Konjunktiv 2: Schein und Sein
konjunktiv
Wie man im Deutschen mit der Wäre-Form und anderen Mitteln Sein von Schein trennt.
Dauer: 38 Minuten.
Wie kann man im Deutschen ausdrücken, ob etwas nur zu sein scheint oder tatsächlich so ist, wie es aussieht?
Es fällt einem auf Anhieb das Wortpärchen anscheinend/
ein, aber wie ist es mit so geläufigen Wendungen wie Es sieht so aus …
, Es scheint …
, Es erweckt den Eindruck …
? Für solche Einleitungen besitzt das Deutsche Anschlüsse, mit denen man präzise formulieren kann, ob die Aussage wirklich (Realis), möglich (Potentialis) oder hypothetisch und unwahr (Irrealis) ist.
Aussagemodus und Verbalmodus
Wenn die Grammatik über Sein und Schein spricht oder über Wirklichkeit, Möglichkeit und Unwirklichkeit, dann verwendet sie Aussagemodi.
Ist die in einer Aussage geschilderte Handlung wirklich, dann nennt man dies Realis:
- Am Morgen stand er auf und kochte Kaffee.
Beschreibt die Aussage etwas, was nicht tatsächlich stattgefunden hat, also hypothetisch ist, dann spricht man von Irrealis:
- Wenn du doch hier wärest! [Du bist es aber nicht.]
- Das hätten Sie wohl gerne! [Sie bekommen es aber nicht.]
- Sie hatten sich scheinbar nichts zu sagen! [Aber das sah nur so aus.]
Schwankt die Aussage ausdrücklich zwischen diesen beiden Extremen, dem Realis und dem Irrealis, dann spricht man von Potentialis. Der teilt mit, daß man etwas für möglich oder wahrscheinlich hält, sich aber nicht ganz sicher ist:
- Er dürfte wohl gleich kommen.
- Dann wird es so sein.
- Jemand könnte einwenden …
Potential ist eine Aussage nur, wenn sie ausdrücklich möglich ist. Irreal ist sie wenn sie ausdrücklich nicht wahr oder nicht wirklich ist. Ist diese Ausdrücklichkeit nicht gegeben, ist die Aussage automatisch Realis. Er ist der Aussagemodus per default.
Es gibt viele Wege, eine Aussage in die Modi Potentialis oder Irrealis zu setzen, zum Beispiel durch Adverbien wie wohl
oder scheinbar
, vor allem aber mit Hilfe der Verbalmodi. Das Deutsche kennt vier Verbalmodi: Indikativ, Konjunktiv 1 und Konjunktiv 2 und Imperativ. Der Verbalmodus verhält sich zum Aussagemodus wie das Werkzeug zum Inhalt oder wie der Weg zum Ziel.
Der Indikativ er sieht
ist der Normalfall. Er schildert reale Aussagen. Ebenso der Imperativ als Befehlsform und der Konjunktiv 1. Der Konjunktiv 1Tutorial: Konjunktiv 1 trifft keine Aussage darüber, ob der Inhalt der Aussage wahr oder unwahr ist; er markiert die Aussage lediglich als inhaltlich abhängig, also als Aussage eines anderen.
In dieser Aufgabenverteilung zwischen Konjunktiv 1 und Konjunktiv 2 liegt übrigens der Grund, warum dieser in der gesprochenen Sprache oft vorkommt, jener aber so gut wie nie. Inhaltliche Abhängigkeit wird bereits durch das einleitende Verb deutlich, so daß man den Konjunktiv 1 auch durch den Indikativ ersetzen kann:
- Geschrieben: Er sagte, er komme gleich.
- Gesprochen: Er sagte, er kommt gleich.
Der Konjunktiv 1 kommt also nur im Schriftdeutschen und nur in Nebensätzen vor, der irreale Konjunktiv 2 auch im gesprochen Deutsch und dabei sowohl in Haupt- als auch in Nebensätzen:
- Wenn du etwas gesagt hättest, hätte ich dir geholfen.
Der Potentialis dagegen kann im Deutschen — im Gegensatz zum Lateinischen! — nicht mit einem Verbalmodus erzielt werden, sondern nur durch Modalverben und Modalpartikeln:
- Er wird wohl gleich kommen.
- Das dürfte stimmen.
- Das stimmt wahrscheinlich.
Anscheinend und scheinbar
Am einfachsten kann man einen Realis in einen Potentialis oder Irrealis verwandeln, indem man die Adverbien anscheinend
oder scheinbar
einsetzt.
- Realis: Sie führen eine gute Ehe.
- Potentialis: Anscheinend führen sie eine gute Ehe.
- Irrealis: Scheinbar führen sie eine gute Ehe.
Anscheinend macht aus einer Aussage eine Annahme. Sie beruht auf dem äußeren Eindruck, wobei es keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß dieser Eindruck trügt. Das Paar führt also nach außen eine gute Ehe, und alles spricht dafür, daß diese Ehe auch im Inneren so gut ist.
Scheinbar dagegen erzeugt irreale Aussagen: Eine scheinbar gute Ehe ist dem Schein nach gut, aber tatsächlich nicht.
scheinen und Schein
Anscheinend
und scheinbar
gehören zu einer Wortsippe, in deren Zentrum das Verbum scheinen
steht.
Es geht zurück auf die urindogermanische Wurzel skiH∙
, die als Nasalpräsens ski∙né∙H
ins Germanische geraten ist und dort skīna-
lautet und als Verb nach der ersten Ablautreihe gebeugt wird: ich scheine, ich schien, geschienen
. Die Bedeutung des Wortes ist sichtbar sein, zu sehen sein, scheinen; schimmern
. Dieses Scheinen ist grundsätzlich nicht trügerisch, sondern einfach nur Sichtbarkeit.
Nasalpräsentien sind Verben, die die Gegenwartsform bilden, indem sie ein ∙n∙
mitten in die Wurzel einfügen. Zum Beispiel: Aus dem Lateinischen fi∙n∙gieren
, aber fiktiv
; aus dem Englischen to sta∙n∙d
, aber I stood
.
Ablautreihen ist eine Untergliederung der Beugung der starken Verben. Wenn Verben denselben Vokalwechsel aufweisen, gehören sie zu derselben Ablautreihe.
Deswegen bezeichnen alle Wörter der Wortsippe von scheinen
bis ins 18. Jahrhundert hinein ganz schlicht, daß etwas zu sehen ist: Die Sonne scheint. Sonnenschein
. Bis weit in die Neuzeit ist all das scheinbar, was zu sehen ist oder zutage tritt.
Erratum: Das Schimmern ist nicht vom Schimmer abgeleitet, wie im Video behauptet, sondern umgekehrt der Schimmer vom Schimmern.
Liebt nicht mit Worten nur allein. Laßt eure Liebe scheinbar seyn, durch wahren Mund und rechte Thaten.
Opitz
Daß dieser Schein trügt, bedeutet scheinbar
offiziell erst von 1780 an. Der Vorgang beginnt bereits um 1741 mit dem Teutsch-Der scheinbare Ort eines Sternes
ist der Ort, wo dieser Stern zu sehen ist. Flöge man allerdings dorthin, würde man der Krümmung des Lichts auf den Leim gehen und keinen Stern finden, denn der tatsächliche Ort des Sterns unterscheidet sich von seinem scheinbaren.
Aus diesem Grund beginnen die Wörterbuchverfasser um die Mitte des 18. Jahrhunderts, scheinbar
umzudefinieren. Bedeutete es zuvor zu tage tretend, sichtbar sein
, so bedeutet es jetzt trügerisch scheinen als
.
Den Schein von etwas habend, ohne es wirklich zu seyn, und in engerer Bedeutung, den Schein der Wahrheit habend. Die scheinbare Unschuld des Spieles verleitete ihn zur Sicherheit. Sie stand in einer scheinbaren Verlegenheit auf.
Dieser Bedeutungswechsel war gut motiviert. Betrachten wir einige Begriffe, die mit dem Wortbildungselement -schein-
gebildet sind:
- scheinbar
- anscheinend
- scheinheilig
- wahrscheinlich
- unscheinbar
- Scheinangebot
Wo schein
am Beginn des Wortes auftaucht, wird der Schein in Kontrast zum Sein gesetzt. Diese Wörter verweisen auf einen trügerischen Schein. Wer scheinheilig ist, ist nur zum Schein heilig, also seinem wahren Wesen nach unheilig und unehrlich. Ein Scheinangebot ist kein ehrlich gemeintes Angebot. Es wird nur zum Schein abgegeben.
In den Begriffen wahrscheinlich
und anscheinend
steckt der Schein mitten im Wort. Hier bedeutet Schein
nur, daß etwas irgendwie aussieht. Daß er trügt, behaupten diese Wörter nicht. Das sieht man auch deutlich an der Negation unscheinbar
. Was unscheinbar ist, ist bloß kaum zu sehen. Aber was man davon sieht, das ist es auch.
Wie bei scheinheilig
und Scheinangebot
steht der Schein bei scheinbar
am Wortanfang. Hier wird der Schein vorangestellt und kontrastiert somit zum Sein. Der scheinbare Ort eines Sterns ist der Ort, den der Stern dem Schein nach hat.
anscheinend
Anscheinend ist das Partizip Präsens zu anscheinen
und die einzige Form dieses Verbums, die heute noch in Gebrauch ist. Es wird stets als Adverb gebraucht. Er war unschuldig, aber die Anscheinungen sprachen gegen ihn.
Anscheinen
bezeichnet also das sichtbare Bild von etwas oder wie die Sache gesehen wird. Spricht man heute von anscheinend
, dann meint man, daß etwas nach etwas aussieht, man also vom Äußeren auf das Innere schließt.
Bei AdelungExterner Link zum Originaleintrag bei der Bayerischen Staatsbibliothek findet man Hinweise darauf, daß anscheinend
seine Ausbreitung dem Schauerdeutsch der Juristen verdankt und in edler Schreibart
gemieden wurde.
Falsches scheinbar
im Umgangsdeutschen
Aber wenn anscheinend
und scheinbar
so klar definiert sind, warum werden sie dann so häufig verwechselt?
Die Wörterbuchautoren, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für diese Umdeutung verantwortlich sind, hatten Texte im Sinn, bei denen der Verfasser sich genau überlegt hat, ob etwas wirklich so ist, wie es aussieht, oder nur zum Schein. Wer allerdings im Alltag eine Aussage trifft, trifft sie meist spontan. Deshalb wird seit jeher gerne scheinbar
verwendet, wo anscheinend
gemäß der heute gültigen Definition richtig wäre — oder besser: von Sprachratgebern und Wörterbüchern seit zweihundertfünfzig Jahren penetrant propagiert wird, ohne daß es die meisten interessierte.
Vorsicht beim Gebrauch von
scheinbarundanscheinend!Scheinbar drückt einen der Wirklichkeit nicht entsprechenden Schein aus; anscheinend eine Beobachtung, an die der Berichter glauben möchte, ohne sich aber für ihre Stichhaltigkeit zu verbürgen. Dem Sinn nach deckt es sich also ungefähr mitaugenscheinlichundoffenbar.Wenn eine Zeitung schreibt: die Herren verlebten scheinbar einen köstlichen Abend — so ist das etwas ganz anderes, als was der Zeitungsschreiber sagen will.
Wenn jemand erzählt: das junge Paar war scheinbar ganz glücklich, so wird dadurch, gewiß ohne Absicht, sein Glück zum Scheinglück vor den Leuten gemacht! Zu solch bedenklicher Verwirrung kann der falsche Gebrauch gerade dieses Wortes führen! Und doch ist jetzt diese Verwechslung eine unserer häufigsten Sprachsünden!
Gustav Wustmann: Sprachdummheiten. 1955, 13. Aufl., S. 272
Ein Beispiel: Jemand tritt auf den Balkon, sieht den roten Abendhimmel und sagt: Gibt scheinbar schlechtes Wetter morgen
.
Der Mann auf dem Balkon drückt also irreal aus, was tatsächlich potential ist. Denn der rote Abendhimmel wird ja tatsächlich als Zeichen für einen Wetterumschwung gedeutet. Alles deutet darauf hin, nur ganz sicher kann man sich nicht sein. Wer sagt: Gibt scheinbar schlechtes Wetter morgen
, der meint: Gibt wohl schlechtes Wetter morgen
oder Gibt anscheinend schlechtes Wetter morgen
oder Es sieht so aus, daß es morgen schlechtes Wetter gibt
.
Bastian Sick begründet die Beliebtheit von scheinbar
so:
Die Hartnäckigkeit, mit der sich
scheinbaram falschen Fleck behauptet, ist möglicherweise auch mit der gestiegenen Beliebtheit der Endsilbe-barbegründbar. Außerdem ist scheinbar anscheinend praktischer, zumal um eine Silbe kürzer.
Diese Begründung ist schon deshalb zurückzuweisen, weil die Beliebtheit von scheinbar
um Jahrhunderte älter ist als die der Bildungen auf ∙bar
. Darüber hinaus ist sie auch grammatikalisch falsch: Nur transitive Verben bilden Ableitungen mit ∙bar
und haben dann immer passivische Bedeutung: etwas tragen
→ tragbar
etwas, was getragen werden kann
. Scheinen
ist jedoch ein intransitives Verb und scheinbar
nicht etwas, was gescheint werden kann.
Transitiv ist ein Verb, wenn es ein Objekt (Akkusativ) bei sich hat.
Scheinbar
ist die Adjektivableitung zum Substantiv Schein
und bedeutet Den Schein tragend/
nach dem Schema der denominalen Ableitungen kostbar, offenbar, dankbar, wunderbar
, die aktivische Bedeutung haben. Schein
wiederum ist von scheinen
abgeleitet (nicht umgekehrt).
Ernsthafter könnte man zur Begründung für die Beliebtheit von scheinbar
annehmen, das irreale scheinbar
stehe mitten in der Wortsippe von scheinen
als einziger Begriff für Irrealität. Das ist jedoch nicht der Fall, weil Irrealität überall dort besteht, wo schein-
das erste Glied einer Zusammensetzung bildet: Scheinangebot, scheinheilig
. Es fällt auch ins Gewicht, daß scheinbar
nur als Adverb fälschlich verwendet wird, als Adjektiv dagegen gemäß der neuen Definition:
- Adverb Gibt scheinbar schlechtes Wetter morgen.
- Attribut Das sind alles scheinbare Gründe.
- Prädikatsnomen Diese Gründe sind nur scheinbar.
Wir sehen den Grund für die Beliebtheit von scheinbar
darin, daß Aussagen im Alltag spontan gemacht werden, ohne daß man beurteilen kann, ob etwas wirklich oder unwirklich ist. So findet man unechte Irrealität in gesprochenem Deutsch an vielen Stellen, zum Beispiel beim Konjunktiv 2 der HöflichkeitTutorial: Konjunktiv der Höflichkeit:
- Könnten Sie mir bitte die Tür aufhalten?
- Wie wäre es, wenn wir noch etwas trinken?
- Warst du beim Friseur? Könnte schon sein.
Höflichkeit entsteht dadurch, daß man die Bitte irreal formuliert, damit sich der Angesprochene nicht vor vollendete Tatsachen gestellt fühlt.
Ein ähnliches Motiv findet man in der Wendung: Ich wüßte nicht, was daran nicht stimmen sollte.
So wird auch scheinbar
im Alltag durchaus korrekt gebraucht, wenn eine in Wahrheit potentiale Aussage irreal formuliert wird. Mit dieser Scheinirrealität möchte der Sprecher sich selbst zurücknehmen. Manchmal kann das Ziel auch Ironie sein:
- Du kommst scheinbar überhaupt nicht mehr vorbei. Aber schön, daß du hier bist.
Ausdrücke mit scheinen
und ähnliche Konstruktionen
Neben scheinbar
und anscheinend
kennt das Deutsche aber auch eine unermeßliche Zahl von Wendungen, bei denen es um das Schließen vom Äußeren auf das Innere geht:
- Es scheint …
- Es sieht so aus …
- Der Eindruck …
- Es hat den Anschein …
- Er erweckt den Eindruck …
- Er wirkt …
Welchen Aussagemodus haben Aussagen, die auf diese Weise eingeleitet werden? Das Deutsche kann durch den folgenden Nebensatz oder einen anderen Anschluß präzise zum Ausdruck bringen, ob die Aussage real, potential oder irreal ist.
Daß-Sätze
Der normale Anschluß ist ein Daß-
- Die Tatsache, daß du kommst, ist aber schön.
Oft wird das Bezugswort im übergeordneten Satz weggelassen. Aus dem Attributsatz wird dann ein Subjekt- oder Objektsatz:
- Die BlumeSubjekt ist aber schön.
- Daß du kommst,Subjekt ist aber schön.
- Ich will ein EisObjekt.
- Ich will, daß du kommstObjekt.
Steht der Daß-Satz im Indikativ, ist die Aussage Potentialis. Der Potentialis kommt durch die Einleitung Es sieht so aus …
zum Ausdruck.
- Er erweckt den Eindruck, daß ihn das alles nichts angeht.
Steht der Konjunktiv 2, ist die Aussage Irrealis.
- Er erweckt den Eindruck, daß ihn das alles nichts anginge.
Im ersten Satz stimmt der Eindruck, oder es ist zumindest wahrscheinlich daß er stimmt. Im zweiten Satz möchte der Sprecher sagen, daß es ihn sehr wohl etwas angeht, daß er jedoch vorgibt, daß wäre nicht der Fall.
Es scheint
mit Infinitiv
Ist das Subjekt des Hauptsatzes auch das Subjekt des Daß-Satzes, weicht man auf die Infinitivkonstruktion aus. Das gilt auch, wenn das Subjekt des Gliedsatzes eine Person, das des Hauptsatzes nur es
ist.
- Er/es scheint, daß er krank ist.
- Er scheint krank zu sein.
Diese Aussage ist wie der indikativische Daß-Satz ein Realis oder Potentialis. Realis, wenn man durch den äußeren Eindruck sicher ist, daß er krank ist. Potentialis, wenn man es für wahrscheinlich hält. Im Alltag lassen sich die beiden Fälle kaum unterscheiden, und sie sollen auch nicht unterschieden werden.
Irreal kann diese Konstruktion nur dadurch werden, daß noch ein Widerspruch angefügt wird:
- Er scheint krank zu sein. Obwohl ich nicht daran glaube.
Als-ob-Sätze
Daß-Sätze geben den tatsächlichen Inhalt dessen an, worauf sie sich beziehen. Anstelle von einem konjunktivischen Daß-
- Es schien, als wäre die ganze Welt gegen sie.
- Es schien, als ob die ganze Welt gegen sie wäre.
Vergleichssätze mit als (ob)
stehen immer im Konjunktiv 2, weil das zu Vergleichende nicht mit dem Vergleich übereinstimmt. Es besteht dazwischen keine Identität, sondern nur eine hypothetische Verknüpfung.
Oft sieht man den Konjunktiv 1 in Vergleichssätzen: als ob er sei, habe, gehe
usw. Der Verfasser hält den Konjunktiv 1 für gehobener und korrekter. Der Konjunktiv 1 hat hier allerdings nichts zu suchen und ist immer falsch.
Wo allerdings nichts verglichen wird, darf auch kein Vergleichssatz angeschlossen werden. Eben dies gehört zu den häufigsten Fehlern im Deutschen:
Wenn Roan und Taru nachmittags von der Schule nach Hause kommen, gehen sie erst einmal ihre jungen Freunde besuchen. Und es scheint, als ob die Elefanten schon darauf warteten.
Man sieht dem Zitat an, daß sein Urheber die gesamte Konstruktion und auch die Verwendung des Konjunktivs nicht verstanden hat. Weil das Syntagma schien, als ob
oft vorkommt, nimmt er irrtümlich an, dies wäre der normale Anschluß. Tatsächlich enthält der Vergleichssatz aber gar keinen Vergleich, sondern den Inhalt des Scheinens selbst. Außerdem ist die Aussage irreal, obwohl der Verfasser genau das Gegenteil beabsichtigt hat. Richtig wäre ein Daß-Satz:
Wenn Roan und Taru nachmittags von der Schule nach Hause kommen, gehen sie erst einmal ihre jungen Freunde besuchen. Und es scheint, daß die Elefanten schon darauf warten.
Ebenso falsch ist der Vergleichssatz mit Indikativ:
Carlos Barrios […] klettert aus der Rettungskapsel. Er fällt seinem Vater Antenor in die Arme und umarmt jeden einzelnen seiner Retter. Auf der Trage, auf der er in den Medizincontainer gebracht wird, winkt er fröhlich in die Menge. Es scheint, als ob er das 69 Tage währende Martyrium unter Tage gut überstanden hat.