Der Apostroph
zeichensetzung
Wie verwendet man den Apostroph? Beim Anwenden dieses Satzzeichens kommt man manchmal ins Grübeln: Grimm’sche Märchen oder Grimmsche Märchen? DVD’s oder DVDs?
Dauer: 20 Minuten.
Was bedeutet Apostroph
?
Was bedeutet der Begriff Apostroph
und wie wendet man ihn als Satzzeichen – oder besser: Wortzeichen – an? Der Apostroph ist wie alle Satzzeichen ein Zeichen, und wie alle Zeichen zeigt auch dieses auf etwas. Dieser Verweis ist immer eindeutig und niemals mehrdeutig.
Der Apostroph hat wie alle Satzzeichen eine einzige Idee und Aufgabe: Er zeigt an, daß ein Laut oder Buchstabe ausgelassen wurde. Wird kein Buchstabe ausgelassen, darf kein Apostroph stehen.
Was bedeutet der Begriff Apostroph
?
Der Begriff Apostroph
stammt aus dem Griechischen und geht auf das griechische Adjektiv ἀπό-στροφος (apó-strophos) abgewandt, abgewendet, vertrieben, verdrängt
zurück. Der Apostroph zeigt als Schriftzeichen also darauf, daß etwas verdrängt wurde. Dies kann ein einziger Laut oder Buchstabe sein, mehrere Laute oder auch eine ganze Silbe:
- dieser heil’ge Eid
- So ’n Mist!
- D’dorf und K’Lautern
Anwendung des Apostrophs
Aus der Begriffsbestimmung können wir sofort die Regel ableiten, die bei allen Zweifelsfällen ausreicht, um zur richtigen Entscheidung zu gelangen:
Der sächsische Genitiv im Englischen
Beginnen wir mit der Mutter aller Apostrophe: dem sächsischen Der Unterschied zwischen Niederdeutsch und Hochdeutsch wird im Tutorial zur Wendung aussen vor
erklärtTutorials zum Genitiv im Überblick">Genitiv. Sächsischer Genitiv heißt der Genitiv des Englischen deshalb, weil in altenglischer Zeit das Sächsische im Süden Britanniens der vorherrschende Dialekt gegenüber den anglischen (nicht-A hard day’s night, St John’s College, Man’s fate
.
Auf den ersten Blick könnte man glauben, der Apostroph trennt Wortstamm und Endung voneinander ab. Warum schreibt man dann allerdings nicht auch
oder ten day’s in prison
?he want’s to life forever
Der Apostroph findet sich dafür in anderen Formen wie We’ll see!
oder Don’t touch it!
. Jeder weiß, daß er in diesen Fällen das Auslassen von Lauten anzeigt: We will see!
oder Do not touch it!
Um genau die gleiche Auslassung handelt es sich beim sächsischen Genitiv:
Entstehung des sächsischen Genitivs im Englischen | |||
---|---|---|---|
Kasus | Modernes Englisch | Altenglisch | Deutsch |
Nominativ | day | dæg | Tag |
Akkusativ | day | dæg | Tag |
Dativ | day | dæg∙e | Tag(∙e) |
Genitiv | day’s | dæg∙es | Tag∙es |
Der Vergleich zwischen heutigem und altem Englisch zeigt, daß dem ∙s
einst ein e
vorausging. Wie im Deutschen. In allen altenglischen Dialekten findet sich hier ein Vokal (∙es/∙æs/∙as)
. Der Apostroph im sächsischen Genitiv zeigt an, daß dieser Vokal elidiert (herausgestrichen) wurde.
Der Begriff Sächsischer Genitiv
bezeichnet also den altsächsischen Genitiv mit der Endung ∙es
im Gegensatz zum analytischen Genitiv mit der Präposition of
.
Auch hier ist der Apostroph also nichts andres als ein Auslassungszeichen, das sich in der englischen Rechtschreibung hartnäckig hält. Es dient heute dazu, den Genitiv schnell von der Mehrzahl zu unterscheiden.
Das gilt auch für das französische aujourd’hui
heute
, das sich aus au jour de hui
entwickelt hat. Hier zeigt der Apostroph also den Ausfall von e
an wie auch in coup d’état
oder L’état, c’est moi
.
Apostroph im Genitiv von Wörtern auf ∙s
: Marx’ Kapital
Starke männliche und sächliche Substantive bilden den Genitiv im Deutschen mit der Endung ∙(e)∙s
: des Mannes, des Hauses
.
Weibliche Substantive haben dagegen nie ein s
im Genitiv: der Gabe, der Frau, der Liebe
. Nur weibliche Vornamen haben Genitive mit s
: Lisas Auto
. Das ist noch nicht lange so. Im Mittelalter bildete der Name Krimhilt
den starken weiblichen Genitiv Krimhilde
.
Endet der Wortstamm mit dem Laut s
, geht man bei Substantiven im Genitiv mechanisch vor: des Hauses, des Hasses, des Atlasses
. Anders ist es bei Personennamen. Hier steht statt der Endung ein Apostroph:
- Hans’ Haus
- Karl Marx’ langer Bart
Das Deutsche möchte bei Namen Formen wie Hanses Haus
oder gar Hanss Haus
vermeiden. Es elidiert (streicht) daher das s
der Genitivendung und zeigt dies durch einen Apostroph an.
Klausens Haus
: Schwache Endung statt Apostroph
Früher umging man Apostrophierungen wie in Hans’ Haus
durch die doppelte Genitivendung ∙en∙s
: Hansens Haus
.
Die Endung ∙en
stammt aus der schwachen Substantivdeklination, die Endung ∙s
aus der starken.
Da im Neuhochdeutschen alle Vornamen stark gebeugt werden, kann die schwache Genitivendung hier zur Beseitigung des Lautproblems hinzugefügt werden.
Umgekehrt ist an das schwache Substantiv Buchstabe
im Genitiv die starke Endung an die schwache getreten, um den Genitiv eindeutiger zu machen: Buchstab∙en∙s
.
Wikipedia schreibt hierzu:
Sollen stilistisch unglückliche Genitive auf Eigennamen mit einem abschließenden s-Laut wie „Klaus’ Freund Thomas“ vermieden werden, kann man auf die veraltete Genitivbildung mit -ens zurückgreifen: „Klausens Freund Thomas“.
Wikipedia
Nein. Erstens bilden Wörter auf ∙s
bilden keine unglücklichen Genitive, zweitens kann man im Gegenwartsdeutschen nicht mehr auf ∙ens
zurückgreifen, ohne altertümelnd zu wirken.
Diese ältere Endung ∙en(s)
besteht aus der schwachen Genitivendung ∙en
, der bei männlichen Namen noch die starke Endung angefügt wird. Im Mittelalter konnten Personennamen nicht nur wie heute stark gebeugt werden, sondern auch schwach: Er liebte Lotten über alles.
Weil dies heute nicht mehr möglich ist, muß die Endung ∙en(s)
bei Eigennamen befremden.
Wikipedia rät:
Ferner ist umgangssprachlich in diesem Fall auch die Umschreibung mit „von“ möglich (analytische Formbildung).
Wikipedia
Nicht nur in der Umgangssprache! Natürlich auch im Schriftdeutschen und in der Dichtersprache. Man kann es überall und jederzeit tun.
Apostroph versus Bindestrich
Anscheinend hat Wikipedia nicht verstanden, daß der Apostroph in Hans’ Haus
die Elision der Endung des Genitivs anzeigt:
Grammatisch korrekt ist die Nutzung des Apostrophs an dieser Stelle allerdings schon, es handelt sich hier um den Stammformapostroph. Dieser ist ein optionales diakritisches Zeichen.
Wikipedia
Die Bildung mit apokopierter (abgeschnittener) Genitivendung ∙s
nach einem Stammauslaut auf ∙s
ist nicht nur allerdings schon
grammatikalisch korrekt, sondern die einzig korrekte Bildung schlechthin, wenn man den Genitiv nichts ganz aufgeben will.
Der Begriff Stammformapostroph ist eine Ad-hoc-Theorie und wie alle Ad-hoc-Erklärungen falsch. Hinter ihm steht der Irrtum, der Apostroph hätte neben seiner Rolle als Auslassungszeichen noch die eines Stammverdeutlichungs- oder Wortgliederungszeichens. Sollte es ein solches Zeichen geben, dann kann es nur der Bindestrich sein. Der Stammformapostroph existiert also nur als Irrtum.
Ein Beispiel:
- Wie viele E’s (oder: e’s) enthält das Wort Eberesche?
- Wie viele E-s (oder: e-s) enthält das Wort Eberesche?
Die erste Variante ist falsch, die zweite richtig. Will man an E
als Namen eines Buchstabens eine Endung anhängen, dann verbindet
man E
mit der Endung s
. Für Verbindungen
ist einzig und allein der Bindestrich zuständig. Man stelle sich vor, Satz- und Wortzeichen oder gar Verkehrszeichen hätten mehr als eine Bedeutung: Das Stopzeichen würde einmal Hier anhalten!
und ein andermal Weiterfahren!
bedeuten.
Da in E’s
kein Laut oder Buchstabe ausgelassen (elidiert) wurde, sondern zwei Dinge miteinander verknüpft werden, hat der Apostroph hier nichts zu suchen. Diese Möglichkeit überhaupt in Betrach zu ziehen, beruht auf einer falschen Generalisierung von englisch day’s
.
Ein gute Lösung ist übrigens die Siglenschreibung:
- Wie viele E enthält das Wort Eberesche?
Wir sprechen zwar den Namen des Buchstabens /ees/, denn Wörter auf Vokal Autos, Ygis, Gurus
haben den Plural auf ∙s
, benutzen E
aber als Sigle für den Buchstaben E
. Mehr über die SiglenschreibungSiglenschreibung von Akronymen und Buchstabennamen.
Lkw’s, DVD’s und Susi’s Haarstudio
Kann man den Apostroph bei Akronymen und Abkürzungen verwenden, wenn sie eine Endung haben, die geschrieben werden soll?
Wo wenig geschrieben und gelesen wird, findet man den wikipedesken Stammformapostroph: Kaufe Pkw’s und Unfälle!
Hier steht nicht das Mißverständnis des Aphostrophs im Vordergrund, sondern ein Mißverständnis der Wortbildung im allgemeinen.
Fälle wie bleib’t
, recht’s
und Steve Job’s
zeigen, daß alles, was nach einer Flexionsendung riecht, als Ausnahmefall betrachtet wird.
Das passiert aber nicht nur Gebrauchtwagenhändlern, sondern auch Literaturkritikern im Hochfeuilleton:
In Zeiten in denen Journalisten Blogger verklagen, die Artikel auch nur auszugsweise auf Ihren Seiten veröffentlichen, kommt eine Autorin daher, strg-c-strg-v’t sich einen Roman zusammen und wird dann auch noch von der Presse dafür gelobt, weil die Presse sich das von ihr ernannte Wunderkind nicht vergraulen will. Das ist doch schon sehr durchsichtig.
Macht man aus einer solch abenteuerlichen Konstruktion ein Verb, was durchaus möglich ist, dann wird die Endung korrekt durch einen Bindestrich angefügt: strg-c-strg-v-t
.
Auch bei mit Versalien geschriebenen Akronymen wird die Endung unmittelbar angefügt, wenn man phonetisch schreibt: DVDs
. Bedenke: Der Apostroph kann niemals etwas trennen oder verbinden.
Grimm’sche Märchen
oder Grimmsche Märchen
?
Das Suffix ∙sch
ist eine Verkürzung von ∙isch
, das im Althochdeutsch noch ∙esc
lautete. So ist aus mennisco(n)
das heutige Mensch
geworden (also wörtlich Männischer
oder Menschischer
). Später, als man ∙sc-
bereits als sch
aussprach und schrieb, gelangte dasselbe Suffix noch einmal aus dem Romanischen ins Deutsche: kafkaesk, kafkaesque
.
Wird das i
in einem Adjektiv fallweise synkopiert (gekürzt), wird dies genau wie sonst durch einen Apostroph kenntlich gemacht:
- O, ird’sche Vergänglichkeit, warum verfolgst du mich?
- In diesen heil’gen Hallen ist der Boden spiegelglatt!
Hängt man ∙sch
jedoch an einen Eigenannmen, wird nie ein Apostroph gesetzt: die Grimmschen Märchen und die Schröderschen Reformen.
Firmennamen wie Profalla’sche Rachenputzerdestillerie
, bei denen ein Apostroph steht, obwohl nichts ausgefallen ist, zeigen, daß der Apostroph hier einst gesetzt wurde, um das Morphem vom Eigennamen optisch zu trennen. Diese Praxis war im 19. Jahrhundert gang und gäbe, bis ihr vor einem Jahrhundert das Handwerk gelegt wurde. Es dauerte aber oft noch Jahrzehnte, bis alle alten Geschäftspapiere aufgebraucht waren.
Der Irrtum, der Apostroph könnte ein Wort segmentieren, stammt wohl vom sächischen Genitiv. Obwohl der Apostroph hier eigentlich nur den Ausfall eines e
andeutet (dæges
→ day’s
), breitete sich das Bild, Endungen würden durch Apostroph abgesetzt, in den Köpfen aus, in deutschen Köpfen auch für Mehrzahlformen wie DVD’s
(siehe oben).
Ein Grimmsches Märchen
oder ein grimmsches Märchen
?
Warum schreibt man kafkaesk
klein, aber die Grimmschen Märchen
groß?
Eins vorweg: Nach Paragraf 62 der amtlichen Rechtschreibung schreibt man alle Bildungen aus Eigennamen und dem Suffix ∙sche
klein, so wie auch die Bildungen mit ∙isch
, wie zum Beispiel platonisch
. In alter Rechtschreibung schreibt man platonisch
, aber Grimmsch
, denn es gibt einen Unterschied zwischen beiden Ausdrücken: Die grimmschen Märchen sind immer nur die Märchen, die die Gebrüder Grimm selber verfaßt haben, bei platonischer Liebe dagegen ist es nicht Platon, der liebt, sondern jedermann.
Warum aber schreibt man in alter Rechtschreibung groß, wo Grimmsch
doch auf jeden Fall ein Adjektiv ist?
Aus dem Gebrauch von Majuskeln (Großbuchstaben) im Satz zur Hervorhebung entwickelt sich im 16. und 17. Jahrhundert die kategorische Großschreibung von Substantiven. Bis dahin wurden auch Adjektive großgeschrieben, nicht immer, aber besonders gern im Süden (Oberdeutsch) und fast immer bei Adjektiven auf ∙isch
. Mit der kategorischen Großschreibung der Substantive endet die Tradition der Adjektivgroßschreibung. Nur Adjektive auf ∙isch
wurden so notorisch großgeschrieben, daß man damit nicht aufhört.
Im 20. Jahrhundert gilt: Frei verwendbare Adjektive wie platonisch
enden auf ∙isch
und werden kleingeschrieben, nicht frei verwendbare in der Rolle eines Genitivattributs werden großgeschrieben: Grimms Märchen
und Grimmsche Märchen
.
Zuletzt noch eine Warnung vor einem Fehler in der amtlichen Rechtschreibung. Paragraf 62 erlaubt auch die Großschreibung, wenn ein Apostroph verwendet wird: Grimm’sche Märchen
. Das ist Unsinn und germanistisch-
Unsere Empfehlung:
Stilistisch falsche Verwendung von ∙sche
Eine neue Manier unter Journalisten ist das Bildungselement ∙sche
mit oder ohne Apostroph, wo nichts andres als ein normaler Genitiv richtig sein kann:
Das Logo erinnert durchaus an das Topmodel-Logo von Klums Show. Allein, im Raab’schen Design geht es nicht ganz so mager zu wie bei Model-Mama Heidi.
Ganz recht, dieses Zitat haben wir tatsächlich auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung gefunden und nicht bei Prosieben, dem Sender, wo Sie, ein ganz normaler Mensch, Die Stars!
treffen können.
Zunächst zur Orthografie: Auch wenn ∙sche
auf ∙ische
zurückgeht und vor langer Zeit ein Laut ausgelassen wurde, so kann synchron, also im heutigen Sprachsystem, keine Rede von einer Auslassung sein. Die Schreibung mit Apostroph ist also falsch. Deshalb schreiben wir nicht Deut’schland
.
Schlimmer ist jedoch, daß ∙sche
überhaupt verwendet wird. Seine Aufgabe besteht darin, Namen in Adjektive umzuwandeln, die dann als Attribut verwendet werden. Adjektivttribute schildern EigenschaftenTutorial: Falsche Verwendung des Adjektivs., die im Vergleich zur Satzaussage permanent sind: Sie müssen also bestehen, bevor die Handlung der Satzaussage beginnt.
Gerade Ableitungen auf ∙sche
, die formal Adjektive sind, inhaltlich aber Genitivattributen Raabs Design
gleichgestellt und deshalb großgeschrieben werden, stellen eine besondere Bedingung: Name Raab
und Bezugswort Design
müssen eine Institution sein, um eine Ableitung mit ∙sche
zu bilden. Das ist bei beim Design von Stefan Raab nicht der Fall: Design und Handlung zugehen
entstanden zugleich.
Das Problem ist nicht die Zweckentfremdung an sich. Die kann Besonderes hervorbringen — vorausgesetzt sie bleibt etwas Besonderes. Der Artikel, aus dem das Beispiel entnommen wurde, zeugt allerdings vom Bemühen, nichts auszulassen, um den Text aufzupeppen. Das Ergebnis solcher Manierismen ist stets unästhetisch.
Wie geht es besser? Wortkomposition macht alles nur noch schlimmer: im Raab-Design
. Möglich sind:
- Raabs Design
- das Design von/bei Raab
Apostroph in Dialekt und Umgangssprache
Vorsicht ist geboten, wenn sich Apostrophe in einem Text häufen. Dazu verleiten vor allen Texte in Dialekt oder Umgangssprache.
Dialekt ist keine verkümmerte Hochsprache! Wo im Dialekt Laute fehlen, die es in der Hochsprache gibt, bedeutet das nicht, daß der Laut apostrophiert wurde. Es hat ihn im Dialekt nie gegeben.
Ein Beispiel: Bairisch redn
ist keine Verkürzung aus standarddeutsch reden
. Der Dialekt läßt hier kein e
aus, deswegen wäre auch die Schreibung red’n
falsch. Für Dialekt gibt es keine geregelte Orthografie, aber meist ein oder mehrere Schreibsysteme. Sie sollen darauf gründen, wie der Dialekt wirklich klingt und sich nicht an der Orthografie des Standarddeutschen orientieren. Deshalb gibt es bei guter Niederschrift von Dialekt eigentlich keine Apostrophe.
Dasselbe gilt auch für Figurensprache im Roman, aber eigentlich nur für Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch. Amerikanische Schriftsteller hegen eine sonderbare Liebe dafür, ihre Figuren sehr umgangssprachlich sprechen zu lassen und das auch so niederzuschreiben:
“Lookin’ good, Hoyt!” said Vance as he approached the urinals. “Lookin’ good!”
[…]
“Hey, Hoyt,” [sic!] said Vance, who now stood before a urinal, “I saw you upstairs there hittin’ on that little tigbiddy! Tell the truth! You really, honestly, think she’s hot?”
“Coo Uh gutta bigga boner?” said Hoyt, who was trying to say, “Could I get a bigger boner?” and vaguely realized how far off he was.Tom Wolfe: I Am Charlotte Simmons
Oder:
Vie count wha’? Oh gimme a
break.Tom Wolfe: I Am Charlotte Simmons
In Europa ist es zum Glück unüblich, Leser seitenlang mit banalen Dialogen in pseudorealistischer Umgangssprache zu tyrannisieren, und wird als unbeholfenes Mittel angesehen, Authentizität zu schaffen. Die literarischen Mittel von Tom Wolfe erschöpfen sich also in Apokopen, und KursivierungenKursivierung und Anführungszeichen zur Betonung, denn für Tom Wolfe ist es ganz wichtig, daß der Leser nicht übersieht, wo die interessanten Figuren ihre wichtigen Sätze genau betonen. Apokopen sind Verkürzungen, die durch Apostroph dargestellt werden.
In Europa dürfen Figuren nicht so (scheinbar) ungefiltert sprechen. Sie sprechen phonetisch und lexikalisch standardsprachlich, denn zwischen Dichtern und Lesern herrscht Einvernehmen darüber, daß literarische Dialoge zwar erzählerisch für Gespräche in der wirklichen Welt stehen, diese aber in Struktur (dramatisch-
Deshalb kommen Apokopierungen und Apostrophierungen eigentlich nur in Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch vor. Dem Übersetzer bleibt leider nichts anderes übrig, als zu übersetzen, was im Original steht. Nur bei Übersetzungen schwedischer Krimis wird die anspruchslose Alltagstagsprosa des schwedischen Originals nicht selten systematisch aber unterderhand auf das Niveau gehoben, das deutschsprachige Leser bei einem Roman erwarten.
Imperative mit Apostroph
Der Imperativ endet im Deutschen niemals mit einem Apostroph.
Einige Imperative haben im Deutschen die Endung ∙e
, andere nicht. Die Regeln dafür könnten heutzutage nicht einfacher sein: Alle Verben enden hochsprachlich im Imperativ der 2. Person Singular auf ∙e
. Ob das Verb stark schwimme, schwamm, geschwommen
oder schwach sage, sagte, gesagt
gebeugt wird, ist dabei ohne Belang.
- fahren → fahre!
- hören → höre!
- trinken → trinke!
Nur wenn die Wurzel eines starken Verbs im Imperativ einen anderen Vokal hat als der Infinitiv, wird kein ∙e
angehängt:
- geben → gib!
- helfen → hilf!
- brechen → brich!
- dreschen → drisch!
Wenn in der Befehlsform aus ∙e∙
ein ∙i∙
wird, hat der Imperativ hinten kein ∙e
. So einfach ist das.
Das gilt jedenfalls für sehr korrektes Deutsch. Im Alltag ist es noch einfacher: Wenn der Vordermann an der Ampel bei Grün nicht gleich losfährt, ruft niemand Fahre doch!
. Man ruft Fahr doch!
.
Das ist bei den Verben kommen, lassen, sehen
sogar zwingend so. Man sagt und schreibt: Komm doch! Laß es bleiben! Sieh dir das an!
An festen Wendungen sieht man, daß auch diese Verben einst eine Endung ∙e
hatten:
- Lasse ab von der Sünde!
- Siehe a.a.O., Seite 97.
Im Alltag wird die Endung ∙e
grundsätzlich und nicht etwa außergewöhnlicherweise weggelassen. Deshalb wird nie ein Apostroph gesetzt. Der Apostroph gehört im Deutschen dorthin, wo man den Ausfall eines Lauts oder eines Zeichens nicht erwartet.
Der endungslose Imperativ ist im Deutschen heute Standard. Man sollte also auf jeden Fall Schrei vor Glück!
schreiben. Vielleicht hat sich Zalando darum gesorgt, daß man schrei
ohne Apostroph mit dem Substantiv der Schrei
verwechseln könnte.
Diese Sorge ist unbegründet — erstens wegenTutorial: 'Wegen' mit Genitiv oder Dativ? dem Ausrufezeichen und zweitens, weil der Claim aus zwei Befehlen besteht, die parallel gebildet sind. Eindeutiger geht’s gar nicht!
Typografie des Apostrophs
Wie wird ein Apostroph typografisch richtig verwendet? Welche Gestalt hat der Apostroph-Zeichen? Orthotypographisch hat der Apostroph im Deutschen die Gestalt einer hochgestellten 9Externer Link: Unicode-Zeichen ansehen. Dieses Zeichen wird als Anführungszeichen bezeichnet, ist aber ideal als Apostroph für deutsche und englische Texte.:
Im normalen Geschäftsbetrieb kann man durchaus das Zeichen verwenden, das gesetzt wird, wenn man auf der Tastatur die Umschalttaste und die Taste # drückt. Schließlich wurde dieses MinutenzeichenExterner Link: Unicode-Zeichen ansehen. Dieses Zeichen wird Apostroph genannt, sollte aber nicht als Apostroph verwendet werden. mehr als ein Jahrhundert lang in allen Dokumenten als Apostroph verwendet, die mit der Schreibmaschine geschrieben wurden (Unicode: ').
In gedruckten Schriftstücken wie Romanen und Zeitungen muß allerdings das korrekte Apostrophzeichen verwendet werden (Unicode: ’). Ein orthotypographisch falsches Zeichen ist kein Schönheitsfehler, sondern ein ganz normaler Rechtschreibfehler.
Die gilt jedoch auch bei gedruckten Dokumenten nicht, wenn eine Schreibmaschinenschrift wie die Courier verwendet wird. Hier sollte man nur die Zeichen verwenden, die eine Schreibmaschine auch besitzt.