Attribut, Adverbiale und Prädikatsadjunkt
Wo liegt der syntaktische und stilistische Unterschied zwischen einem Attribut (der erste Mann jodelte), einem Prädikatsadjunkt (der Mann jodelte als erster) und einem Adverbiale (der Mann jodelte zuerst)?
Attribut, Adverbiale und Prädikatsadjunkt
Ein Journalist formuliert:
Im Kopf des Journalisten existieren mehrere Unionen (Multiversum). Er weiß nicht, welchen Unionsklon Koch verläßt, deshalb verwendet er den unbestimmten Artikel eine
. Er weiß jedoch, daß dieser Unionsklon eine einzige, aber dauernde Eigenschaft hat: Verunsicherung. Im Kopf des Journalisten ist diese Verunsicherung also schon vor Kochs Abgang dagewesen und vielleicht sogar der Grund dafür — warum sollte er es sonst erwähnen?
Außerhalb des Journalistenkopfes sieht es völlig anders aus: Es gibt nur eine einzige Union (jedenfalls nur eine, die in Frage kommt). Deshalb steht in der wirklichen Welt der bestimmte Artikel die
. Hier ist die Verunsicherung keine dauernde Eigenschaft der CDU, sondern ihre erste und spontane Reaktion auf Kochs Abgang. Deshalb steht sie nicht als Adjektivattribut, sondern im Prädikat.
Richtig hätte der Satz also so gelautet:
So ist zwar immer noch stilistisch schlecht, aber wenigstens nicht mehr grammatikalisch falsch.
Gehen wir hypothetisch davon aus, daß jemand, der den Topartikel bei einer der größten Nachrichtenseiten Deutschlands schreiben darf, wie die restlichen 180000000 Sprecher des Deutschen den Unterschied zwischen Attribut und Prädikat kennt und die Grundlagen des Satzbaus beherrscht.
Dann müssen wir uns allerdings fragen: Was ist von einem Journalisten zu halten, der Ursache und Wirkung, Vorher und Nachher sowie Dinge und Zeichen nicht voneinander unterscheiden kann? Gehört es nicht zu den wichtigsten Eigenschaften eines Journalisten, seinen Lesern erklären zu können, wo die Wahrheit (Dinge) aufhört und die Lüge (Zeichen) beginnt? Die Anzahl der Menschen mit deutscher Muttersprache schätzt man auf 105 Millionen. Dazu kommen 70 bis 80 Millionen Menschen, die Deutsch als Zweitsprache gelernt haben.
Attribut
Das Attribut bezieht sich immer auf ein Substantiv und antwortet auf die Frage Was für ein?
Was im Attribut steht, ist relativ zur Handlung, die im Prädikat gezeigt wird, andauernd. Oder anders: Die im Attribut ausgewiesenen Eigenschaften müssen bereits da sein, bevor die im Prädikat gezeigte Handlung einsetzt. Im obigen Fallbeispiel ging es um ein AdjektivattributTutorial: Das Adjektiv als Attribut:
Was bedeutet dieser Satz? Er bedeutet nicht, daß diese Häuser als erste
in Flammen aufgingen, während es andere noch nicht taten. Genau das bedeutet dieser Satz nicht. Die ersten Häuser können nur die dem Vulkan am nächsten gelegenen sein, die Frontlinie also.
Ebenso:
Der Satz bedeutet nicht, daß dieser Mann als erster von mehreren gestorben ist. Das sähe so aus:
Dagegen kann der erste Mann
zum Beispiel der erste Mann der Republik sein (Präsident), aber auch der erste von mehreren Männern einer Frau oder der in einer Reihe ganz vorne steht. Das Attribut erster
kann sich grammatikalisch und inhaltlich nicht auf das PrädikatsnomenTutorial: Was ist ein Prädikatsnomen? gestorben
beziehen.
Nicht nur Adjektive können Attribute sein, sondern auch: Die beiden letzten sind eigentlich adverbialer Natur, beziehen sich also nativ auf ein Verb. Das wird am Lateinischen deutlich, wo in der Regel noch ein Partizip stehen muß: Die am See gelegene Villa
.
- GenitivattributeTutorial: Genitiv: Die Häuser der ersten Reihe gingen in Flammen auf.
- Appositionen: Der Dieter, der Thomas, der Heck, ging nicht in Flammen auf!
- Relativsätze: Die Häuser, die dem Vulkan am nächsten lagen, gingen in Flammen auf.
- Präpositionalphrasen: Die Häuser im Norden gingen in Flammen auf.
- Adverbial: Die Häuser dort drüben gingen in Flammen auf.
Adverbiale
Dieselbe Aufgabe kann ein Adverbiale erfüllen:
Das Adverbiale ist eines der fünf Satzteile und eine Umstandsangabe. Es bezieht sich also immer auf ein Verb. Adverbialia sind vor allen Adverbien (starb zuerst) oder Präpositionalphrasen (starb zu Beginn). Die fünf Satzglieder: Subjekt (Satzgegenstand), Prädikat (Satzaussage), Objekt, Attribut (Beifügung), Adverbiale (Umstandsangabe). Das Adverbiale ist ein Satzglied, das Adverb eine Wortart.
Prädikatsadjunkt
Daneben gibt es das Prädikatsadjunkt, das man auch Prädikativum nennt: Das Adjunkt ist immer Teil des Prädikats. Deswegen zählt man es nicht zu den fünf Satzgliedern. Auch das Attribut ist immer Teil eines anderen Satzglieds. Weil das aber alle sein können, zählt man es zu den fünf Satzgliedern.
Unterschied zwischen Prädikatsadjunkt und Adverbiale
Prädikatsadjunkte und Adverbialia sind Subsatzglieder und damit Teil des Prädikats. Im Gegensatz zum Adverbiale kongruiert das Adjunkt aber mit dem Subjekt des Satzes:
- Der Mann jodelte als erster.
- Die Frau jodelte als erste.
- Das Kind jodelte als erstes.
- Die Männer jodelten als erste.
Auch mit dem Objekt kann das Adjunkt kongruieren, wenn auch ungut:
Das ist aber nicht zu empfehlen. Besser ist ein Adverbiale:
Hier ist es besser, gleich ein Adverbiale zu wählen:
Doppelplusgut:
Stilistische Faustregel
Für jeden Satz gibt es einen Anlaß. Das sollte die Handlung sein. Die Handlung und der Anlaß sind die Satzaussage und gehören daher ins Prädikat.
Das Prädikat zeigt, was gerade geschieht. Beim Fallbeispiel ist Kochs Rücktritt der Anlaß des Satzes und die Handlung.
Nun möchte der Autor auch noch erwähnen, daß Kochs Partei davon erschüttert ist. Hier schwenkt der Fokus von Koch zur Partei. Ändert sich der Fokus, sollte sich immer auch das Subjekt ändern:
Aber was wird jetzt aus der CDU, denkt man gleich darauf. Auf keinen Fall sollte man es so ungeschickt formulieren wie Philipp Wittrock:
Schlechter kann man eigentlich nicht mehr schreiben. Es bieten sich zwei Möglichkeiten:
Erstens kann man die CDU zum Objekt von Koch machen, wie es Wittrock versucht hat:
Das ist sachlich und erzählerisch aber Unsinn. Es wäre besser, den Fokus auf die CDU zu verlegen.
Wie auch immer man sich entscheidet: Attribute enthalten nur, was relativ zum Prädikat andauernd ist. Umstände müssen sich auf das Prädikat beziehen. Sind es gar Folgen, dann gehören die in das Prädikat eines neuen Satzes.