Auf deutsch oder auf Deutsch?
rechtschreibung
Grammatik und Rechtschreibung von Sprachennamen: Deutsch oder deutsch sprechen? Auf deutsch oder auf Deutsch? Das Deutsche oder Deutsch?
Dauer: 47 Minuten.
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Deutsch oder deutsch?
Spricht man deutsch oder spricht man Deutsch? Wir klären drei Fragen:
Deutsch sprechen
oder deutsch sprechen
?
Ausgangsbasis unserer Betrachtung soll folgende Frage sein. Sie stammt von dem Rechtschreibexperten Theodor IcklerExterner Link: Theodor Ickler bei Wikipedia.:
Ich ertappe mich immer wieder beim Grübeln, ob ich
Theodor IcklerExterner Link zum Eintrag in Theordor Icklers Rechtschreibtagebuchdeutsch sprechenoderDeutsch sprechenschreiben soll. Nach alter und neuer Rechtschreibung ist beides richtig. (…) Eigentlich widerstrebt mir die adverbiale Auffassung. Vgl.Ich spreche Deutsch und Russisch — und was sprichst du?(nicht:*wie sprichst du?) Man koordiniert auch nicht mit anderen Adverbialien:*Er sprach englisch und leise.
Wir müssen zuerst klären, welche Grammatik der Wendung zugrunde liegt, denn die Rechtschreibung folgt nur der grammatikalischen Analyse.
Herr Ickler führt an, daß man nach deutsch sprechen
sowohl mit was
als auch mit wie
fragen kann. In diesem Fall hätten wir es bei {d}eutsch
mit einem Adverb zu zun, in jenem mit einem Substantiv im Akkusativ: Wen oder was spricht man?
An das Verb sprechen
können also zwei Satzglieder angefügt werden: ein Adverbiale deutsch
oder ein Akkusativobjekt Deutsch
. So deuten wir den Gedanken von Herrn Ickler.
Er stimmt jedoch nicht. Sprechen ist nämlich kein transitives Verb, es kann kein Akkusativobjekt haben, und man kann daher auch nicht fragen: Was sprichst du?
Man darf an sprechen
zwar durchaus Substantive anschließen, und sie stehen auch im Akkusativ, aber dieser Akkusativ ist kein Objektsakkusativ. Denn wäre das der Fall, könnte grammatikalisch jedes Substantiv Objekt zu sprechen
sein. Bei tatsächlich transitiven Verben ist das auch so:
- Ich sage ihm meine Adresseobjekt.
- Ich teile ihm meine Kontonummerobjekt mit.
- Ich berichte ihm allesobjekt.
- Ich verrate ihm was ich von ihm halteobjekt.
- Ich erzähle ihm nichtsobjekt.
Genau das läßt sprechen
aber nicht zu:
Der Grund liegt in der Etymologie des Wortes sprechen
. Es ist nicht ganz klar, ob es sich um ein indogermanisches Wort handelt oder, was wahrscheinlicher ist, ein alteuropäisches. Es existiert in der Bedeutung sich mündlich äußern
nur in den westgermanischen Sprachen, also vor allem im Deutschen und im Englischen, wo das r
im Laufe der Sprachgeschichte verlorenging: altenglisch sprecan
→ to speak
und bezeichnet eigentlich das Gegenteil von Schweigen.
- sprechen: **Ich spreche ihm meine Adresse | alles | was ich von ihm halte | nichtsobjekt.
Dennoch kann man sagen:
- Er sprach drei Sprachen | einen Eid | kein Wort?.
Noch andere Substantive sind möglich: Man kann einen Segen, einen Zauberspruch, ein Gelöbnis sprechen. Alle möglichen Substantive haben gemein, daß sie einen Sprechakt bezeichnen. Während das Substantiv Sprache
durchaus einen Sprechakt bezeichnet und man daher sagen kann, er spricht drei Sprachen
, ist das bei Deutsch
nicht ganz klar, auch wenn das Deutsche eine Sprache ist.
Es ist aber gar nicht nötig, hier eine endgültige Entscheidung zu treffen, weil zwei andere Umstände viel schwerer wiegen:
Erstens: Die Substantivierung Deutsch
kann nicht allein nach sprechen
stehen, weil Deutsch
nur mit einem Attribut verwendet wird. Er spricht gutes Deutsch
, wäre also möglich, er spricht Deutsch
aber nicht. Ohne Attribut verwendet man eine andere Substantivierung: das Deutsche
. Man kann deshalb nicht sagen: in Deutsch
verwendet man … Dazu unten mehr.
Zweitens: Dazu müssen wir klären, um was für einen Akkusativ es sich bei Wendungen wie drei Sprachen sprechen
handelt, wenn es kein Objektsakkusativ ist. Hier ein Beispiel:
- Diesen Sommer adverbiale fahre ich nach Italien.
- Freitag adverbiale kann ich nicht kommen.
In diesen Sätzen steckt ein Akkusativ: diesen Sommer, Freitag
. Fahren
ist zweifellos ein intransitives Verb. Der Akkusativ kann also nicht das Objekt bezeichnen. Er bezeichnet den Zeitpunkt. Der Zeitpunkt ist ein Umstand. Diesen Sommer
muß also eine Umstandsangabe sein. Der lateinische Ausdruck dafür lautet Adverbiale
.
Ob man {deutsch} nun für ein Adverb oder Substantiv hält, es steht auf jeden Fall im selben Satzglied.
Akkusative in Adverbialia nennt man adverbiale Akkusative. Kann man nach diesen Sommer
mit was
fragen? Was fahre ich nach Italien?
Nein, das geht nicht. Die Frage lautet: Wann fahre ich nach Italien?
Adverbiale Akkusative sind nicht immer temporal. Sehr viele antworten auch auf die Frage wie
; dann sind sie modal. Wenn es ums Fahren geht, könnte man dazu erwähnen wollen, auf welche Art und Weise man fährt. Im Idealfall gibt es dafür ein natives Adverb:
- Ich fahre schnelladverbiale .
- Ich fahre gern schnelladverbiale .
- Ich fahre zögerlichadverbiale .
Wenn aber kein Adverb zur Verfügung steht, greift man nach einer Präpositionalphrase oder gar nach einem Adverbialsatz:
- Ich fahre am liebsten schnell .
- Ich fahre im Autoadverbiale .
- Ich fahre mit dem Zugadverbiale .
- Ich fahre, so schnell ich kannadverbiale .
Im 17. und 18. Jahrhundert hat sich das Deutsche eine weitere Möglichkeit einfallen lassen, und zwar für solche Wendungen, die ständig gebraucht werden.
- Ich fahre Radadverbiale .
- Ich fahre Autoadverbiale .
- Ich fahre Audiadverbiale .
Die markierten Substantive sind Akkusative, aber sie sind keine Objekte zum Verb fahren
— man fährt schließlich nicht wen oder was, sondern auf eine bestimmte Art und Weise. Solche modalen Akkusative sind im Deutschen weitverbreitet:
- Ich spiele Fußballadverbiale .
- Ich fahre Schachadverbiale .
- Ich lese den Text Korrekturadverbiale .
- Ich schreibe Maschineadverbiale .
Man spielt nicht den Fußball, man spielt damit oder so. Man liest nicht die Korrektur, sondern einen unkorrigierten Text zur Korrektur. Und natürlich schreibt man nicht eine Schreibmaschine, sondern einen Text auf einer Schreibmaschine.
Das gilt auch für Personenangaben nach sprechen
: Wenn den Chef sprechen will, dann wird der Chef nicht von einem gesprochen, der Chef ist nicht das Objekt der Handlung, sondern man spricht mit oder zu dem Chef.
Ebenso spricht man nicht Sprachen — da hätte man lange zu sprechen. Der bloße Akkusativ nach sprechen
gibt an, worin dieses Sprechen besteht. Zum Beispiel in Form eines Gebets, eines Eids oder eben einer fremden Sprache. Wer drei Sprachen spricht, ist in der Lage, in drei Sprachen zu sprechen. Man nennt diese spezielle Form des modalen Akkusativs auch den Akkusativ des Inhalts, weil er über den Inhalt des Sprechens informiert. Er zeigt sich gern in Gestalt einer etymologischen Figur: eine Frage fragen
oder eine Sprache sprechen
.
Figura etymologica nennt man Wendungen, bei denen alle Wörter zur selben Wurzel gehören.
Man spricht also auch nicht das Deutsch(e)
, sondern auf deutsch
oder einfach deutsch
. Denn seit jeher gibt es im Deutschen ein Adverb deutsch
, das übrigens bis zum Ende des 10. Jahrhunderts ausschließlich für das Deutschsprechen verwendet wird, alles andere hat man davor nicht als deutsch bezeichnet.
Sprachgeschichtlich gesehen enthält die Wendung deutsch sprechen
auf jeden Fall ein Adverb und kein Substantiv. Denn bereits im Hochmittelalter sagte man tiutsch sprechen
. In jener Zeit gab es den Akkusativ des Inhalts noch nicht, hinter sprechen
konnte unter keinen Umständen ein einzelnes Substantiv stehen.
Aber auch gegenwartssprachlich fällt einem das Substantiv nur ein, wenn man sich mit beschränktem syntaktischem Wissen und intellektuell den Kopf über die Frage zerbricht. Folgende Gründe machen es unmöglich, daß in deutsch sprechen
ein Substantiv steckt:
Wir sagen deshalb nicht:
- **Er spricht nichts.
Denn nichts ist der Akkusativ von nichts
und nebenbei ein Substantiv. Wir sagen:
- Er spricht nicht.
Die Negation nicht ist ein Adverb. Ebenso spricht man nicht Geheimnis, sondern geheimnisvoll oder heimlich. Der adverbiale Akkusativ von Substantiven kommt nur als letztes Mittel zum Einsatz, wenn kein passendes Adverb existiert: **Er spricht eidlich
→ er spricht einen Eid
.
Man kann dieses Up-and-down-Transponieren im Intellekt natürlich durchführen, aber das Sprachzentrum unseres Gehirns macht es nicht. Wer vorschlägt, Deutsch sprechen
zu schreiben oder es als Möglichkeit erlaubt, manipuliert die Sprache.
Den Unterschied zwischen Deutsch
und das Deutsche
werden wir uns im nächsten Kapitel ansehen. Hier zum Abschluß die Rechtschreibvorschriften.
Alte Rechtschreibung: deutsch sprechen
Die alte Rechtschreibung erlaubt nur die Kleinschreibung.
- deutsch sprechen
- deutsch schreiben
- sich deutsch unterhalten
Einhelliger Querschnitt aus Duden-Ausgaben aus dem Zeitraum 1967 bis 1998.
Hierzu sei erwähnt, daß dem Duden in der Zeit von 1902 bis 1996 die Verwaltung und Weiterentwicklung der Rechtschreibung, so wie sie 1902 vom Bundesrat(h) des Deutschen Reichs verabschiedet wurde, als hoheitliche Aufgabe anvertraut war. Was wir also in jener Epoche im Duden finden, ist maßgeblich.
Was damals verabschiedet worden war, gründete nicht auf einer simplifizierten Syntax, die dem Geist von Sprachwissenschaftlern entsprang und wie jede wissenschaftliche Theorie ein Modell im ständigen Fluß war. Es wurde bloß kanonisiert, was in den Jahrzehnten zuvor in Schriftsetzereien, Schulen und im Kontor gängige Praxis geworden war.
Die alte Rechtschreibung zeigt also, wie die Deutschsprecher am Beginn des letzten Jahrhunderts tatsächlich schrieben. Das gilt für deutsch sprechen
und die noch folgenden Wendungen ohne jede Einschränkung.
Neue Rechtschreibung: deutsch sprechen
Die neue Rechtschreibung wünscht sich in der Wörterliste zur amtlichen Rechtschreibung ebenfalls die Kleinschreibung:
Wörterverzeichnis zur amtlichen Rechtschreibung, Seite 137Externer Link zum Rat für Rechtschreibung: Amtliches Wörterverzeichnis (PDF).
- deutsch sprechen (in deutscher Sprache sprechen)
- deutsch unterrichten (in deutscher Sprache unterrichten)
Auch wenn sich die amtliche Rechtschreibung das wünscht, ist das leider nicht alles:
Gelegentlich ist Groß- oder Kleinschreibung möglich, zum Beispiel:
§57, Erläuterung 2Externer Link zum Rat für Rechtschreibung: Amtliches Regelwerk (PDF).Amtliche Rechtschreibung,Sie spricht Englisch (was? — die englische Sprache)/.englisch (wie?)
Wir wissen bereits, daß es sich um einen Irrtum handelt. Man kann bei sprechen
gar nicht mit was
fragen. Auch wenn man bedenkt, daß in der zur Zeit gültigen dritten Fassung des Regelwerks (2006) viele Zugeständnisse an die Schul- und Wörterbuchindustrie stecken, vieles also in Erläuterungen als nicht falsch erwähnt wird, was vor 2006 noch richtig war, damit kürzlich gedruckte Bücher nicht makuliert werden müssen, wirft diese Erläuterung doch Fragen auf.
Denn in Paragraf 57 geht es um Substantivierungen. Die Erläuterung hat dort also nichts verloren, wenn man deutsch
nicht irrtümlich für ein Substantiv Deutsch
hält, das der Erläuterung zufolge dann aber aus Gründen kleingeschrieben werden darf, die dem Souverän der deutschen Sprache, also den Deutschsprechern, nicht verraten werden. Es wird willkürlich zugelassen, denn das Regelwerk der Reformschreibung besitzt kein Prinzip, das die Kleinschreibung begründen könnte. Die in der alten Rechtschreibung mögliche Kleinschreibungen von adverbial gebrauchten Substantiven oder Nominalphrasen hat in der neuen Rechtschreibung keine Entsprechung.
Wir haben daher die Streichung der Erläuterung beim Rat für Rechtschreibung in der nächsten Fassung des Regelwerks beantragt und empfehlen Ihnen die sprachlich einzig richtige und in beiden Rechtschreibsystemen gewünschte Schreibung: deutsch sprechen
.
Das Deutsche
versus Deutsch
Zwei Substantive bezeichnen die deutsche Sprache im Deutschen: das Deutsche
und Deutsch
. Werfen Sie einmal einen Blick auf das folgende Beispiel:
- Das Deutsche ist eine schwierige Sprache.
- Deutsch ist eine schwierige Sprache.
Der erste Satz ist richtig, der zweite falsch. Auch wenn er einem manchmal im Eifer des Gefechts herausrutscht, ändert das nichts an seiner Falschheit, denn Sie würden die folgenden Sätze wohl unter keinen Umständen als grammatikalisch korrekt beurteilen:
- So kann man in Deutsch nicht sagen.
- Thomas Mann gilt als Könner des Deutsch.
Fangen wir mit dem Deutschen an. Es handelt sich um eine Substantivierung des Adjektivs deutsch
. Nach dem heutzutage produktiven Schema beugen sie wie schwache Adjektive, wenn ihnen der bestimmte Artikel vorausgeht, und stark, wenn es der unbestimmte Artikel ist oder gar keiner:
- das Schöne
- ein Schönes
- Schönes
Beim Deutschen
gibt es nur die Variante mit dem bestimmten Artikel: das Deutsche
. Es bezeichnet die deutsche Sprache schlechthin, also als solche, in ihrer Gänze. Auch der Ausdruck das Hochdeutsche
oder das Mittelhochdeutsche
bezeichnet diese Formen des Deutschen, die als solche komplette Sprachen sind, als solche.
Deswegen heißt es: Das Deutsche ist eine schwierige Sprache.
Es betrifft die deutsche Sprache in ihrer Gesamtheit.
Meint man jedoch ein spezielles Deutsch, zum Beispiel das Deutsch Friedrich Schillers
, also nur ein ganz konkretes und spezielles Deutsch, dann verwendet man das Substantiv Deutsch. Damit geht einher, daß dieses Substantiv nur zusammen mit einem Attribut erscheinen kann, denn der Inhalt des Attributs ist es, was dieses Deutsch so speziell macht. Aus diesem Grund heißt es richtig deutsch sprechen
, aber schönes Deutsch sprechen
.
Als Attribut kommt in Frage:
- ein Genitivattribut:
Schillers Deutsch
- ein Präpositionalattribut:
das Deutsch von Schiller
- ein Adjektivattribut:
korrektes Deutsch
- eine determiniertendes Präfix:
Juristendeutsch
- ein Pronomen:
Sein Deutsch war tadellos
- ein Attributsatz:
Deutsch, das man in Hessen spricht
- ein Adverbialsatz:
Deutsch, wie man es in Bayern spricht
Der Artikel allein reicht nicht: **das Deutsch
.
Auch Deutsch
ist durch Substantivierung entstanden. Als Ausgangsbasis sind nur das Adjektiv deutsch
und das gleichklingende Adverb möglich. Bei Sprachennamen sind Adjektiv und Adverb stets gleichklingend. Das gilt auch für Farben:
Ableitungen wie bläulich
sind ganz jung und zudem in ihrer Bedeutung abschwächend.
- Adjektiv:
Meer ist blau. Blut ist rot.
- Adverb:
Das Meer schimmert blau. Die Ampel leuchtet rot.
Auch hier gibt es zwei Substantivierungen, die nach denselben Kriterien verwendet werden.
- Mit Attribut:
So ein kräftiges Blau! Das Blau ihres Kleids war hübsch. Das Blau (= dieses Blau) ist schön. Das Blau von Picasso. Im Dunkel der Nacht.
- Ohne Attribut:
Das Blaue vom Himmel herunteradverb lügen, ins Blaue hinein, im Dunkeln stehen
Die endungslosen Bildungen stammen aus dem 17. Jahrhundert und erschöpfen sich hiermit, wenn man vom nachgeahmten All
absieht. Alle anderen abstrakten Substantivierungen bilden keine solche Form. Zu schön
gibt es nur das Schöne (an dir)
aber nicht **das Schön an dir
. Substantivierte Wörter wie das Gut, das Übel, das Licht, das Leid, das Recht
usw. gehören nicht dazu; sie sind ein Jahrtausend zuvor entstanden, als noch ganz anders substantiviert wurde.
Betrachten Sie einmal diesen Satz:
- deutsch sprechen
Diesen Satz wollen wir um einen weiteren Umstand ergänzen:
- schön deutsch sprechen
Diese beiden Adverbien können vor dem Verb Adverbien bleiben. Aber wenn wir es woanders verwenden wollen?
- *Das ist aber nicht schön deutsch sprechen.
→ Das ist aber kein schönes Deutsch.
Das Adverb deutsch
wird jetzt substantiviert, das ihm vorausgehende Adverb schön
deshalb zum Adjektivattribut.
Diese Ableitung von Deutsch
vom Adverb geht ohne Schwierigkeiten. Aber wie will man so vom Adjektiv deutsch
zum Substantiv Deutsch
gelangen? Wir sehen keine Möglichkeit.
Die Ableitung vom Adjektiv ist aus jedem Blickwinkel absurd: Auch morphologisch widerspricht sie jedem im Deutschen in den letzten Jahrhunderten gängigen Schema. Dafür aber exakt der Art und Weise, wie man Adverbien nominalisiert: hier, jetzt
→ Wir leben im Hier und Jetzt
.
Daß es sich bei Deutsch
um das substantivierte Adverb handelt, erklärt auch, warum es nur mit Attributen verwendet werden kann. Denn nur die Attribute erzwingen überhaupt eine Substantivierung.
Das Regelwerk der amtlichen Rechtschreibung geht dennoch ohne jede Begründung von substantivierten Adjektiven aus. Wir nehmen an, daß seine Verfasser des Regelwerks das Dilemma gar nicht bemerkt haben.
Das kann dem normalen Deutschsprecher eigentlich egal sein, solange er Deutsch
wie in den Beispielen oben gebraucht. Aber sobald eine Präposition hinzukommt, muß er sich zwischen dem Befolgen der Regel und korrekter Sprache entscheiden — mit korrekt meinen wir hier tatsächliche Sprache, so wie sie sich im Sprachzentrum unseres Gehirn vollzieht.
Auf deutsch
oder auf Deutsch
?
Das Adverb deutsch
kann hinter eine Präposition treten, ohne daß sich dadurch etwas an seinem Wesen als Adverb oder seiner Schreibung ändert:
- Sie bleibt so. Sie bleibt für immer.
- Sie spricht deutsch. Sie spricht auf deutsch.
Alte Rechtschreibung:
Demgemäß schreibt man nach alter Rechtschreibung:
- in deutsch
- zu deutsch
- auf deutsch
- auf gut deutsch
- auf deutsch gesagt
- auf deutsch sprechen
Auf, in oder zu deutsch?
Die Wendung zu deutsch herrschte im Hochmittelalter und der frühen Neuzeit vor. Damals bezeichnete zu
nicht nur die Bewegung auf etwas zu, sondern auch die Ruhelage. Aus dieser Phase stammen viele lexikalisierte Zeitausdrücke wie zuweilen, zu Anfang, zur Zeit
und Adelstitel mit zu
. Heute wird es nur noch wie auf gut deutsch
oder im Klartext
verwendet.
In deutsch ist ebenfalls sehr alt, sogar am ältesten. Es kann noch stets statt auf deutsch
verwendet werden, wirkt dann aber oft komisch. Am häufigsten tritt es noch im Prädikat auf: Der Film ist in deutsch.
Neue Rechtschreibung: auf Deutsch
In der heute gültigen amtlichen Rechtschreibung schreibt man dagegen groß:
- in Deutsch
- zu Deutsch
- auf Deutsch
Aus der Schau aller beteiligten Paragrafen (§§57, 58) schreibt das Regelwerk die Großschreibung vor, weil seine Verfasser irrtümlich glauben, daß hier gar nicht das Adverb stünde, sondern dessen Substantivierung Deutsch
, die sie in einem weiteren Irrtum für die Substantivierung des Adjektivs halten.
E2: Substantivierungen, die auch ohne Präposition üblich sind, werden nach §57(1) auch dann großgeschrieben, wenn sie mit einer Präposition verbunden werden, zum Beispiel:
§58, Erläuterung 2 Externer Link zum Rat für Rechtschreibung: Amtliches Regelwerk (PDF).">Amtliche Rechtschreibung,In Ostafrika verständigt man sich am besten auf Swahili oder Englisch.(Vgl.:Bekanntlich ist Englisch eine Weltsprache. Sein Englisch war gut verständlich.)
Zu allem Ärger sind die Beispiele auch noch grammatikalisch falsch; es muß korrekt heißen: Bekanntlich ist das Englische(!) eine Weltsprache.
Das erklärt vielleicht, warum die Verfasser nicht wissen, daß das Substantiv Deutsch
im Deutsch Deutschen nicht ohne Attribut erscheinen kann.
Aber hiermit enden die Irrtümer leider nicht. Der Rat für Rechtschreibung flicht einen Gedankenkomplex von atemberaubender Falschheit. Er nimmt nämlich zudem an, daß auf deutsch
auch dann großgeschrieben würde, wenn man deutsch
darin für ein Adverb hielte. Sie glauben, daß es dann durch die Präposition substantiviert würde:
Wörter anderer Wortarten schreibt man groß, wenn sie als Substantive gebraucht werden (= Substantivierungen). substantivierte Wörter nehmen die Eigenschaften von Substantiven an. Man erkennt sie im Text an zumindest einem der folgenden Merkmale: (c) an ihrer Funktion als kasusbestimmtes Satzglied oder kasusbestimmtes Attribut.
(1) substantivierte Adjektive und adjektivisch gebrauchte Partizipien (…), zum Beispiel:
§58, Erläuterung 2 (Auszug)Externer Link zum Rat für Rechtschreibung: Amtliches Regelwerk (PDF).">Amtliche Rechtschreibung,
- Mit Englisch kommt man überall durch.
- In Ostafrika verständigt man sich am besten auf Swahili oder auf Englisch.
Mit kasusbestimmt
muß das Regelwerk das meinen, was von Präpositionen abhängt, weil die Beispiele sonst nicht zu erklären wären. Darunter ist das erste übrigens wieder falsch (mit dem Englischen kommt man überall durch) oder zumindest unpassend (mit englisch [sprechen]).
Die Annahme, Präpositionen oder Kasus wären Indizien für die Wortart Substantiv, spottet jeder seriösen Sprachwissenschaft. Wir schrieben sonst: für Mich, zu Uns, bis Später, auf Ewig
usw.
Es handelt sich hier um einen multiplen Sprachirrtum im Regelwerk, einen lexikalischen Fehler: Es wurden zwei existierende Wörter (deutsch
und Deutsch
) miteinander verwechselt. Die Regel ist daher ungültig, weil sie nicht zutrifft. Sie sollte nicht befolgt werden.
Deutsch sprechen
oder auf deutsch sprechen
?
Zu guter Letzt noch die Frage, worin der Unterschied zwischen deutsch sprechen
und auf deutsch sprechen
liegt.
Dieses kann immer durch jenes ersetzt werden, denn deutsch sprechen
kann sowohl bedeuten, daß jemand gerade deutsch spricht, als auch, daß er die deutsche Sprache beherrscht, wobei er im Moment darin sprechen oder schweigen kann. Welches davon gemeint ist, ergibt sich immer aus dem Kontext. Das Beherrschen meint diese Wendung nur, wenn die Frage des Beherrschens zuvor oder zugleich aufgeworfen wird.
- Welche Qualifikationen hat er? — Er spricht deutsch und kann auf den Händen laufen.
- Aber seine einzige Qualifikation war, daß er deutsch sprach.
Dagegen kann auf deutsch sprechen
niemals das Grundsätzliche bezeichnen, sondern immer nur das Aktuelle. Wer auf deutsch redet, redet gerade jetzt, und zwar auf deutsch. Das kann man nur lexikalisch ändern:
- Er konnte sich auf deutsch verständigen.
- Er verständigte sich auch auf deutsch, wenn es darauf ankam.
Das alles gilt auch für andere Verben wie sich unterhalten
oder schreiben
. Zu beachten ist allerdings, daß die Präpositionalphrase zu wählen ist, wenn das Verb zudem noch ein Objekt hat.
- Er schrieb deutsch. Er schrieb das Buch auf deutsch.
Bei reflexiven Verben kommt es auf den Einzelfall an:
- Sie sprachen deutsch. Sie unterhielten sich auf deutsch. Sie unterhielten sich deutsch.
Das spricht nicht für den vermeintlich nominalen Charakter des Wörtchens deutsch
, denn die Variierung der Konstruktion der Aktanten, indem das Objekt aus einem blanken Akkusativ besteht und das Adverbiale aus einer Präpositionalphrase, ist im Deutschen weit über unser Thema hinaus üblich. Auch adverbiale Genitive wandeln sich in Präpositionalphrasen, wenn zudem ein Objekt im Spiel ist.