Indra hat dem Arier Licht gebracht!
wortkunde
Heute ist des Ariers in der westlichen Welt unzertrennlich mit dem Dritten Reich und dem Holocaust verbunden. Doch seine Ursprünge reichen viel weiter in die Vergangenheit zurück. Sie liegen im östlichen Teil des indogermanischen Sprachgebiets. Wer hat den Begriff Arier erfunden, und was bedeutet er?
Dauer: 56 Minuten.
Arier
Sind Sie eigentlich Arier? Wenn Sie von dunklem Teint sind, werden Sie diese Frage wohl verneinen. Aber was ist mit unseren blonden und blauäugigen Mitmenschen? Woher stammen diese Merkmale, und warum gibt es so viele dieses Typs bei uns? Sind diese Menschen Arier?
Antworten Sie lieber nicht! Die Frage ist heimtückisch. Sie lenkt den Fokus auf den Begriff des Ariers, von dem niemand so genau weiß, was es damit über Hitler und seinen Kampf der Rassen hinaus so genau auf sich hat, und damit lenkt sie ihn weg von einer der wichtigsten Erkenntnisse des Menschen überhaupt: Es gibt im Menschengeschlecht keine Rassen. Weit ins 20. Jahrhunderts hinein nahm man sogar in der Paläoanthropologie, der Fachwissenschaft zur Herkunft des Menschen, ernsthaft an, dass zwar der Neger aus Afrika stamme, wie auch der farbgleiche Gorilla, der weiße Mann seinen Ursprung aber in Asien habe, wo man bereits alte Gebeine gefunden hatte. Im 18. Jahrhundert hatte man gar geglaubt, dass der weiße Mann eine eigene Rasse wäre, und selbstverständlich die edelste.
Erst durch die Leakeys, eine Anthropologenfamilie mit sagenhaftem Glück beim Finden von Menschengebeinen, wurde man zu der Einsicht gezwungen, dass alle Menschen aus Afrika stammen. Was sie heute unterscheidet, ist so oberflächlich wie Make-up und reine Anpassung an die Lebensbedingungen: Je stärker die UV-Strahlung, desto dunkler die Haut. Die bleibt dunkel, wenn der Mensch wie die Indianer oder Eskimos in nördlichere Gefilde abwandert, und bleicht erst durch natürliche Selektion, wenn der Mensch zum Getreide wechselt und auf Vitamin D aus dem Sonnenlicht angewiesen ist.
Der Arier kann also keine Rasse sein, weil es keine Rassen gibt. Es handelt sich um eine ehemalige Ethnie, zu der Menschen mit gleicher Abstammung und gleicher Kultur gehören. Allerdings ist es nicht die unsrige, sondern die jener IndogermanenVideo-Tutorial: Indogermanisch und nicht indoeuropäisch, die nach der Aufspaltung der urindogermanischen Gemeinschaft nach Süden abgewandert sind: dorthin, wo heute der Iran liegt, dessen Name übersetzt [das Land] der Arier lautet, und noch weiter bis nach Indien.
Die Etymologie des Wortes Arier
Arier ist die Eigenbezeichnung des indoiranischen Zweigs des Indogermanischen.
Diese Eigenbezeichnung könnte pragmatischer nicht sein. In Arier
steckt das indogermanische Wort h₂el∙jo∙s
für ‚anderer‘, das im Lateinischen ähnlich ălius
, im Griechischen ἄλλος (állos)
und im Gotischen al∙ji∙s
lautet. Es findet sich auch ălĭbī
(anderwo → Alibi
), in ălter
(der andere von beiden → Alternative
)Der Einzige oder der Einzigste? Scheinbar sinnlose Steigerungsformen. und in ăliēnus
(fremd → Alien
).
Das a
in indisch ārya∙s
‚Arier‘ ist jedoch lang, wohingegen das in lateinisch ăliu∙s
‚anderer‘ und allen anderen angeführten Formen kurz ist. Es muss deshalb noch ein zweites Element enthalten sein, und das ist die urindogermanische Verneinungsvorsilbe n∙,
die später in jeder Tochtersprache mit einem anderen Vokal angereichert wurde: germanisch Un∙geheuer,
lateinisch in∙transparent
und griechisch an∙organisch.
Folgt im Griechisch ein Konsonant, fällt das n
sogar raus: a∙symmetrisch.
Sprich ārya∙s
als /ārjas/. Man schreibt das Jot als Ypsilon, weil für das Indoiranische mit dem Buchstaben Jot ein dsch-Laut dargestellt wird.
Arier ist also ă∙ărya∙s → ārya∙s
‚nicht der andere → einer von uns‘. So nannte sich zuallererst der Erzähler des uralten Rigvedas aus Nordindien.
Der Wortausgang ∙a∙s
(entspricht lateinisch ∙u∙s
) ist nur eine sprachistorische Form, die die Etymologie verdeutlicht. In der Wirklichkeit wird er im Indischen zu ∙a∙ḥ
verhaucht (sogenannter Sandhi).
Zeile 1
apāvrno(r) jyotir āryāya
aufgetan-hast-du das Licht dem Arier
Du hast dem Arier Licht gebracht.
Zeile 1
ni savyatah sādi dasyur indra
hinab zur Linken gesetztes-du den Dasyu, o Indra
Den Dasyu hast du links liegengelassen, o Indra!
Rigveda, zweites Buch, elfter Hymnus, Vers 18
Arier versus Dásyu
Dásyu
waren die anderen: alle Volksstämme, die nicht die indogermanischen Götter anbeteten und deshalb von Indra auch nicht erleuchtet wurden. Ein Dāsas
ist ein Nichtarier und Fremdling, also ein Ureinwohner, der den Neuankömmlingen fremd vorkam und wie bei uns Indogermanen üblich bald zu einem Besucher seiner eigenen Heimat erklärt wurde. Wechselte die Betonung von der ersten auf die zweite Silbe, bedeutete das Wort ‚Sklave‘.
Die Etymologie von Arier
erweist, dass er erst im Süden entstanden sein kann. Den indogermanischen Einwanderern in unseren Gefilden war er ganz und gar unbekannt. Der Begriff gelangte erst zu uns, als sich im frühen 19. Jahrhundert die Erkenntnis durchsetzte, dass die indoiranischen Sprachen mit den europäischen verwandt sind. Das hohe Alter der indoiranischen oder arischen Texte und der konservative Zustand ihrer Sprache führte zunächst zu der Annahme, es würde sich dabei um die Ursprache selbst handeln. Die Urfassung von Schleichers Fabel aus dem ersten Kapitel klang deshalb fast wie Indisch. Wenn sich der Erzähler des Rigvedas als Arier bezeichnet und das Deutsche vom Vedischen abstammt, sind folglich auch wir Deutsche Arier.
Schnell begriff man, dass das Vedische wie das Deutsche nur eine Tochtersprache des Urindogermanischen ist und ebensoviele Entwicklungen hinter sich hat wie das Deutsche, doch die Idee des Ariers hatte sich längst verbreitet und gelangte schließlich in jenes völkische Milieu, an dem sich Hitler als junger Mann erquickte.
Arier ist nicht germanisch
Arier
war also nicht die Eigenbezeichnung der GermanenVideo-Tutorial: Wer sind die Deutschen? Kernbegriffe der germanischen Identität., sondern die der Indoiranier.