Wieso?, fragte er sich.
zeichensetzung
Neuerdings stößt man in Romanen auf Fragezeichen in indirekten Fragesätzen. Dies ist jedoch nach den Axiomen der Zeichensetzung falsch und grammatikalisch sinnlos. Grundsätzlich können auf derselben Sprechebene Satzzeichen nicht aufeinandertreffen — auf ein Fragezeichen darf nie direkt ein Komma folgen. Das ist nur möglich, wenn die Sprechebene durch parenthetische Zeichen wie den umschließenden Gedankenstrich oder das Anführungszeichen auf eine andere Sprechebene gehoben wird.
Dauer: 19 Minuten.
Fragezeichen in unabhängigen und abhängigen Fragesätzen
Schriftsteller und Lektoren glauben immer öfter, abhängige Fragesätze durch ein Fragezeichen markieren zu müssen.
Direkte Fragesätze — das heißt unabhängige Fragesätze — sind Hauptsätze:
Indirekte Fragesätze, das heißt abhängige Fragesätze sind Nebensätze. Sie sind also vom übergeordneten Satz grammatikalisch abhängig:
Das Fragezeichen
Das Fragezeichen kennzeichnet einen Satz als Frage. Weil das Fragezeichen ein Zeichen ist, steht es nur bei Aussagen, die funktional eine Frage sind. Es steht nur dann, wenn der Satz sonst nicht als Frage zu erkennen wäre.
Das gilt auch, wenn der Satz Wörter enthält, die in einer Frage typischerweise auftauchen:
Diese W-Wörter
tauchen nämlich auch an anderer Stelle auf:
Abhängige Fragesätze
Das Fragezeichen kann nur am Ende von unabhängigen Fragesätzen stehen. Es beendet also einen formalen Hauptsatz, eine Satzperiode, und hat das gleiche Gewicht wie ein Punkt.
Abhängige Fragesätze sind dagegen Nebensätze, die vom Verbum des übergeordneten Satzes abhängen. Daß sie eine Frage enthalten, geht aus dem Inhalt des übergeordneten Satzes hervor.
Das Fragezeichen wäre also redundant. Die Maxime der deutschen Zeichensetzung lautet jedoch: Antiredundanz.
- Warum es schiefgelaufen war, wußte am Ende niemand.
- Schon wieder, brüllte sie.
- Wieso denn, fragte sie sich.
- Ach tatsächlich, sagte er sich.
Zweifelt man beim letzten Beispiel daran, daß der Satz als Frage zu erkennen ist, sollte man von der indirekten Rede zur erlebten RedeExterner Link: Artikel über erlebte Rede bei Wikipedia wechseln. Dadurch wird der Nebensatz zum Hauptsatz, wodurch ein Fragezeichen möglich wird:
Man kann die Sache auch noch anders sehen: Auch wenn indirekte Fragesätze eine Frage enthalten, sind sie strenggenommen bloß Inhaltssätze, die den Inhalt eines Ausdrucks im übergeordneten Satz erläutert. Dieser Ausdruck — etwa die Frage, er fragte, er wunderte sich, er konnte sich nicht erklären
— enthält nur lexikalisch eine Frage, aber funktional ist es keine Frage, sondern eine Behauptung:
Dagegen ist der Satz Wie spät ist es?
funktional eine Frage. Aus diesem Grund steht ein Fragezeichen.
Prinzipien der Satzzeichen
Als einfache Regel kann man sich merken: Auf derselben Sprechebene dürfen niemals zwei Satzzeichen aufeinandertreffen. Es kann also niemals ein KommaDas Komma: Funktion als Satzzeichen und Kommaregeln unmittelbar auf ein Fragezeichen folgen. Das eine könnte das andere entweder überflüssig machen oder es sogar aufheben.
Von dieser Regel gibt es zwei scheinbare Ausnahmen: Umschließende Satzzeichen und die Kombination ?!
.
Umschließende Satzzeichen (Parenthesen)
Umschließende Satzzeichen sind der doppelte Gedankenstrich (Parenthese) und das Anführungszeichen. Bei der Parenthese wird ein begonnener Satz unterbrochen, um einen Einschub zu bringen. Danach wird der erste Satz einfach fortgesetzt. Der Einschub wird vorne und hinten durch einen Gedankenstrich markiert.
Parenthese kommt vom griechischen Verbum par∙en∙tithemi
ich setzte dazwischen hinein
und bezeichnet einen Einschub. Der wird orthografisch durch ein umschließendes Satzzeichen deutlich gemacht: Gedankenstriche, Anführungszeichen, Klammern und auch umschließende KommasDas Komma: Funktion als Satzzeichen und Kommaregeln.
Dasselbe gilt auch für Klammern. Sie machen in etwa das gleiche wie ein doppelter Gedankenstrich:
Literarische Texte (aber auch alle anderen bis hin zum Einkaufszettel) werden immer von einer Erzählstimme erzählt. Deshalb gehören Klammereinschübe eigentlich nicht in einen Roman. Wo immer sich Schriftsteller dazu hinreißen lassen, wäre ein Einschub mit Gedankenstrichen richtig und besser gewesen.
Die Erzählstimme unterbricht sich mit einem Gedankenstrich also, um selbst etwas zu sagen. Wird unterbrochen, um jemand andres zu Wort kommen zu lassen, verwendet man dagegen das Anführungszeichen.
Was innerhalb umschließender Satzzeichen steht, ist ein vollständiger Satz. Er kann mit einem Satzzeichen beendet werden. Hängt die wörtliche Rede (Figurenrede) von einem Hauptsatz ab wie im vorangegangenen Beispiel, dann darf sie nur einen einzigen Hauptsatz enthalten — auf keinen Fall mehr. Aus diesem Grund kann man den normalen Punkt weglassen; man weiß ohnehin, daß mit dem schließenden Anführungszeichen ohnehin ein Hauptsatz endet. Innerhalb der Anführung stehen außer dem Komma und dem Strichpunkt Satzzeichen, die unten einen Punkt enthalten, nur, wenn sie eine pragmatische Zusatzinformation enthalten: Ausrufezeichen, Fragezeichen und Doppelpunkt — diese drei Zeichen enden unten an der Grundlinie mit einem Punkt. Das Fragezeichen markiert den Satz als Frage, das Ausrufezeichen markiert ihn als Ausruf, der Doppelpunkt kündigt etwas an.
Die umschließenden Satzzeichen bilden einen Container. Die Satzzeichen (… spukt es!«, … sowie … versichert! —, in …) stoßen also nicht wirklich aufeinander.
Frage;zeichen mit Ausrufezeichen
Das geschieht auch bei Fragezeichen mit Ausrufezeichen nur scheinbar:
Dieser Satz ist formal eine Frage. Aber so ist er nicht gemeint. Als Äußerung ist ein Ausruf, ein Vorwurf. Der Fragesatz steckt also in einem Container, einem Ausrufesatz.
Aufbau der Satzzeichenglyphen
Warum kann auf ein Fragezeichen kein Komma folgen, wenn keine der gerade gezeigten Verschachtelungen von Sätzen vorliegt?
- Falsch: Wieso?, fragte sie sich.
- Richtig: Wieso, fragte sie sich.
Dazu müssen wir einen Blick auf den Bau der Satzzeichenglyphen werfen:
Fassen wir das Verbot genauer: Es können keine Satzzeichen aufeinandertreffen, die beide in ihrer äußeren Form (das Schriftzeichen) und in ihrer inhaltlichen Bedeutung eine syntaktische Aussage machen. Es betrifft also alle Satzzeichen, in deren Glyphe ein Punkt oder ein Komma steckt.
Enthält das Zeichen unten einen Punkt, bedeutet das gesamte Zeichen, daß der Hauptsatz hier zu Ende ist. Der einfache Punkt, das Fragezeichen, das Ausrufezeichen und eigentlich auch der Doppelpunkt enden zur Grundlinie hin mit einem Punkt. Diese Zeichen beenden also einen Hauptsatz.
Steht ein Komma, gibt es syntaktisch irgendetwas zu regeln, aber der Hauptsatz geht danach noch weiter. Das einfache Komma und der Strichpunkt beenden also keine Hauptsätze.
Wenn ein Fragezeichen einen Hauptsatz beendet, darf direkt darauf kein Komma folgen, denn das behauptet widersprüchlich, der Hauptsatz ginge doch noch weiter. Ebenso umgekehrt: Auf ein Komma kann kein punkthaltiges Zeichen folgen. Was gewönne man, wenn man erst die Fortsetzung des Hauptsatzes ankündigt und den Hauptsatz gleich darauf beendet?
Alle Schriftzeichen sitzen auf der Grundlinie. Sie ist die Orientierungslinie beim Lesen. Darüber liegt ein schmaler, grauen Streifen. Was bei einem Satzzeichen darin liegt, informiert ausschließlich darüber, wie sich dieses Zeichen syntaktisch verhält. Im grauen, syntaktischen Streifen kann es nur den Punkt oder das Komma geben. Dieses behauptet, daß der Hauptsatz weitergeht, der Punkt befielt das Ende des Hauptsatzes.
Über dem grauen Streifen liegt der pragmatische (violett). Pragmatisch bedeutet hier: auf den Sprechakt bezogen. Die pragmatische Information des Fragezeichens sagt: Dieser Satz ist eine Frage. Der pragmatische Überbau des Fragezeichens ist eine geschwungene Linie. Sie deutet an, daß der Stimmton bei einer gesprochenen Frage nach oben geht. An dieser Intonation erkannt man in der gesprochenen Sprache eine Frage.
Das pragmatische Element des Ausrufezeichens gleicht einer Wand, gegen die man beim Lesen prallt. Genau diese Wirkung wollen Ausrufesätze erzielen.
Das Semikolon sagt im grauen, syntaktischen Streifen, daß der Hauptsatz hier nicht endet. Darüber teilt es mit, daß man den vorangegangenen Gliedsatz aber wie einen Hauptsatz verstehen sollte.
Der Doppelpunkt beendet einen Hauptsatz (unterer Punkt). Darüber noch ein Punkt: Abrupt bremsen! So kippt man vornüber, stürzt beim Lesen auf das Kommende. Genau das erwirkt der Doppelpunkt. Was nach einem Doppelpunkt kommt, ist syntaktisch immer ein Hauptsatz. Dennoch schreibt man klein weiter, wenn dieser Hauptsatz kein gebeugtes Verb enthält:
Für den Gedankenstrich und den Bindestrich gibt es ein eigenes TutorialTypografische Striche.