Hin und her, auf und ab, nebeneinanderher

rechtschreibung ›Hin- und Rückfahrt‹ ist eine Verkürzung aus ›Hinfahrt und Rückfahrt‹, aber ist ›auf- und abgehen‹ eine Verkürzung aus ›aufgehen und abgehen‹? Diese Folge beschäftigt sich mit den Wortfügungen ›auf und ab‹, ›hin und her‹ und ›nebeneinanderher‹. Wie werden sie gebildet und richtig geschrieben?
Dauer: 13 Minuten.

Video herunterladen Video Fullscreen ansehen

Video veröffentlicht am 21.01.2010 (15.75 MB).

Dieses Video ist Teil der Playlist rechtschreibung. Damit können Sie alle Videos zu diesem Thema mit dem Videoplayer auf Ihrem Computer (zum Beispiel VLC) streamen.

Hin- und Rückfahrt

Werden zwei Wörter, die einen Wortteil gemein haben, durch eine Kon­junktion wie und oder oder miteinander verknüft, kann man den Wort­teil einmal einsparen und die Auslassung durch den Binde­strich an­zei­gen:

  • Hinfahrt und Rückfahrt → Hin- und Rückfahrt
  • Innenpolitik oder Außenpolitik → Innen- oder Außenpolitik
  • vorbereiten und nachbereiten → vor- und nachbereiten
  • Biologie und Biotechnik → Biologie und -technik

auf und ab, hin und her

Nach dieser Regel schreiben viele auch die Phrasen wie auf und ab und hin und her:

  • Nachdem sie unruhig im Flur auf- und abgelaufen war, setzte sie sich auf das Sofa.
  • Er war lange vor der Tür hin- und hergegangen, bis endlich jemand öffnete.

Versucht man diese Schreibungen nun zurückzubilden, entstehen zwei Verben, die es gar nicht oder nur in anderen Zusammenhängen gibt: aufgehen und abgehen, hingehen und hergehen. Die Sonne und der Mond können auf- und untergehen, doch eine Frau kann nie aufgehen und nur in ganz anderer Hinsicht abgehen. Abgehen als Bewegung können nur Schau­spie­ler von der Bühne, hergehen können bloß die Bayern:

Dann bin i herganga und hab gsagt: Jetzat paß amal auf!

Hier ist der Bayer aber nicht wirklich irgendwohin gegangen. Hergehen bedeutet im Bairischen und dann.

Präfix oder Adverb?

Es muß unterschieden werden zwischen Präfixverben wie hingehen und einfachen Verben (Simplicia) mit Adverb wie hin und her gehen.

Präfixverben

Neben einfachen Verben wie schlagen haben das Deutsche und die indo­germa­nischen Sprachen im allgemeinen Präfixverben wie vorschlagen. Diese Präfixe (oder Präverbien) Präfixe sind Wörter oder Silben, die vor den Wortstamm gesetzt werden: aus∙lachen, ge∙schwommen. nuancieren oder verändern die Bedeu­tung des einfachen Verbs und werden mit ihm im Deutschen zusammen­geschrieben:

  • vor∙schlagen
  • zu∙sagen
  • mit∙nehmen
  • zurück∙laufen
  • wieder∙sehen
  • auf∙nehmen

Verb mit Adverb

Auf und ab gehen gehört jedoch nicht zu diesen Präfixverben. Auf und ab und hin und her sind freie Adverbien, das heißt sie können durch andere Adverbien ersetzt oder weggelassen werden:

  • Sie hat hin und her überlegt.
  • Sie hat überlegt.
  • Sie hat intensiv überlegt.

Bei hin und her überlegen und auf und ab gehen handelt es sich also um ein­fache, nicht-zusam­men­gesetz­te Ver­ben, so­genann­te Sim­pli­cia (Sin­gu­lar: ein Sim­plex), die ein freies Ad­verb bei sich haben. Das Ad­ver­bia­le ist ein eige­nes Satz­glied, das sich auf das Prädi­kat bezieht: Adverb vs. Adverbiale
Das Ad­verb ist eine Wort­art (wie Sub­stan­tiv und Verb), das Ad­ver­bia­le (Plu­ral: Ad­ver­bia­lia) eines der fünf Satz­glie­der (Sub­jekt, Prä­di­kat, Ob­jekt, Attri­but, Ad­ver­bia­le).

Siesubjekt überlegteprädikat hin und heradverbiale .

Dies betrifft die mehrgliederigen Adverbien:

  • auf und ab gehen/gegangen
  • hin und her gehen/gegangen
  • ein und aus gehen/gegangen

Anders verhält es sich bei Präfixverben. Hier ist das Präfix Teil des Verbs und gehört zum Prädikat:

Siesubjekt schlug vorprädikat , etwas zu unternehmen.

Beachte:

  • ein und aus gehen ≠ eingehen und ausgehen
  • ein- und ausatmen = einatmen und ausatmen

Regel

Zusammenschreibung mit Bindestrich nach dem Schema: aaa- und bbb-xxx ist dann angebracht, wenn man den Ausdruck in zwei Verben zu­rück­bil­den kann: Ein- und ausatmen läßt sich in ein­atmen und dann ausatmen zurückbilden.

Ein und aus gehen ist dagegen keine Verkürzung aus eingehen und ausgehen. Die beiden Einzelverben haben eine ganz andere Bedeutung als ein und aus gehen. Eingehen bedeutet zu­grunde­gehen (eine Pflanze geht ein), ausgehen bedeutet sich ins Nacht­leben stürzen oder zur Neige gehen. Solche Ausdrücke dürfen nicht zu­sam­men­rücken: Schema aaa und bbb xxx.

nebeneinanderher

Das gleiche gilt für nebeneinander und nebeneinanderher:

Sie hatte die Vasen hingestellt.

Sie hatte die Vasen nebeneinandergestellt.

Die Präfixverben hinstellen und neben­ein­ander­stellen werden zusam­men­geschrie­ben.

Nebeneinander stehen ist jedoch ein einfaches Verb mit einem freien Adverb. Zusammenschreibung ist unmöglich.

Die Vasen standen immer noch.

Die Vasen standen auf dem Tisch.

Die Vasen standen nebeneinander.

Nebeneinanderher ist ebenfalls ein lexikalisches Adverb, also ein selb­stän­dig existierendes Wort, das im Wörterbuch einen eigenen Eintrag hat.

Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinanderher gelaufen waren, erreichten sie den Waldrand.

Nebeneinanderher gehen darf also nicht als ein Adverb nebeneinander und ein Präfixverb hergehen analysiert werden. Daher wäre die Schrei­bung nebeneinander hergehen auch falsch.

Regel

Die richtigen Schreibungen lauten:

auf und ab gehen

hin und her gehen

nebeneinanderher gehen

auf und ab gegangen

hin und her gegangen

ein und aus gegangen

nebeneinanderher gegangen

Substantivierung: das Auf und Ab

Bei einer Substantivierung schreibt man groß, aber weiterhin getrennt:

Dieses ewige Hin und Her!

das Auf und Ab des Meeresspiegels

das Ein und Aus an der Bahn­hofs­tür

Anscheinend fühlen sich viele nicht wohl damit, die Einzel­teile ge­trennt großzuschreiben. Sie sehnen sich nach einem Aufundab. Das ist gram­matika­lisch nicht falsch. Die Inder, die bekannt­lich für alles ein Wort haben, nennen Kom­posi­ta nach dem Schema X+Y einen Dvandva, was soviel wie Pärchen bedeutet.

So findet man im Alt­indischen sito-snam (Hitze-Käl­te) Hitze und Käl­te, ahar-nisam (Tag-Nacht) Tag und Nacht und deva-manusyāh (Göt­ter-Menschen) Götter und Menschen.

Dvandvas sind im Deutschen nicht gebräuchlich, weil man sie mor­pho­lo­gisch nicht von normalen Deter­mina­tiv­kom­posi­ta unter­scheiden kann: Wer noch nie eine Peking­ente süßsauer gegessen hat, könnte glauben, süßsauer wäre die süße Art von sauer, denn jeder, der schon einmal verheiratet war, weiß, daß es auch eine saure Art von süß gibt. Tat­säch­lich ist die Ente zugleich sauer und süß, wie jeder Nimmer­satt weiß. Es gibt zwar keine Dvandvas, aber dafür Zu­sam­men­rückun­gen: Mensch­ärgere­dich­nicht, Danke­schön.

Man kann also gegen die Rechtschreibung das Aufundab schreiben, wenn man gerne gegen den Strom schwimmt. Wer sich lieber treiben läßt, schreibt das Auf und Ab.