Das Anführungszeichen
zeichensetzung
In Zeitungen und Büchern wimmelt es von sinnlosen und falschen Auszeichnungen. Kein Wunder, nirgendwo steht, wann man Gänsefüßchen anwenden soll. Und vor allem: Wann man es lieber läßt.
Dauer: 75 Minuten.
Auszeichnen mit Anführungszeichen und Kursivierung
Das Gänsefüßchen oder Anführungszeichen ist eine Form des Auszeichnens. Daneben gibt es noch das Kursivieren (Kursivsetzen), das Sperren, das Fettsetzen und weitere Formen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, worin die Funktion von Anführungszeichen und Kursivierung besteht und wann man sie richtig und sinnvoll anwendet. Auch falsche Anwendungen werden ausführlich besprochen.
Daran schließen sich zwei weitere Artikel an, in denen Sie erfahren, wie Anführungszeichen und Kursivierung orthografisch und typografisch richtig gesetzt werden.
Wann benutzt man Anführungszeichen?
Wann verwendet man überhaupt Anführungszeichen? Wann zeichnet man ein Wort durch Gänsefüßchen oder durch Kursivieren aus und hebt es dadurch aus dem Fließtext hervor?
Beginnen wir mit einem Beispiel. Ein Schriftsteller beginnt ein Kapitel in seinem neuen Roman mit dem Satz:
Sein Lektor erhebt Einwände. Er möchte das Wort Tagblatt
in Anführungszeichen setzen und begründet dies damit, daß Zeitungsnamen grundsätzlich in Gänsefüßchen stehen. Als Beweis schneidet er einen Artikel aus einer Zeitung aus und sendet ihn dem Schriftsteller zu:
Der Schriftsteller ist nicht einverstanden, deshalb legt der Lektor noch eine Reihe kürzlich erschienener Romane vor; darin stehen alle Zeitungsnamen in Anführungszeichen. Nun ergibt sich die Frage: Wer hat recht? Die Antwort lautet: der Schriftsteller.
Warum kann man hier so entschieden urteilen? Weil die Gänsefüßchen um Tagblatt
nichts zitieren. Anführungszeichen werden vielseitig angewandt, aber all diese Anwendungsweisen lassen sich auf eine einzige Funktion zurückführen: Das Anführungszeichen führt etwas an. Es zitiert etwas. Wo nichts zitiert wird, haben Anführungszeichen nichts zu suchen.
Deshalb stehen alle wörtlichen Wiedergaben in Anführungszeichen. Im Roman sind dies Dialog und Figurensprechen, im Journalismus das wörtliche Zitieren.
Bei allen anderen Fällen als der wörtlichen Rede, also vor allem überall dort, wo einzelne Wörter in einem Text durch Anführungszeichen hervorgehoben werden sollen, muß sich der Verfasser eines Textes darüber im klaren sein, ob der Text, an dem er schreibt, zu einer selbstreferentiellen oder zu einer nichtselbstreferentiellen Textgattung gehört.
Denn aus dieser Entscheidung leiten sich verbindliche Konventionen ab, die nicht von einer Textgattung auf die andere übertragen werden dürfen. Nur weil es im Journalismus üblich ist, die Namen andrer Zeitungen in Anführungszeichen zu setzen und damit als Quellen zu kennzeichnen, darf diese Konvention nicht in der Schönliteratur angewandt werden, denn hier werden Zeitungsnamen nicht als Quellen angeführt. Eine Zeitung ist in einem Roman keine Referenz, sondern ein Ding:
- Er entdeckte ein Bild von sich im Tagblatt.
- Er entdeckte ein Bild von sich in der Schublade.
Wir behandeln zuerst die referentiellen Texte (A), um zu verstehen, was konventionelles Auszeichnen ist, und dann die nichtreferentiellen (B), bevor zu den pragmatischen Anwendungen des Gänsefüßchens und des Kursivsetzens kommen (C), die für alle Texte gelten (nichtkonventionelles Auszeichnen).
A Selbstreferentielle Textgattungen
Die wichtigsten selbstreferentiellen Textgattungen sind wissenschaftliche Texte, journalistische Texte und alle Texte im Internet, wenn sie im Geiste des Internets geschrieben und echte Hypertexte mit Links sind. Diese Texte beziehen sich aufeinander. Deshalb findet man in solchen Textgattungen verbindliche Konventionen der Zitation und zwischentextlichen Bezugnahme.
A1 Wissenschaftliche Texte
Innerhalb der Gattung der wissenschaftlichen Texte beziehen sich die einzelnen Texte aufeinander. Es ist Konvention, den Namen anderer Forscher durch gesperrteExterner Link: Typografie der Kapitälchen bei Typografie.info. Kapitälchen auszuzeichnen. Dieser in Kapitälchen gesetzte Name referiert also auf eine andere Forschungsquelle. Im Zeitalter der Schreibmaschine zeichnete man mit Versalien aus, unterstrich oder durch S p e r r e n.
A2 Journalismus
Auch im Journalismus ist es üblich, andere journalistische Texte, die man als Quellen zitiert, auszeichnen. Hierbei wird der Name der anderen Zeitung kursiv ausgezeichnet oder in Gänsefüßchen gesetzt:
Die meisten Journalisten ahmen dies nur nach, ohne die Konvention verstanden zu haben, und setzen dann überschematisch auch Zeitungsnamen in Gänsefüßchen, die in ihrem Text gar keine Quelle bezeichnen, sondern ein normales Ding sind:
Auch im im folgenden Fall wird Tagesschau
schematisch falsch in Anführungszeichen gesetzt, obwohl sie bei beiden Erwähnungen Ding und nicht Quelle ist. Die Gänsefüßchen sind sinnlos.
Sie steht in der Klageschrift, mit der acht deutsche Zeitungsverlage juristisch gegen die „Tagesschau“-
Stefan NiggemeierApp [zudem falsche Wortbildung, siehe unten; richtig wäre: Tagesschau- App] vorgehen, und sie ist falsch. (…) Wenn die „Tagesschau“ ein Online- Angebot macht, das so aussieht wie ein Online- Angebot eines Verlages, muss es unzulässig sein.
A3 Internet
Ein Link ist im Internet traditionell und by default blau und unterstrichen. Das ist die Konvention.
Während wissenschaftliche und journalistische Texte aus chronologischen Gründen nicht wechselseitig aufeinander verweisen können, ist das Internet als Mutter der Selbstreferentialität dazu in der Lage, weil die Texte immer wieder geändert werden können.
B Nichtreferentielle Textgattungen
Diesen selbstreferentiellen Textgattungen stehen nichtselbstreferentielle gegenüber. Hier bezieht sich Text A nicht auf Text B. Es gibt keine hypertextuellen Verweise. Das hat zur Folge, daß es keine gattungsspezifischen Konventionen für Anführungszeichen und andere Auszeichnungsarten gibt. Die Gepflogenheiten aus Journalismus und Wissenschaft sind hier ungültig.
B1 Belletristik
Nichtreferentielle Texte sind Liebesbriefe, Notizzettel, die an Kühlschranktüren kleben, vor allem aber alles, was wir als Schönliteratur bezeichnen.
Der erste Satz eines Romans ist ein Big Bang. Er schafft ein fiktionales Universum, eine Erlebniswelt, die das reale Universum gänzlich ausfüllt. Daraus folgt, daß es nach dem Aufschlagen eines Romans keine anderen Romane und keine andere Wirklichkeit neben der Erlebniswelt dieses Romans mehr gibt.
Alles, wirklich alles, was in einem Roman existiert, wurde vom Autor erschaffen. Kommen der Eiffelturm oder Peer Steinbrück darin vor, dann handelt es sich nicht um den realen Eiffelturm und auch nicht um den echten Peer Steinbrück. Das beweist schon die Möglichkeit, daß der Autor als Schöpfer seinen Eiffelturm einstürzen oder doppelt so hoch sein lassen kann. Der fiktionale Peer Steinbrück kann Mitglied der FDP sein und stottern.
Ein Roman tut also so, als gäbe es keine anderen Romane außer ihm. Er kann sich deshalb nicht auf andere Romane beziehen. Das würde auch Empörung und Raserei bei den Lesern verursachen:
Kein Leser würde zur Bücherei aufbrechen, um in einem Sonett von Brecht nachzusehen, auf welche Empfindung der Erzähler referiert, um sie dann in seine Empfindungswelt einzusetzen.
Er erwartet, daß der Autor seine eigene Sprache findet, denn auch die Sprache wird im Roman neu erschaffen.
C Anwendungsfälle für Anführungszeichen und Kursivierung
Neben dem gattungsspezifischen Gebrauch der Anführungszeichen gibt es aber auch einen allgemeinen. Er gilt für alle Textsorten gleichermaßen.
Anwendungsfälle von Anführungszeichen und Kursivierung im Überblick:
Funktion des Anführungszeichens
Bevor wir die Anwendungsfälle aufführen, müssen wir uns Gedanken machen, welche Funktion das Anführungszeichen ausübt. Und hier ist die Regel, die Funktion, die hinter allen Anwendungsfällen wirkt:
Das hätten Sie nicht gedacht, oder? Wenn es schon so einfach ist, was führen Gänsefüßchen denn dann an? Eine andere semiotisch-
Ein Beispiel, das Ihnen sofort einleuchten wird, ist der Dialog in einem Roman. Ein Roman wird von einer Erzählstimme erzählt. Sie erzählt vom Handeln und Streben der Figuren im Roman und hat die Macht, eine Figur auch einmal selbst sprechen zu lassen. Hier der Anfang eines Romans:
Eines Tages, ich war schon alt, kam in der Halle eines öffentlichen Gebäudes ein Mann auf mich zu. Er stellte sich vor und sagte:
Ich kenne Sie seit jeher. Alle sagen, Sie seien schön gewesen, als Sie jung waren, ich bin gekommen, Ihnen zu sagen, daß ich Sie heute schöner finde als in Ihrer Jugend, ich mochte Ihr junges Gesicht weniger als das von heute, das verwüstete.Marguerite Duras: Der Liebhaber. Frankfurt 1985. Übersetzt von Ilma Rakusa.
Jeder Text hat eine Erzählstimme. Jeder. Wenn Sie einen Liebesbrief oder einen Einkaufszettel schreiben oder als Arzt ein Rezept ausstellen, dann sind sie zwar der Verfasser, aber nicht der Erzähler. Wo diese normale Erzählstimme eines Textes unterbrochen wird, damit ein anderer wörtlich zu Wort kommt, wechselt die Ebene der Erzählung. Der Erzähler führt an, was eine seiner Figuren sagt. Er zitiert sie.
Ein Beispiel aus dem Alltag:
- (1) Quietscheenten sind aber lustig.
- (2) Quietscheenten ist aber ein lustiges Wort.
Im ersten Fall ist von einem Ding (lateinisch: rēs
) die Rede, im zweiten von dem Namen des Dings (lateinisch: nomen
). Wenn wir ein Wort lesen, sehen wir normalerweise das Ding, das dieses Wort bezeichnet (Ebene der Dinge). Um anzuzeigen, daß über das Wort gesprochen wird und nicht über das Ding hinter dem Wort, zeichnet man dieses Wort aus:
- (1) Quietscheenten sind aber lustig.
- (2)
Quietscheenten
ist aber ein lustiges Wort.
Man spricht hier auch von Metasprache oder Metaebene. Hierzu eine Regel:
Das hat semiotische Gründe, die wir unten an Beispielen kennenlernen werden, aber auch typografische. Anführungszeichen stiften beim Lesen Unruhe, sie stören das Textbild; es ist schließlich ihre Aufgabe, den Lesefluß zu stören. Deshalb sollte man Anführungszeichen wirklich nur dann setzen, wenn der Wechsel der Sprechebene sonst nicht gleich zu erkennen wäre.
Gänsefüßchen oder Kursivsetzen?
In einem Text, den man benutzt und in dem man nachschlägt, zum Beispiel in einem Wörterbuch, gibt es viele Möglichkeiten des Auszeichnens.
In Lesetexten, vor allem Zeitungsartikeln und Romanen, erlauben die Regeln der Kunst der deutschsprachigen Schriftsetzerei nur das Anführungszeichen und die Kursivierung. Fettdruck, Unterstreichen und Sperren sind im Fließtext als Auszeichnungsmethoden nicht zulässig, ebenso Kapitälchen und Versalien.
Stehen einem beide Methoden zur Verfügung, zeigen Anführungszeichen laute oder sprechende Anführung an, die Kursivierung ist dagegen leise. Auch einfache Anführunsgzeichen sind leise.
Platz da!
rief Superman und stürmte durch die Tür.- Wörter wie
schon
/schon
kann man immer streichen.
C1 Metasprache und Auszeichnung in Einzelfällen
Ein Schriftsteller schreibt:
Hier wird auch der Leser innehalten, sich wundern und schließlich begreifen, daß der Kommissar gar nicht die Uhrzeit vergessen hat, sondern Abonnent der Zeitung Die Zeit
ist. Er muß also zum Beginn des Absatzes zurückkehren und die Handlung noch einmal anders erleben.
Das gilt es natürlich um jeden Preis zu vermeiden. Im Gegensatz zum Tagblatt
hat Die Zeit
einen sprechenden Namen. Hier muß zwischen dem Objekt Zeit
(die verstreichende Zeit) und dem Namen eines Objekts Die Zeit
(die Zeitung) unterschieden werden. Es handelt sich also um einen Wechsel von der Objektsprache (rēs
, Dinge) zur Namenssprache (nomina
, Zeichen).
In diesem Fall — und nur in diesem! — wird in einem Roman der Name einer Zeitung mit Anführungszeichen
oder durch Kursivieren ausgezeichnet. Denn hier wird etwas zitiert: der Name einer Zeitung.
Es kann auch in anderen Fällen nötig sein, darauf hinzuweisen, daß nicht nur ein Objekt genannt, sondern ein Name zitiert wird, und zwar immer dann, wenn der Name mit einem Objekt verwechselt werden kann: Die »Fregatte« war gegen Abend gerammelt voll
. Hier handelt es sich nicht um ein Schiff, sondern um den Namen einer Spelunke.
Das vorangegangene Beispiel zeigt die Aufgabe des Anführungszeichens und des kursiven Auszeichnens: Etwas wird ausdrücklich angeführt, also als Name genannt. Ein weiteres Beispiel:
- Er bestellte einen Espresso und dachte beim Trinken darüber nach, wie man
Espresso
in Italien wohl richtig aussprach. Dabei fiel der Löffel zu Boden.
Das Wort Espresso
kommt zweimal vor, zuerst als kochende schwarze Brühe und zuletzt als Vokabel. Weil der Espresso als Getränk ein Ding ist, genau wie der Löffel, steht er hier nicht in Anführungszeichen. Als Vokabel ist der Espresso allerdings kein Ding oder Objekt, sondern ein Name, der zitiert wird. Deshalb muß mit Gänsefüßchen ausgezeichnet werden — oder besser noch kursiv, denn hier wird nicht laut zitiert. Dadurch wird das Wort optisch und semiotisch aus der normalen Ebene des Textes herausgehoben.
Prägnant läßt sich das an diesem Beispiel vorführen:
- Espresso ist in aller Munde.
Espresso
ist in aller Munde.
Die erste Variante behauptet, daß der Espresso ein Ding ist, eine Brühe, die alle gerne trinken und deshalb ständig im Mund haben. Bei der anderen Variante kann es sein, daß noch niemand je Espresso getrunken hat. Dennoch haben alle den Begriff Espresso
als Vokabel im Mund. Sie reden darüber.
C2 Wörtliche Rede, Figurenrede und Zitat
Genau dies ist auch bei der wörtlichen Rede der Fall:
Ein Roman bewegt sich auf der Ebene der Erzählerstimme. Die Figuren erzählen nicht selbst, was sie gerade tun. Die Erzählstimme ist also die normale Objektebene.
Spricht eine Figur, steht der Erzähler vor der Wahl. Er kann darüber berichten:
- Gerlinde äußerte Zweifel.
Er kann die Äußerung der Figur indirekt wiedergeben (indirekte Rede):
- Gerlinde erwiderte, sie habe Zweifel.
Oder er kann die Figur selbst zu Worte kommen lassen (wörtliche Rede).
Da habe ich meine Zweifel
, sagte Gerlinde.
In diesem Fall unterbricht die Erzählstimme ihre eigenen Worte und zitiert (führt an), was die Figur wörtlich sagt. Dabei verläßt der Text die normale Objektebene und wechselt zu einer anderen, der Ebene der Zitation. Aus diesem Grund steht wörtliche Rede in Anführungszeichen: Der Erzähler führt die Worte eines anderen an, die einer Figur.
Wörtliche Rede findet sich in allen Textgattungen:
C2a Anführungszeichen in Überschriften
Anführungszeichen in Zeitungsüberschriften sind ein mißratenes Kind unserer Zeit und immer der Versuch, mangende Grundkenntnisse durch Pseudoakkuratesse auszugleichen: Kommt in einem Bericht oder Interview jemand zu Wort und soll eine prägnante oder provokante Äußerung daraus zur Überschrift werden, dann glauben heute viele Journalisten, die Überschrift mit Gänsefüßchen auszeichnen zu müssen.
Anführungszeichen erfüllen an dieser Stelle keinen Sinn. Überschriften dienen dem Zweck, über den Inhalt eines Textes zu informieren und in Zeitungen zum Lesen anzuregen. Wer was gesagt hat, erfährt man im Text selbst. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß in einem journalistischen Text Quellen zur Sprache kommen. Welchen Zweck erfüllt es, wenn Überschrften als Zitat gekennzeichnet sind? Keinen. Man erfährt ja ohnehin erst im Text, von wem die Aussage stammt. Gänsefüßchen haben in Zeitungsüberschriften nichts verloren.
Das gilt auch, wenn der Urheber genannt wird, was ohnehin die einzig wirklich akkurate Auszeichnung wäre:
C2b Wörtliches Schweigen
Selten, aber nicht unerhört, ist dieses seltsame Etwas:
Hier glaubt der Urheber, der Erzähler würde die Gedanken wörtlich sprechen lassen. Genau das ist aber nicht möglich. Gedanken können nicht sprechen. Tatsächlich kann der Erzähler nur berichten, was im Kopf der Kommissarin vor sich geht. Als Allwissender weiß er darüber Bescheid. Es handelt sich also in Wahrheit um einen indirekten Aussagesatz:
C2c Erlebte Rede
Dem Schriftsteller, aber keinem anderen, steht neben direkter und indirekter eine dritte Form der Figurenrede zur Verfügung, bei der sich die Figur durchaus selbst äußert, dabei aber nicht laut in der Szene spricht. Die Rede ist von der erlebten Rede:
- Gerlinde schüttelte den Kopf. Das war nie und nimmer wahr!
So ist es doch viel eleganter und eindringlicher, als wenn die Erzählstimme nur berichten würde, daß Gerlinde ihre Zweifel hatte. Aber wer spricht nun im zweiten Satz: Gerlinde oder die Erzählstimme?
Beide. Und das geht so: Bis auf den Ich-Erzähler hat zwar jede Erzählstimme Einblick in das Innere aller Figuren, aber sie kann dem Leser eigentlich nur berichten, was sie im Inneren der Figur sieht.
- Am anderen Morgen fühlte sich Gerlinde gar nicht wohl.
- Sie fühlte sich gar nicht wohl, dachte Gerlinde nach dem Aufstehen.
- Gerlinde glaubte ihm nicht.
Dieses Manko überwindet die erlebte Rede, indem sie Gerlindes Inneres wörtlich sprechen läßt:
- Gerlinde schüttelte den Kopf. Das war nie und nimmer wahr!
- Gerlinde schüttelte den Kopf. Nie und nimmer!
Wer seine Leser für Idioten hält, zeichnet erlebte Rede aus. Aber das ist narrativ falsch. Man packt schließlich auch kein Geschenk hübsch ein, um dann auf das Geschenkpapier zu schreiben, was darin ist. Die erlebte Rede ist ein Geschenk für den Leser, das er selbst auspacken muß. Wird sie markiert, verliert sie wie die Ironie (siehe unten) ihren Esprit und ihre Eleganz. Und natürlich ihre Eindringlichkeit.
Anführungszeichen wären hier zudem semiotisch falsch. Gerlinde spricht nämlich nicht selbst, es ist ihr Inneres, das durch den Erzähler als Medium zum Sprechen gebracht wird. Aber nicht laut. Gerlindes Inneres dringt nicht nach außen, der Erzähler zieht den Leser ins Innere von Gerlinde.
In der erlebten Rede wird also das Innere einer Figur zum Sprechen gebracht. Deshalb darf sie nur enthalten, was dort auch wirklich vorgehen kann:
- Absurd: Gerlinde betrachtete sich nach dem Aufstehen im Spiegel. Nein, sie würde ihr langes, blondes Haar auch morgen noch waschen können.
- Richtig: Nach dem Aufwachen betrachtete Gerlinde ihr langes, blondes Haar im Spiegel. Nein, das konnte sie auch morgen noch waschen.
Auch wenn Gerlinde beim Blick in den Spiegel langes, blondes Haar sieht, nimmt sie es nach fünfunddreißig Jahren natürlich nicht mehr war.
C2d Falsche wörtliche Rede
Der Schriftsteller schreibt:
Falsch wäre:
Es sei nebenbei angemerkt, daß aus weiter
kein Substantiv wird, nur weil ihm ein Adjektiv oder Pronomen vorausgeht. Es ist und bleibt ein Adverb und darf daher nicht großgeschrieben werden.
Denn hier wird nicht aus der vorangegangenen Frage zitiert, sondern einfach nur der Begriff weiter
wiederholt. Diese Epipher ruft Eindringlichkeit hervor.
Epiphern und Anaphern sind Redefiguren, bei der ein Begriff wiederholt wird; bei der Anapher am Anfang des Satzes, bei der Epipher am Ende.
Einen ähnlichen Irrtum findet man auch in diesem Beispiel:
- Richtig: Sie sagte ja.
- Falsch: Sie sagte
ja
.
Auch hier ist by the way nur Kleinschreibung richtig. Man sagt die Wahrheit oder nichts, aber nicht ein Ja.
- Richtig: Die Antwort lautet/ist nein.
- Falsch: Die Antwort lautet/ist
nein
. - Falsch: Die Antwort lautet/ist Nein.
- Doppelplusungut: Die Antwort lautet/ist
Nein
.
C2e Falsche wörtliche Rede im Bericht
Häufig trifft man in Zeitungen so etwas an:
Vergleichen Sie den Inhalt des Satzes mit der äußerlichen Auszeichnung. Hier wird nicht nur das Anführungszeichen ohne Sinn und Verstand angewandt, dem Verfasser fehlt zudem das Grundwissen, worin sich Bericht, wörtliche und indirekte Rede unterscheiden. Dies haben wir in unserem Tutorial über richtiges Zitieren und BerichtenTutorial: Richtig zitieren und berichten mit dem Konjunktiv 1 ausführlich behandelt.
Anführungszeichen versetzen das, was sie umschließen, von der Ebene der Dinge in die Ebene der Zeichen (Metaebene). Das Verbum von etwas sprechen
macht Willkürjustiz
aber ausdrücklich zu einem Ding. Die Ebene der Dinge wird also nicht verlassen.
Richtig kann also nur sein: … sprechen von Willkürjustiz
.
Ein starkes Beispiel für falsches Zitieren:
Grotesk ist daran, daß das zusammengesetzte Verb gespalten wird. Das Präfix los
soll wörtlich zitiert sein, der Rest wird
dagegen nicht. Die Gänsefüßchen sollen einen glauben machen, bei Bildblog arbeitete man im Gegensatz zur Bildzeitung ganz präzise. Werfen wir einen Blick auf die zitierte Quelle:
Die Quelle offenbart, daß nicht nur semiotisch, sondern auch journalistisch falsch zitiert wurde. Wird
kommt dort durchaus vor. Wie hätte es auch anders sein können? Nur nicht in derselben Stellung, und da will man bei Bildblog ganz präzise sein. Wer allerdings wie Bildblog Zitate als Fragmente in einen eigenen Satz einbaut, sollte ohnehin jeden Wunsch nach Authentizität fahren lassen.
Wörtliche Rede ist bei diesem Beispiel das falsche Mittel. Es schreit nach indirekter Rede mit dem Konjunktiv 1Tutorial: Richtig zitieren und berichten mit dem Konjunktiv 1:
- … und verriet, wie man(n) Intimhaare loswerde.
Aber noch lauter schreit es wegen eklatanter Zitierunwürdigkeit nach einem schnöden Bericht:
- … und verriet, wie man(n) Intimhaare loswird.
Haben Sie so den Eindruck, etwas verpaßt zu haben?
Das Beispiel von Bildblog endet mit einem zweiten Zitat, das man aber nur am schließenden Anführungszeichen erkennt, weil das öffnende fehlt. Vielleicht soll es durch die falsche Großschreibung ersetzt werden. Nun verwirren die sinnlosen einmontierten wörtlichen Reden bei Bildblog ohnehin schon mehr, als sie Klarheit bringen. Wenn die verkorkste Akribie dann nicht bis zum bitteren Ende durchgehalten wird und man beim Lesen anfängt, die Gänsefüßhen abzuzählen, ist alles dahin.
Wer wie Bildblog ständig wörtlich zitiert, obwohl der Wortlaut der Quelle unerheblich oder gar banal ist, tut dies eigentlich nur als manieriertes Stilmittel, das dem Leser Präzision und State of the Art im Journalismus vormachen soll.
Denn was bringt es dem Leser zu erfahren, daß die nichtssagenden Passagen wörtlich zitiert sind? Welcher Sinn liegt darin?
Wörtliche Zitate sollten sich auf solche Fälle beschränken, wo die Form der Aussage Anteil an ihrem Gehalt hat. Wenn die Bundeskanzlerin schlicht behauptet, sie wolle das Gesetz zur Abstimmung bringen, reicht ein Bericht.
- Die Bundeskanzlerin will das Gesetz zur Abstimmung bringen.
Bezeichnet sie dagegen Milliardenhilfen als alternativlos, zitiert man wörtlich, weil die Wortwahl Aufschluß über die der Äußerung zugrundeliegende Haltung der Kanzlerin gibt. In solchen Fällen zitiert man vollständig und fügt seine Bewertung danach an:
Milliardenhilfen und die damit verbundene Neuverschuldung sind alternativlos
, sagte die Bundeskanzlerin. Wer Schulden, die die finanzielle Stabilität unseres Staates gefährden, als alternativlos bezeichnet, kann nicht mehr ganz richtig im Kopf sein.
Wer ernsthaft zitieren will, berichtet nicht mit einem hineingewursteltem Zitat:
- Die Bundeskanzlerin bezeichnete die Milliardenhilfen und die damit verbundene Neuverschuldung als
alternativlos
.
Konstruktionen wie diese sieht man häufig bei unbeholfenen Journalisten. Anscheinend betrachten sie sie als elegant und flüssig. Davon kann jedoch keine Rede sein.
Es ist semiotisch falsch, weil alternativlos
durch das Verbum zum Ding wird und damit bereits lexikalisch als Zitat gekennzeichnet ist. Diese Dinglichkeit dann durch Anführungszeichen wieder aufzuheben und zu einem Zeichen (Metaebene) zu machen, ist kontraikonisch und verkorkst. Dieses Vorgehen zeigt, daß sein Verfasser seine journalistischen Mittel nicht im Ansatz versteht.
C2f Wörtliche Rede mit Inquit
Folgen in einem Erzähltext mehrere kurze Dialogzeilen aufeinander, kann es nötig sein, ein Inquit wie sagte er
einzufügen, damit der Leser nicht aus den Augen verliert, welche Figur gerade spricht. Hier Heiner Müllers Kurzdrama Herzstück
in leicht veränderter und dadurch leider auch deutlich verschlechterter Form:
In einem journalistischen Text muß es gar nicht so weit kommen. Sogar bei einer einzigen Rede muß deutlich werden, wer dies gesagt hat.
Bei wörtlicher Rede sind die allgemeinen Regeln der Syntax und Orthografie zu beachten. Bei …
… ist die wörtliche Rede ein Nebensatz und als solcher das Objekt des Hauptsatzes (Objektsatz). Was sagte er? Guten Tag! Weil die wörtliche Rede ein Nebensatz ist, darf sie kein anderes Satzzeichen als ein Komma enthalten. Ein Punkt darf innerhalb eines Satzgefüges aus einem Haupt- und einem oder mehreren Nebensätzen nicht stehen, dafür aber das Fragezeichen und das Ausrufezeichen, weil sie eine Frage oder lautes Ausrufen kennzeichnenVideo-Tutorial und Artkel zum Fragezeichen in direkten und indirekten Fragesätzen sowie die Frage, warum die Satzzeichen so aussehen, wie sie aussehen.. Das Inquit (sagte er) muß also folgen, bevor das Ende des Hauptsatzes erreicht wird.
Besteht die Rede der Figur aber aus mehr als einem Satz, so wird sie nach dem ersten unterbrochen und später fortgeführt.
- Richtig:
Ich weiß nicht
, sagte sie.Wir haben vielleicht doch nicht so viel gemeinsam.
- Falsch:
Ich weiß nicht. Wir haben vielleicht doch nicht so viel gemeinsam
, sagte sie.
Das falsche Beispiel ist deshalb falsch, weil sich innerhalb der wörtlichen Rede ein Satzzeichen befindet, daß die Rede gemäß den Grundsätzen der Zeichensetzung beendet, obwohl die Rede tatsächlich ja weitergeht.
Der Autor muß eine Möglichkeit finden, das Inquit nach dem ersten Satz der Rede einzufügen, die Rede dort zu unterbrechen. Dahinter kann er die Rede dann beliebig lang fortsetzen. Gerät er dabei in Schwierigkeiten, kann er die Personenidentifizierung vom notwendigen Übel zur Tugend werden lassen:
- Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn.
Ich weiß nicht. Wir haben vielleicht doch nicht so viel gemeinsam.
Syntaktisch falsch ist auch der Amerikanismus, das Satzgefüge nach dem Inquit mit einem Komma fortzuführen: Auch in Amerika ist dieses Phänomen noch jung und das Ergebnis von Gedankenlosigkeit und dem Wunsch nach pseudorealistischer Sprechgenauigkeit.
- Falsch:
Ja
, sagte sie,da haben Sie recht.
- Richtig:
Ja
, sagte sie.Da haben Sie recht.
Nach dem Inquit muß ein neuer Satz beginnen. Der Einwand, der Punkt würde eine ungewollte Zäsur zwischen den Redeteilen erzeugen, ist nicht stichhaltig. Punkte erzeugen keine Zäsur, das tun nur Gedankenstriche (Näheres gegen diesen Einwand im Tutorial zur Kommasetzung). Mehr zum richtigen Umgang mit Inquitformeln in wörtlicher Rede finden Sie im Video dieses Tutorials.
C2g Falsches Zitieren in indirekter Rede
Neben der wörtlichen (direkten) Rede kann man auch indirekt zitieren. Hierbei entfallen zunächst die Anführungszeichen, und der Satz wird vom Indikativ in den Konjunktiv 1Interner Link: Tutorial zum Konjunktiv (Video und ausführlicher Artikel) überführt. Dadurch wird dem Leser klar, daß alles — wirklich alles, jedes einzelne Wort — in diesem abhängigen Aussagesatz ein Zitat ist.
Darüber hinaus noch mit Gänsefüßchen im Konjunktivsatz herumzudoktern, ist falsch, bei schlechten Journalisten aber leider gang und gebe:
Oder:
Hier tritt die naive Vorstellung zutage, nur das Verb im Konjunktiv wäre indirekt, alle nichtverbalen Satzteile müßten zusätzlich noch in Gänsefüßchen gesetzt werden, damit auch sie als zitiert gelten.
Das ist Unsinn. Ein Satz wird allein dadurch, daß das Verb im Konjunktiv 1 steht, in Gänze zu einem indirekten Aussagesatz. Das lernt jeder Schüler im Englischunterricht, wenn es um reported speech
geht. Die nominalen Satzteile bleiben unverändert.
Man stelle sich vor, man möchte eine Handlung in der Vergangenheit beschreiben, und ließe es nicht dabei bewenden, das Verb ins Präteritum zu setzen, sondern setzte die nominalen Satzglieder zudem noch in Frakturschrift, damit auch sie in der Vergangenheit stehen.
Noch ein Beispiel:
Hier gibt es keinen Konjunktiv, aber eine gleichwertige Phrase: haben wollen
. Der Autor hält es für nötig, den Begriff Deal
in Anführungszeichen zu setzen, um zu kennzeichnen, daß er den Wortlaut des Vertreters zitiert. Dies tut jedoch bereits die Verbkonstruktion. Die Anführungszeichen sind also falsch, weil sie den Bericht mit einem Zitat verwechseln.
Es geht weiter:
Überträgt man dieses semiotische Konzept auf einen einfachen Satz, erhält man dies:
- Sein Name war
Peter
.
Als Leser fragt man sich, ob man einer Zeitung trauen darf, die die Welt der Objekte nicht von denen der Namen und Zeichen unterscheiden kann. Ist, semiotisch gesehen, nicht genau das die Kernaufgabe eines Journalisten?
Derartiges fanden wir auch anderswo im Hochfeuilleton:
Der Roman erzählt vor allem von einer Existenz, in der man einen ganz klassischen Typus erkennen kann, den Phänotyp des todessüchtigen und lebensuntüchtigen jungen Dichters, wie er seit den Tagen des „Sturm und Drang“ und der Frühromantik durch die abendländische Literatur geistert.
aus einem Feuilletonartikel
Klingt intelligent und gebildet, nicht wahr? Die Bildung des Verfassers entlarvt sich durch die Gänsefüßchen allerdings als Mimikry. Sturm und Drang
ist ein ganz normaler Begriff wie Romantik,
Klassik
und Moderne
. Wahrscheinlich stehen die Gänsefüßchen, weil der Ausdruck aus drei Wörtern besteht. Dadurch versagt beim Verfasser auch gleich der frühkindliche Spracherwerb: Er hält das Wort für indeklinabel. Besser wäre:
Hier wird die Wendung Sturm und Drang
als geschlossener Ausdruck gesehen und nur einmal am Ende mit einer Genitivendung versehen. So machen wir es bei Namen: Das Haus Peter Schmidts
und nicht das Haus Peters Schmidts
.
Bedenkt man aber, daß man auch von Stürmern und Drängern
spricht und nicht von Stürmer und Drängern
sowie von Dichtern und Denkern
und nicht von Dichter und Denkern
, sollte man besser beide Substantive deklinieren:
Es geht noch schlimmer. Hier ein Essay von einer Philosophieprofessorin. Auch wenn ihre Schwerpunkte woanders liegen, hat sie als studierte Philosophin bestimmt schon von der Lehre der Zeichen gehört. Dennoch schreibt sie in der FAZ:
Betrachte ich meine Arbeit, so ist die Antwort klar: In zweierlei Hinsicht hat das Netz meinen Schreibtisch verändert. […] Sogenanntes „Wissen“ ist in Überfülle vorhanden (…), das lädt zum Stöbern ein und setzt Vergleichsmaßstäbe. […] Wirklich gut geschriebene Netztexte sind meist digitale Duplikate von Gedrucktem. Das macht aber nichts, denn auch wer das Web „kreativ“ findet wird zugeben, dass es vor allem der Distribution von Vorhandenem dient - und der Rest ist Telekommunikation.
eine Philosophieprofessorin
Wohlgemerkt, der Verfasser ist Professor für Philosophie. Die erste Auszeichnung ist unsäglich. Sogenannt
macht den folgenden Ausdruck zu einem Ding, weil es das Sagens bereits lexikalisch kennzeichnet so genannt!
. Deshalb dürfen darauf keine Anführungszeichen folgen.
Die zweite Anführung soll offenbar kenntlich machen, daß hier mit authentischen Begriffen hantiert wird. So auch an anderen Stellen:
Grundsätzlicher scheint mir auch fraglich, ob das Internet im Alltag tatsächlich, wie man so sagt, „allgegenwärtig“ ist.
Hier sind die Anführungszeichen wieder sinnlos, weil ja bereits durch wie man so sagt
das Zitieren lexikalisch kenntlich gemacht wird. Und zu guter Letzt:
Wer von „Verschmelzung“ von Geist und Netz redet, hat die Rechnung ohne den Körper gemacht.
Im Text wimmelt es von so vielen Anführungen, daß man die wahre Intention des Verfassers ableiten kann: Es geht weniger um Zitation. Hier soll das, was über etwas ausgesagt wird, also die Prädikation oder Aussage selbst, markiert werden, obwohl die Syntax der Sprache diese Aufgabe längst erfüllt.
Dies ist das Motiv hinter den vielen Pommesbuden-Gänsefüßchen:
Mittagstisch hausgemacht
ist eine Verkürzung aus Der Mittagstisch ist hausgemacht
. Der Mittagstisch ist das Subjekt, das Partizip hausgemacht
das Prädikat, also die Satzaussage. Weil mit dem Prädikat etwas über den Mittagstisch ausgesagt wird, glauben Menschen, die wenig schreiben, daß die Satzaussage in Gänsefüßchen stehen müßte. Denn wo etwas gesagt wird, steht in geschriebenen Texten bekannt ein Anführungszeichen.
Darin besteht der Irrtum aller Pommesbudengänsefüßchen. Und wie wir sahen, herrscht er auch bei der FAZ. Das Prädikat eines Satzes ist als Aussage allerdings von ganz anderem Wesen als die wörtliche Rede.
Oft werden auch Appositionen in Gänsefüßchen gekleidet:
Das Phänomen "Manhattanhenge" ähnelt der Sonnwende im englischen Stonehenge: Die Abendsonne geht zweimal im Jahr genau in der Verlängerung der schnurgeraden Querstraßen von Manhattan unter und lässt alle Ost-
West- Straßen auf der Halbinsel leuchten. Katja Schnitzler, sueddeutsche.de
Manhattanhenge
ist der Name des Phänomens, grammatikalisch ist es eine Apposition zu Phänomen
. In der Wendung das Phänomen Manhattanhenge
kann das zweite Substantiv gar nichts anderes sein als eine Apposition. Und weil es keinen Artikel vor sich hat, muß das zweite Substantiv der Name des ersten sein. Es auszuzeichnen, erfüllt also keinen Zweck, denn die Benennung ist syntaktisch, nicht semiotisch. Der Satz bleibt auf der dinglichen Ebene. Hier mal das Prinzip des Beispiels auf einen anderen Fall angewandt:
- Doktor
Huber
Es gibt jedoch Fälle, wo Auszeichnung sein muß:
- Das Verbum
beugen
wird schwach gebeugt. - Das Verbum beugen kann ja jeder.
Wäre im ersten Satz nicht ausgezeichnet, würde man beugen
zunächst für ein normales Wort, also ein Ding, halten. Das Verbum spricht jedoch nicht selbst wie im zweiten Satz — es wird darüber gesprochen.
Also:
- Das Phänomen Manhattanhenge ähnelt der Sonnwende im englischen Stonehenge.
- Das Phänomen Lieben ist nicht zu durchdringen.
Wenn lieben
der Name eines Phänomens ist, muß es großgeschrieben werden. Verwechslung ist so ausgeschlossen.
Möglich und oft gut sind auch ältere Methoden des Auszeichnens, der genitivus explicativus oder lexikalisches Auszeichnen:
- das Phänomen des Liebens
- das Phänomen namens Lieben
C3 Auszeichnung als Lesehilfe
In einem Text kommen manchmal Begriffe vor, über die der Leser in vollem Schwung stolpern kann. Sie werden kursiv ausgezeichnet, damit der Leser bereits vor und nicht während des Wortes ins Stutzen kommt.
- Der Kommissar war stets à jour.
Durch die Auszeichnung wird die neutrale Objektebene ganz kurz verlassen und zur Ebene der Namen und Zeichen gewechselt. Das dadurch entstehende Beschwer wiegt leichter als Verwirrung.
Solche Begriffe treten meist nur einmal in einem längeren Text auf. Folgen aber weitere in kurzem Abstand, dann wird nur die erste Erwähnung ausgezeichnet. Sonst wimmelte es in einem Text vor Auszeichnungen, und das setzt seine Lesbarkeit und Homogenität stark herab. Der Leser bekommt außerdem den Eindruck, daß man ihn für einen Idioten hält.
Dies gilt vor allem für Übersetzungen. Wer einen spanischen Roman liest, muß damit rechnen, dort auf Schritt und Tritt spanischen Namen zu begegnen. Hier wäre Auszeichnung kontraikonischTutorial: Ikonizität in der Sprache, denn spanische Namen sind in einem spanischen Roman der Normalfall, Auszeichnung weist aber immer auf etwas Besonderes hin.
- Richtig: Jesús Corazon war in seiner Jugend Torero gewesen. Seit zehn Jahren arbeitete er als Buchhalter bei der Junta von Cádiz. Seine Wohnung lag in der Calle de los Reyes.
- Falsch: Jesús Corazon war in seiner Jugend Torero gewesen. Seit zehn Jahren arbeitete er als Buchhalter bei der
Junta
vonCádiz.
Seine Wohnung lag in derCalle de los Reyes.
C4 Betonung
Soll ein Wort besonders betont werden, kann man es kursiv auszeichnen. Zuvor sollte man sich allerdings fragen, ob die Betonung nicht durch Wortstellung zu erreichen ist.
Das Gänsefüßchen ist kein geeignetes Mittel, um Betonung zu markieren.
Ironische Gänsefüßchen
Beliebt sind Gänsefüßchen, wenn man etwas als ironisch kennzeichnen möchte. Allerdings ist das Resultat dann keine Ironie, sondern Hohn, denn das Wesen der Ironie ist die Verstellung und nicht die Kenntlichmachung.
Grammatikalisch und lexikalisch falsch ist der Gedanke der Teilironie. Hierbei wird bei einem Determinativkompositum nur der Bestandteil in Anführungszeichen gesetzt, den man für ironisch hält.
- Falsch: Keiner erwartet noch etwas vom ehemaligen
Vorzeige
-Minister. Wann tritt er endlich zurück? - In Ordnung: Keiner erwartet noch etwas vom ehemaligen
Vorzeigeminister
. Wann tritt er endlich zurück? - Besser: Keiner erwartet noch etwas vom ehemaligen Vorzeigeminister. Wann tritt er endlich zurück?
- So allein wirklich ironisch: Keiner erwartet noch etwas vom Vorzeigeminister. Wann tritt er endlich zurück?
Dieser Usus verrät, daß der Urheber die Wortbildung des Deutschen nicht verstanden hat: Nur weil der ehemalige Vorzeigeminister nicht mehr vorzeigbar ist, bleibt er bis zu seinem Rücktritt dennoch Minister, sagt sich der Verfasser und folgert fälschlich: Also ist nur das eine zu verhöhnen, das andere dagegen nicht zu bestreiten.
Nein. Es betrifft sehr wohl das ganze Wort. Ein nicht mehr vorzeigbarer Vorzeigeminister ist kein Vorzeigeminister mehr und nicht nur kein Vorzeige-. Das Wort trifft in seiner Gänze nicht mehr zu. Daß er dabei noch Minister ist, berührt das andere überhaupt nicht.
Aber auch die Anführung des ganzen Kompositums ist nicht gut. Der Ausdruck Vorzeigeminister
tut aus sich selbst heraus bereits kund, daß der Minister einst als Vorzeigeminister in aller Munde war. Es bedarf keiner zusätzlichen Auszeichnung mit Anführungszeichen. Die stehen nur da, wo man die Auszeichnung sonst nicht erkennen würde.
Falsche Wortkomposition
Der sondersame Gebrauch der Gänsefüßchen in der Wortbildung hat sich allerdings ganz allgemein eingebürgert:
- "Eier ab"-Attacke
- "Fair use"-Politik
- "Hartz IV"-Empfänger
- "Laissez faire"-Haltung
- "Darth Vader"-Maske
So beliebt er ist, er bleibt doch auf ewig falsch. Die Schreibung mit Anführungszeichen ist in vielfacher Hinsicht und außerdem fundamental unkorrekt. Das Gänsefüßchen ist kein Mittel der Wortbildung. Es hat hier ganz grundsätzlich nichts verloren.
Das gilt auch für das Leerzeichen: Zur Grundkonvention der deutschen Rechtschreibung gehört, daß Leerzeichen zwischen Wortende und Wortanfang stehen und nirgendwo sonst. Sobald ein Leerzeichen auftaucht, ist das Wort zu Ende. Ohne jede Ausnahme. Das Leerzeichen soll hier also das Gegenteil dessen verrichten, was seine einzige Aufgabe ist. Das umschließende Gänsefüßchen soll diese Verkehrung überwinden und das sinnlos Getrennte zusammenfügen.
Als einziges Zeichen kann der Bindestrich Wörter zu einem längeren Wort verbinden. Oder: In einem deutschen Wort können nur Buchstaben, Ziffern (20jährig), Bindestriche (wird am Zeilenende zum Trennstrich) und ApostropheTutorial: Der Apostroph vorkommen. Alles andere ist tabu.
Wie geht es richtig? Die Bestandteile des Wortes werden entweder unmittelbar aneinandergefügt (Fairusepolitik) oder mit dem Bindestrich verknüpft:
Falsche Wortkomposition mit Anführungszeichen im Vergleich zu korrekter Wortkomposition |
|
---|---|
Falsch | Richtig |
"Eier ab"-Attacke | Eier-ab-Attacke besser: kompletter Verzicht |
"Fair use"-Politik | Fair-use-Politik besser: Politik des Fair Use noch besser: Fair Use |
"Hartz IV"-Empfänger | Hartz-IV-Empfänger besser: Empfänger von Hartz-IV |
"Laissez faire"-Haltung | Laissez-faire-Haltung besser: das Laissez faire |
"Darth Vader"-Maske | Darth-Vader-Maske |
Das nennt man Durchkoppeln. Hat ein Autor Bammel, ob das Resultat ungelenk aussieht, dann hat er damit voll und ganz recht. Allerdings beruht das nicht auf den Durchkopplungs- und Wortbildungsregeln des DeutschenDurchgekoppelte Wortzusammensetzungen durchkoppeln, sondern auf seinem schlechtem Geschmack oder einer Unachtsamkeit. Eine Eier-ab-Attacke
wird durch keine Schreibung weniger eklig, wie auch all die anderen monströsen Instantkompositionen von Journalisten, etwa "Yes we can"-Mantra.
Das Laissez-faire
ist bereits eine Haltung, genau wie das Hanging-loose
und das Dolce Vita.
- Falsch: das "Yes we can"-Mantra
- Schlecht: das Yes-we-can-Mantra
- Besser: das Mantra
Yes we can!
- Oft noch besser:
Yes we can!
Fürchtete man sich vor zwanzig Jahren noch vor ungermanischen Romanismen wie den saisonalen Schwankungen
und den regionalen Disparitäten
, schlägt das Pendel der Geschmacklosigkeit heute in die andere Richtung aus: Jedes zufällige Zusammentreffen von Begriffen mündet in einem Kompositum. Ist von Homeland Security die Rede und wird dabei der Direktor erwähnt, ist er nicht der Direktor von Homeland Security, sondern zwanghaft der "Homeland-Security"-Direktor.
- Falsch: Der »Homeland Security«-Direktor ließ alle Turbanträger verhaften.
- Richtig: Der Homeland-Security-Direktor ließ alle Turbanträger verhaften.
- Gut: Der Direktor von Homeland Security ließ alle Turbanträger verhaften.
Die Lösung liegt in der Lösung:
- Präpositionalphrase: »Homeland Security«-Direktor → Direktor von Homeland Security
- Apposition: "Yes we can"-Mantra → das Mantra
Yes we can!
Ebenso falsch bleibt diese Wortbildung, wenn nur Gänsefüßchen fehlen: Martin Walser-Adaption
. Auch falsch ist Binnenzitation:
Die "Deutschland schafft sich ab"-Rezension in der FAZ war aber bissig.
Richtig wäre:
Die Rezension zum Buch
Deutschland schafft sich abin der FAZ war aber bissig.
Unverzeihlich sind Monsterkomposita in der Schönliteratur. Hier der schriftstellerische Offenbarungseid von Stephen King, vom deutschen Verlag zusätzlich mit falscher Wortbildung und Rechtschreibung ausgestattet:
Kam es gegen Ende der zweiten Halbzeit eines unentschieden stehenden Spiels zu einer Rangelei um den Ball, war die
Nein, du nicht, du kleine Schlampe, dieser Ball gehört MIR!-Stimmung geradezu greifbar.Stephen King: Die Arena. Seite 525. München 2011 (TB).
Der Satz ist schon im Original unfaßbar falsch konstruiert. Grammatikalisch lautet seine fade Aussage ist greifbar
. Aber ist das inhaltlich seine Aussage? Nein, sie liegt in dem, was Stephen King zu einem Nominalmonster macht und irgendwo versteckt. Das ist kein Einzelfall. An den Stellen, wo ein Schriftsteller das Innere sprachlich fassen muß und sein Handwerk auf die Probe gestellt wird, greift der King zum Nächstliegenden und schustert ein gigantisches Nomen daraus. Auch wenn Sprache und szenische Gestaltung nicht seine Stärken sind, hätte ein Lektor bei diesem ungelenken und geschmacklosen Treiben eingreifen müssen. Zum Beispiel so:
Drohte ein Spiel unentschieden zu enden, rangelten die Spielerinnen um Ball. Nein, du nicht, du kleine Schlampe, dieser Ball gehört mir! [erlebte Rede]
Typografie der Gänsefüßchen
In der Druckersprache hielt man sich lange an das Lateinische; noch heute sind Ausdrücke wie deleatur
(dies werde gelöscht) oder Pagina (Numerierung der Seiten) in Gebrauch. So sprachen die Drucker lange Zeit lateinisch vom signum citationis
, bis sich die deutsche Bezeichnung Gänsefüßchen einbürgerte. Sie rührt daher, daß die Glyphen an den Abdruck eines Gänsefußes im Lehm oder Schnee erinnern.
In der deutschen Orthotypographie, die ein Teil der Rechtschreibung ist, sind drei Anführungsformen zulässig: die klassischen Gänsefüßchen („…“) und zweierlei Arten der Guillemets (»…« und «…»).
Erstaunlicherweise haben die Gänsefüßchen
genannten deutschen Anführungszeichen aber gar keine Ähnlichkeit mit dem Fußabdruck einer Gans — dafür aber die nachfolgend besprochenen Guillemets
, die man gewöhnlich nicht Gänsefüßchen nennt. Oft wird der Begriff sogar als Gegenteil von Gänsefüßchen gebraucht.
Deutsche Gänsefüßchen
Das öffnende Gänsefüßchen hat im Deutschen die Gestalt einer Doppelneun und sitzt auf der Grundlinie, das schließende sieht wie eine Doppelsechs aus und hängt an der Oberlinie: ₉₉…⁶⁶
Fremdländische Gänsefüßchen
In jeder Sprache findet man andere Gepflogenheiten:
- Englisch: ⁶⁶O, wilt thou leave me so unsatisfied?⁹⁹ — ⁶⁶What satisfaction canst thou have tonight?⁹⁹ — ⁶⁶The exchange of thy love’s faithful vow for mine.⁹⁹ — ⁶⁶I gave thee mine before thou didst request it: And yet I would it were to give again.⁹⁹
- Schwedisch: ⁹⁹Jag blir galen, det är för fan jävlar inte sant. Sa hon det?⁹⁹ — ⁹⁹Ja, precis innan jag stack.⁹⁹ — ⁹⁹Hon är ju för fan inte klok din morsa.⁹⁹ — ⁹⁹En dag stryper jag henne.⁹⁹ — ⁹⁹Ja, gör det.⁹⁹
- Spanisch: ⁶⁶¡Seremos como el Ché!⁹⁹
Klassische Gänsefüßchen werden im Buch- und Zeitungsschriftsatz allerdings vermieden. Dies hat zwei Gründe: Erstens ähneln die Gänsefüßchen anderen Satzzeichen wie dem Komma und dem ApostrophDer Apostroph: Funktion und Anwendung, was zu Verwechslung oder zu einer Ballung von Zeichen gleicher Form führen kann.
Noch wichtiger ist allerdings ein anderer Nachteil: Klassische Gänsefüßchen stören den GrauwertExterner Link zu Grauwert auf Typografie.info des Satzspiegels. Hält man ein Buch mit ausgestrecktem Arm von sich, dann vermischen sich das Weiß des Papiers und die Druckerschwärze zu einer gräulichen Fläche. Die Schriftsetzerei strebt nach einem gleichmäßigen Grau. Gänsefüßchen führen jedoch zu hellen Flecken, weil die Glyphen sehr klein sind und viel weiße Fläche darüber und darunter verursachen, was zu dem Eindruck ungleichmäßiger Wortabstände führt.
Guillemets
Deswegen bevorzugt man im Schriftsatz sogenannte Guillemets (sprich: gii-mee). Im Gegensatz zu Gänsefüßchen ähneln sie tatsächlich dem Fußabdruck einer Gans:
Der Name Guillemets wird meist als Hommage an den Schriftsetzer Guillaume le Bé gedeutet. Guillaume, hat die Glyphen zum erstenmal als Anführungszeichen verwendet.
In Deutschland setzt man Guillemets am liebsten mit einwärts gewandter Spitze. Dies bringt den Vorteil mit sich, daß man den Abstand zwischen dem Guillemet und dem benachbarten Buchstaben nicht händisch zurichten muß.
Daneben ist gelegentlich aber auch die Manier mit auswärts gewandten Spitzen anzutreffen. Hier wendet sich die Seite der Glyphe mit der vollen Höhe dem benachbarten Buchstaben zu. Der Setzer darf nicht zulassen, daß sich die Zeichen berühren oder zu nahe kommen. Deshalb bleibt diese Variante Fällen vorbehalten, wo größere Sorgfalt angewandt und damit Geld und Zeit in Kauf genommen werden.
In den romanischen Ländern und in der Schweiz ist dies die Standardform. In Frankreich, wo man es in der Typografie luftig mag, ist es üblich, die Guillemets durch ein ganzes Leerzeichen vom Nachbarzeichen abzusetzen:
Weil die Variante »…« in Deutschland beliebt und verbreitet ist, die Variante «…» dagegen in Frankreich, spricht man meist von deutschen und von französischen Guillemets. Gemeint ist damit aber nur, daß diese als à la manière française
, jene als à la manière allemande
gelten. Es bedeutet nicht, daß Guillemets mit auswärts gewandten Spitzen in der deutschen Typografie falsch oder fremdländisch wären. Alle drei Arten, die klassischen Gänsefüßchen und die beiden Guillemets-
Falsche Anführungszeichen
In der Typographie und in der Typophilie gilt alles andere als falsch. Dies betrifft vor allem das "Zollzeichen" (aliter Sekundenzeichen), aber auch noch andere ´´windschiefe´´ oder >>brachiale<< Nachahmungen echter Anführungszeichen.
Man bedenke aber, daß Zollzeichen über ein Jahrhundert lang im Alltag gang und gäbe waren. Die Schreibmaschine und anfänglich auch die Textverarbeitungsprogramme boten gar keine andere Möglichkeit als das Zollzeichen. Heutzutage gibt es jedoch keine Entschuldigung mehr, in gedruckten und ausgedruckten Dokumenten falsche Anführungszeichen zu verwenden. Wer allerdings das Schriftbild einer Schreibmaschine nachahmt oder Schreibmaschinenschriften wie die Courier verwendet, darf umgekehrt nichts anderes als Zollzeichen verwenden, wenn es nicht pussyhaft aussehen soll.
Anführungszeichen in HTML
In gutem, das heißt semantischem HTML-Markup werden überhaupt keine Anführungszeichen verwendet. Die Zitation wird durch ein Tag
wie das q-Tag, das cite-Tag oder das blockquote-
Diese strenge Trennung zwischen Inhalt und Darstellung halten gerade große Webseiten selten durch. Spiegel Online verwendet seit jeher Zollzeichen, Zeit Online hat seine guten Vorsätze mit Guillemets nicht konsistent durchgehalten und vor kurzem aufgegeben. FAZ.net verwendet korrekte deutsche Gänsefüßchen.
Das Problem liegt darin, daß hier Autoren in einer großen Redaktion Artikel in einem Schreibprogramm verfassen und mit Markup-Tags überfordert wären. Die fertigen Texte durchwandern dann ein Content-
Man sollte erwägen, ob sich das Zollzeichen im Internet nicht auch in Bezug auf Typografie und Lesbarkeit besser eignet als herkömmliche Anführungszeichen. Denn niemand liest Internettexte sorgfältig durch. Man scannt den Text in seiner vertikalen Ausdehnung und springt dabei von einem visuellen Anhaltspunkt zum nächsten. Hier kann der fleckige Grauwert, den das Zollzeichen mit sich bringt, eine Hilfe sein.
Anführungszeichen vor Initial
Wie man vorgeht, wenn ein Absatz zugleich mit einem Anführungszeichen als auch mit einem Initial beginnt, wird im Artikel zur über die Typografie der Kursivierung besprochen.
Anführungszeichen und Satzzeichen
Orthotypografisch gibt es eines zu beachten, wenn Anführungszeichen auf Satzzeichen treffen: Endet die wörtliche Rede mit einem Ausrufe- oder Fragezeichen, wird sie in der Reformschreibung durch ein Komma vom übergeordneten Satz abgetrennt, in der klassischen Rechtschreibung dagegen nicht:
Heute ist es allgemein üblich, das Komma zu setzen. Wir möchten dennoch darauf hinweisen, daß wir die Idee der Rechtschreibreformatoren für fundamental falsch halten. Zunächst sei gesagt, daß der Primat der Zeichensetzung jahrhundertelang bei den Schriftsetzern lag, die früher weit mehr als Handwerker oder Indesign-User waren. Sie verstanden es, aus komplexen semiotischen und linguistischen Zusammenhängen einfache und konsistente Setzregeln zu schaffen.
Von dieser Bildung ist die Germanistische Linguistik, aus deren Milieu und Methodologie die Rechtschreibreform stammt, weit entfernt. Die Germanistische Linguistik ist der Teil der Germanistik, die sich mit Sprache beschäftigt. Seit das Setzerhandbuch vor einigen Jahrzehnten im Duden aufgegangen ist, bilden sich die Germanisten ein, professionelle Urteile über die Zeichensetzung abgeben zu können. Leider haben es die Schriftsetzer versäumt, die Germanisten darauf hinzuweisen, daß sie sich darin etwas vormachen.
Die Zeichensetzung des Deutschen ist das Resultat von jahrhundertelangem Wirken der Setzer. Und keinem anderen. Die Anhänger des Massenstudienfachs Germanistik haben leider weder die semiotische und pragma-
Das Fragezeichen und das Ausrufezeichen sind erweiterte Punkte. Sie erfüllen zunächst die syntaktische Aufgabe, die auch der Punkt erfüllt: das Beenden von Hauptsätzen. Deswegen enthalten die Glyphen einen Punkt als syntaktischen Unterbau:
Über dem Punkt steht beim Frage- und Ausrufezeichen ein Neuma, ein Wink, der darauf hinweist, wie der Satz zu betonen ist. Das ist der pragmatische Überbau.
Nach einem Punkt kann kein Komma stehen. Das gilt auch für das Frage- und Ausrufezeichen. Syntaktisch agieren sie wie Punkte. Beenden sie wörtliche Rede, das heißt werden sie von Anführungszeichen umschlossen, so ist die wörtliche Rede ein eingebetteter Hauptsatz. Nichts andres kann wörtliche Rede sein.
Wird die wörtliche Rede in einen anderen Hauptsatz eingebettet, bleiben das Frage- und das Ausrufezeichens in der klassischen Zeichensetzung wegen ihren unverzichtbaren Neumas erhalten.
Der Punkt dagegen erfüllt nur syntaktische Funktionen und verschwindet, weil die eingebettete wörtliche Rede syntaktisch das Objekt des übergeordneten Hauptsatzes ist. Da das Objekt ein Objektsatz ist, muß er vom Hauptsatz durch Komma abgetrennt werden.
- »Ich komme gleich«, sagte er.
Das ist zugegebenermaßen kompliziert. Aber die Setzer früherer Jahrhunderte müssen diese Gedanken genau so gedacht haben, da die Setzregeln anders nicht zu erklären sind. Daß diese Regeln den Punkt streichen, stattdessen außerhalb der Anführungszeichen ein Komma setzen, genau das aber bei Frage- und Ausrufezeichen nicht tun, ist semiotisch genial und aufs äußerste antiredundant. Keine einzige Information wird zweimal gegeben. Antiredundanz war in den letzten Jahrhunderten die oberste Maxime der deutschen Zeichensetzung. All das war das Werk der Setzer.
Die germanistischen Reformatoren haben dies nicht im Ansatz verstanden und festgelegt, daß überall ein Komma auf die Anführung folgt:
Das ist mindestens mehrfach redundant, wenn nicht gar kontraikonisch: Erstens kann nach einem Fragezeichen kein Komma stehen, solange das Fragezeichen einen Punkt enthält. Zweitens kann das Komma dem Leser keine Information mitteilen, die ihm nicht auch der Umstände verriete, daß das folgende Wort fragte
kleingeschrieben wird.
Das ist mehr als ein dümmliches Ärgernis: Die reformierte Kommasetzung verstößt gegen die Grundmaximen der Zeichensetzung. Sie verändert das Wesen der Zeichen, ohne es zu bemerken.