Hin und her, auf und ab, nebeneinanderher
rechtschreibung
›Hin- und Rückfahrt‹ ist eine Verkürzung aus ›Hinfahrt und Rückfahrt‹, aber ist ›auf- und abgehen‹ eine Verkürzung aus ›aufgehen und abgehen‹? Diese Folge beschäftigt sich mit den Wortfügungen ›auf und ab‹, ›hin und her‹ und ›nebeneinanderher‹. Wie werden sie gebildet und richtig geschrieben?
Dauer: 13 Minuten.
Hin- und Rückfahrt
Werden zwei Wörter, die einen Wortteil gemein haben, durch eine Konjunktion wie und
oder oder
miteinander verknüft, kann man den Wortteil einmal einsparen und die Auslassung durch den Bindestrich anzeigen:
- Hinfahrt und Rückfahrt → Hin- und Rückfahrt
- Innenpolitik oder Außenpolitik → Innen- oder Außenpolitik
- vorbereiten und nachbereiten → vor- und nachbereiten
- Biologie und Biotechnik → Biologie und -technik
auf und ab, hin und her
Nach dieser Regel schreiben viele auch die Phrasen wie auf und ab
und hin und her:
- Nachdem sie unruhig im Flur auf- und abgelaufen war, setzte sie sich auf das Sofa.
- Er war lange vor der Tür hin- und hergegangen, bis endlich jemand öffnete.
Versucht man diese Schreibungen nun zurückzubilden, entstehen zwei Verben, die es gar nicht oder nur in anderen Zusammenhängen gibt: aufgehen
und abgehen
, hingehen
und hergehen
. Die Sonne und der Mond können auf- und untergehen, doch eine Frau kann nie aufgehen und nur in ganz anderer Hinsicht abgehen. Abgehen als Bewegung können nur Schauspieler von der Bühne, hergehen können bloß die Bayern:
Hier ist der Bayer aber nicht wirklich irgendwohin gegangen. Hergehen bedeutet im Bairischen und dann
.
Präfix oder Adverb?
Es muß unterschieden werden zwischen Präfixverben wie hingehen
und einfachen Verben (Simplicia) mit Adverb wie hin und her gehen
.
Präfixverben
Neben einfachen Verben wie schlagen
haben das Deutsche und die indogermanischen Sprachen im allgemeinen Präfixverben wie vorschlagen
. Diese Präfixe (oder Präverbien)
Präfixe sind Wörter oder Silben, die vor den Wortstamm gesetzt werden: aus∙lachen, ge∙schwommen.
nuancieren oder verändern die Bedeutung des einfachen Verbs und werden mit ihm im Deutschen zusammengeschrieben:
- vor∙schlagen
- zu∙sagen
- mit∙nehmen
- zurück∙laufen
- wieder∙sehen
- auf∙nehmen
Verb mit Adverb
Auf und ab gehen
gehört jedoch nicht zu diesen Präfixverben. Auf und ab
und hin und her
sind freie Adverbien, das heißt sie können durch andere Adverbien ersetzt oder weggelassen werden:
Bei hin und her überlegen
und auf und ab gehen
handelt es sich also um einfache, nicht-zusammengesetzte Verben, sogenannte Simplicia (Singular: ein Simplex), die ein freies Adverb bei sich haben. Das Adverbiale ist ein eigenes Satzglied, das sich auf das Prädikat bezieht:
Adverb vs. Adverbiale
Das Adverb ist eine Wortart (wie Substantiv und Verb), das Adverbiale (Plural: Adverbialia) eines der fünf Satzglieder (Subjekt, Prädikat, Objekt, Attribut, Adverbiale).
Dies betrifft die mehrgliederigen Adverbien:
- auf und ab gehen/gegangen
- hin und her gehen/gegangen
- ein und aus gehen/gegangen
Anders verhält es sich bei Präfixverben. Hier ist das Präfix Teil des Verbs und gehört zum Prädikat:
Beachte:
- ein und aus gehen ≠ eingehen und ausgehen
- ein- und ausatmen = einatmen und ausatmen
nebeneinanderher
Das gleiche gilt für nebeneinander
und nebeneinanderher
:
Die Präfixverben hinstellen
und nebeneinanderstellen
werden zusammengeschrieben.
Nebeneinander stehen
ist jedoch ein einfaches Verb mit einem freien Adverb. Zusammenschreibung ist unmöglich.
Nebeneinanderher
ist ebenfalls ein lexikalisches Adverb, also ein selbständig existierendes Wort, das im Wörterbuch einen eigenen Eintrag hat.
Nebeneinanderher gehen
darf also nicht als ein Adverb nebeneinander
und ein Präfixverb hergehen
analysiert werden. Daher wäre die Schreibung nebeneinander hergehen
auch falsch.
Substantivierung: das Auf und Ab
Bei einer Substantivierung schreibt man groß, aber weiterhin getrennt:
Anscheinend fühlen sich viele nicht wohl damit, die Einzelteile getrennt großzuschreiben. Sie sehnen sich nach einem Aufundab
. Das ist grammatikalisch nicht falsch. Die Inder, die bekanntlich für alles ein Wort haben, nennen Komposita nach dem Schema X+Y
einen Dvandva, was soviel wie Pärchen
bedeutet.
So findet man im Altindischen sito-snam
(Hitze-Kälte) Hitze und Kälte
, ahar-nisam
(Tag-Nacht) Tag und Nacht
und deva-manusyāh
(Götter-Menschen) Götter und Menschen
.
Dvandvas sind im Deutschen nicht gebräuchlich, weil man sie morphologisch nicht von normalen Determinativkomposita unterscheiden kann: Wer noch nie eine Pekingente süßsauer gegessen hat, könnte glauben, süßsauer
wäre die süße Art von sauer, denn jeder, der schon einmal verheiratet war, weiß, daß es auch eine saure Art von süß gibt. Tatsächlich ist die Ente zugleich sauer und süß, wie jeder Nimmersatt weiß. Es gibt zwar keine Dvandvas, aber dafür Zusammenrückungen: Menschärgeredichnicht, Dankeschön.
Man kann also gegen die Rechtschreibung das Aufundab
schreiben, wenn man gerne gegen den Strom schwimmt. Wer sich lieber treiben läßt, schreibt das Auf und Ab
.