Libyen oder Lybien?
wortkunde
Woher kommt der Name Libyen und was bedeutet er? Mit der Herkunft des Namens kann man sich gut einprägen, in welcher Silbe das Ypsilon stehen muß. Außerdem: Rhythmus, Rheuma, Rhetor. Warum steht nach R am Anfang griechischer Fremdwörter immer noch ein H?
Dauer: 29 Minuten.
Libyen oder Lybien?
Libyen oder Lybien? Der Name Libyen geht auf die griechische Fassung libyē
der altägyptische Bezeichnung r(i/e)bu
zurück. Er gelangt über das Lateinische libya
ins Deutsche. Im Englischen Libya
wird das Ypsilon als Konsonant [j] gesprochen, im Deutschen allerdings als Vokal [ü] (mündlich unsauber oft [libjen]). Weil sich die Vokale [i] und [ü] phonetisch sehr ähnlich sind, kommen Deutschsprecher immer wieder durcheinander, in welcher Silbe von Libyen
das Ypsilon steht.
Altägyptisch rebu
Das Ethnikon rebu
ist erstmals in der 19. Dynastie belegt, also vor 3200 Jahren zur Zeit der Könige Ramses II. und III. Bezeichnet wird damit kein Land, sondern die westliche Wüste Ägyptens, die dort beginnt, wo das fruchtbare Land am Westufer des Nils in Wüste übergeht.
Die Rebu gelten den Ägyptern nicht als Volk, sondern als lose Horde von Vagabunden, die ihr Leben in der Wüste verbringen und immer wieder Raubüberfälle auf die ägyptische Zivilisation übernehmen.
Neben Rebu kennt das Ägyptische zu allen Zeiten auch andere Bezeichnungen für das Land westlich des Nils und die darin lebenden Menschen.
Der Laut [u] im ägyptischen r(e)bu
ist die Pluralendung:
Die Hieroglyphenschrift der Ägypter ist eine Lautschrift, in der nur Konsonanten geschrieben werden. Die ersten drei Glyphen (hier von links nach rechts zu lesen) stehen jeweils für die Laute R, B, und W, wobei W hier den Vokal U andeutet. Das ist die Endung für die Mehrzahl.
Die vier letzten Zeichen sind keine Lautzeichen sondern Determinative, also Deutungszeichen. Hinter Verben der Fortbewegung finden sich zum Beispiel zwei laufende Beine als Deutungszeichen. Das erste Determinativ ist hier das Wurfholz, eine Waffe, mit der im alten Ägypten Fremdvölker charakterisiert werden. Das zweite Determinativ zeigt Wüstendünen und bezeichnet Landschaften und Länder. Dahinter folgt ein sitzender Mann, wenn nicht die Landschaft Lybien, sondern die Menschen darin gemeint sind. Die drei Striche unter dem Mann machen noch einmal deutlich, daß es sich um eine Pluralform handelt. Der Plural wird also einmal lautlich und noch einmal sinnlich gekennzeichnet.
Die Bezeichnung ist eine zweistufige Metonymie, also eine bildsprachliche Übertragung. Die drei Lautzeichen und das erste Determinativ bezeichnen den Rebu Fremdländer aus der westlichen Wüste. Das zweite Determinativ zeigt, daß der Name für die Menschen danach auf das Land, wo diese Menschen hausen, übertragen wurde (erste Metonymie). Danach wurde Rebu als Landschaftsbezeichnung wieder auf die Menschen darin übertragen.
Griechisch libyē
Das Ethnikon rebu
gelangt später ins Griechische und mußte in griechischer SchriftVideo-Tutorial: Einführung und Übung in die griechische Schrift werden. Wir sind uns nicht sicher, ob es Herodot war, der den Namen ins Griechische einführte, oder ein anderer Grieche. Das Ypsilon Υ, υ
wird im Griechischen jener Zeit grundsätzlich [u] ausgesprochen und entspricht damit wohl dem Laut der ägyptischen Pluralendung.
Im Attisch-
Ionisch ist der Dialekt, der einst an der südlichen Westküste der heutigen Türkei gesprochen wurde. Ionisch ist auch die Muttersprache Herodots.
Der erste Laut wird in der Ägyptologie traditionell als r
transkribiert. Inzwischen ist aber bekannt, daß die Hieroglyphe eher einen Laut [l] bezeichnet.
Da die HieroglyphenVideo-Tutorial: Wie ist die Schrift entstanden? Die ägyptischen Hieroglyphen. grundsätzlich nur Konsonanten darstellen, wissen wir nicht, welcher Vokal zwischen r
und b
gesprochen wurde, aber die Griechen haben diesen Vokal offenkundig als [i] gehört und mit Iota geschrieben.
Im Ägyptischen haben Substantive keine Endung in der Grundform, im Griechischen schon. So bezeichnet λιβύ∙η (libý∙ē)
das Land und λίβυ∙ς (líby∙s)
den Bewohner. Unter λιβύ∙η (libý∙ē)
verstehen die Griechen nicht nur die Wüste westlich des Nils bis Kyrene, sondern das gesamte Nordafrika, einschließlich der Sahara.
Lateinisch libya
und deutsch Libyen
Die Römer übernehmen libyē
als Ethnikon, ersetzen die attisch-∙ē
für weibliche Substantive jedoch durch die lateinische Endung ∙a
: libya
.
Das unlateinische Ypsilon bleibt erhalten und gelangt so ins Deutsche, wo Ypsilon grundsätzlich nur in Lehn- und Fremdwörtern aus dem Griechischen verwendet und authentisch als [ü] ausgesprochen wird. Modeschreibungen wie Bayern
oder frey
, wo Ypsilon für i
und j
steht, waren immer wieder mal beliebt, haben sich aber nur in Eigennamen halten können.
Libyen oder Lybien?
Die Bezeichnung Libyen
bereitet Deutschsprechern Probleme, so daß man mündlich meistens Liebien
oder Liebjen
sagt. Denn die Vokale [i] und [ü] sind sich phonetisch sehr ähnlich. Zudem tritt [ü] im Deutschen sonst nur in betonten Silben auf, [i] dagegen auch in unbetonten. Das Wort Physik
bereitet deshalb keinem Probleme.
In Libyen
besteht allerdings der Drang, die Vokale zu vertauschen und so der phonologischen Struktur des Deutsch anzupassen: Lybien
.