Beantwortung schwieriger Fragen
und nicht die Beantwortung schwierigen Fragen
Starke Beugung des Adjektivs bei unbestimmtem Substantiv | |||
---|---|---|---|
Kasus | Maskulinum | Femininum | Neutrum |
Nominativ | groß∙er Eifer | wahr∙e Liebe | dumm∙es Gerede |
Akkusativ | er zeigte groß∙en Eifer | sie zeigte brennend∙e Eifersucht | er erkannte dumm∙es Gerede auf Anhieb |
Dativ | mit groß∙em Eifer | mit groß∙er Leidenschaft | mit dumm∙em Gerede konnte er nichts anfangen |
Genitiv | die Gefahr groß∙en Eifers | die Freuden wahr∙er Liebe | letzt∙en Endes |
Mehrere Adjektivattribute
Stehen gleich zwei Adjektive vor einem Substantiv, muß man zweierlei unterscheiden:
Es kann sich um zwei in Reihe folgende Adjektivattribute handeln, die sich in gleicher Weise auf das Substantiv beziehen.
- Sie lebte in einer großen, hellen Wohnung.
In diesem Fall werden zwei Attribute aufgezählt und deshalb durch ein KommaDas Komma: Funktion als Satzzeichen und Kommaregeln voneinander getrennt:
Anders verhält es sich hier: Das ist eine bahnbrechende physikalische Entdeckung!
In diesem Beispiel ist das Substantiv Entdeckung
von einem Adjektivattribut bestimmt: physikalisch
Es ist eine physikalische Entdeckung. Substantiv und Attribut bilden eine Einheit, und diese Einheit wird in Gänze wiederum von einem weiteren Attribut bestimmt: bahnbrechend
.
Die beiden Adjektive beziehen sich also nicht gleichgestellt und aneinandergereiht auf das Substantiv, sondern das vom Substantiv weiter entfernte bahnbrechend
bestimmt auch das nähere physikalische
mit. In diesem Fall setzt man kein Komma, da nichts aufgezählt wird.
Falsche Verwendung von Adjektivattributen
Das Adjektivattribut und das Prädikatsadjektiv werden von sprachunsicheren Journalisten und ihren Nachahmern häufig verwechselt.
Attribute zeigen mehr oder minder permanente Eigenschaften einer Sache oder einer Person: ein blauer Hut, ein großer Mann
. Diese Eigenschaft ist in Bezug auf den Anlaß des Satzes nebensächlich. Entsteht ein Satz nur, um zu sagen, daß jemand oder eine Sache etwas ist, muß dies das Prädikat des Satzes bilden.
Beispiele, wo Adjektivattribut und Prädikat verwechselt werden:
- In Kopenhagen haben wir ein selbstbewußtes China erlebt.
- Am Morgen erschien ein wütender Uli Höneß zur Pressekonferenz.
- Das Foto soll einen deutlich abgemagerten Steve Jobs zeigen, wie er am Mittwoch gegen 15 Uhr Ortszeit das Apple-Hauptquartier in Cupertino verlässt.
- Die Zutaten zum beeindruckenden Sieg: Einsatz, das Glück des ersten Tores und ein überragender Bastian Schweinsteiger.
- Kurz vor der Wahl begrüßt die Israelische Kultusgemeinde München das neue jüdische Jahr — und einen müden Günther Beckstein.
Der Fehler liegt darin, daß das Adjektiv in allen Beispielen zwar die eigentliche Aussage ist, aber nicht das Prädikat bildet, sondern ein Attribut. Attribute beschrieben Eigenschaften einer Sache oder einer Person, die in Relation zur Handlung des Satzes (Prädikat) permanent sind. Genau das ist hier nicht der Fall: Es geht um momentane Stimmungen oder Zustände, die zudem keine Neben-, sondern Hauptsache sind.
Wenn die eigentliche Aussage das Adjektiv ist, gehört es ins Prädikat: Man erlebt China selbstbewußt und kein selbstbewußtes China. Das würde bedeuten, daß es China mehrmals gibt — jeweils mit einer einzigen und permanenten Eigenschaft: ein selbstbewußtes China, ein wütendes China, ein großherziges China …
Man erlebt in Wahrheit also nur das einzige China in unterschiedlichen Stimmungen, hier als selbstbewußtes Land.
Daß Uli Höneß zur Pressekonferenz erscheint, ist Nebensache. Wie er dort auftrat, ist wichtig: Höneß erschien wütend zur Pressekonferenz. Wen zeigt das Foto? Steve Jobs. Es zeigt ihn als abgemagerten Menschen: Das Foto soll Steve Jobs abgemagert zeigen. Zutaten zum Sieg: Schweinsteiger in überragender Form. Daß oder weil Scheinsteiger überragend war. Die Kultusgemeinde begrüßt Günther Beckstein. Der war müde.
Nicht selten wird auch das Adverbiale, dessen Aufgabe es ist, das Verb im Prädikat zu spezifizieren, fälschlich zu einem Attribut gemacht:
Hier lautet der Kernsatz: Hillary Clinton lachte. Wie oder aus welchem Grund sie lachte, gehört nicht ins Attribut, das sich auf das Subjekt bezieht (eine siegesgewisse H.), sondern in das Adverbiale: Hillary Clinton lachte siegesgewiß.
Da hier aber noch der Sarkasmus erwähnt werden soll, macht man ihn zum Adverb (Adverbiale 1), das sich auf das Verb bezieht: Hillary lachte sarkastisch. Warum lachte sie so? Aus Siegesgewißheit: Hillary Clinton lachte aus Siegesgewißheit sarkastisch. Nun besitzt das Verb zwei Adverbialia. Beide geben Umstände des Lachens an, das erste den Grund, das zweite die Art und Weise.
Der falsche Gebrauch des Adjektivs zeigt sich auch in gewissen Wendungen:
- Das literarische Deutschland war von diesem Roman ganz aus dem Häuschen.
- Das politische Berlin schweigt dazu.
Hier wird irrtümlich unterstellt, daß es mehrere Deutschländer und Berlins gäbe. Richtig wäre: Deutschland war von diesem Roman aus dem Häuschen. Berlin schweigt dazu.
Die Attribute literarisch
und politisch
sind gänzlich zu entbehren. Der Leser weiß ohnehin, daß mit Berlin
die Regierung oder die Bundespolitiker gemeint sind und nicht Kurt Krömer.
Komparation des Adjektivs
Die Steigerungsformen des Adjektivs werden auf dieselbe Art und Weise gebeugt wie die Grundstufe.
Komparativ
Der Komparativ kann stark oder schwach gebeugt werden:
- Starke Deklination: ein bess∙er∙er Mann, eine bess∙er∙e Frau, ein bess∙er∙es Kind
- Schwache Deklination: der bess∙er∙e Mann, die bess∙er∙e Frau, das bess∙er∙e Kind
- Endungslose Form: Der Mann/die Frau/das Kind ist bess∙er. Wir haben ihn bess∙er erlebt.
Superlativ
Der Superlativ kennt nur die schwache Beugung, weil der beste, größte, längste (Neue Rechtschreibung: der Beste usw.) immer nur ein einziger sein kann. Der Superlativ ist also immer definitDefinitheit und bestimmter Artikel
:- der größ∙t∙e Mann, die dick∙st∙e Frau, das klein∙st∙e Kind
- Dieser Mann ist am dick∙st∙en.
Substantivierung des Adjektivs
Man schreibt das Beste
groß, wenn man auch das beste Ding
sagen könnte:
Ist das nicht möglich, ist meist am besten
gemeint. Hier schreibt man klein:
Gemeint ist also: Dieser Film war am besten
Es ist elliptisch für Dieser Film war der beste Film
Vertiefende Anmerkungen zur Substantivierung, scheinbarer Substantivierung und falscher Großschreibung finden Sie oben im Video