Das Komma

zeichensetzung Dieses Video-Tutorial erklärt, welche Funktion das Komma in der Zeichensetzung des Deutschen hat, und bespricht die wichtigen und schwierigsten Regeln der Kommasetzung. Das Augenmerk liegt dabei auf den Unterschieden zwischen der klassischen und der reformierten Rechtschreibung.
Dauer: 2 Minuten.

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  1. 0:00:00 Das Komma: Das Komma als Satzzeichen
  2. 0:04:32 Welche Funktion hat das Komma?
  3. 0:20:22 Das Komma ist kein Pausenzeichen
  4. 0:23:22 Die einzige Aufgabe des Kommas liegt darin, innerhalb eines Satzglieds oder innerhalb des Satzgefüges aufzuzählen
  5. 0:29:02 Universale Kommaregel
  6. 0:36:03 Doppelkommas bei umgestellten Attributen und Parenthesen
  7. 0:41:06 Komma vor und in alter Rechtschreibung
  8. 0:45:48 Komma vor und in neuer Rechtschreibung
  9. 0:49:52 Zufällige Kommas vor und
  10. 0:50:43 Komma vor adversativen Konjunktionen wie sondern und aber
  11. 0:53:06 Komma vor Infinitivgruppen und Partizipialgruppen
  12. 0:53:37 Einführung: Infinitive und Partizipien sind keine substantivierten und adjektivierten Verbformen
  13. 0:59:48 Kein Komma vor Infinitiv ohne zu
  14. 1:01:17 Infinitiv mit zu (verblaßter finaler Infinitiv) und falsches um zu
  15. 1:05:49 Grundsätzlich kein Komma vor Infinitiv mit zu; zusammengesetzte Infinitive wie zurückkommen sind keine erweiterten Infinitive im Sinne der Kommasetzung. Falschschreibung heim zu gehen statt heimzugehen
  16. 1:19:18 Komma vor erweitertem Infinitiv. Erweiterung 1: Die Erweiterung hängt vom Infinitiv ab. Objekte, Attribute und Adverbialia des Infinitivs wie Er bat mich, ihm zu helfen; Komma in alter Rechtschreibung, in neuer nicht
  17. 1:11:45 Alle Zeitungen und Buchverlage setzen Kommas heute noch nach alter Rechtschreibung, ohne es zu ahnen.
  18. 1:16:31 Erweiterung 2: Der Infinitiv hängt von der Erweiterung ab (Infinitiv als nachgestellte Apposition): Alte und neue Rechtschreibung setzen ein Komma; diese Infinitive sind nachgestellte Parenthesen und stehen in paarigen Kommas
  19. 1:16:50 Erweiterung 2a: um zu, statt zu, ohne zu, außer zu, anstatt zu, als zu mit Infinitiv
  20. 1:17:39 Erweiterung 2b: Der Infinitiv hängt von einem Substantiv ab und schildert dessen Inhalt: der Plan, abzureisen
  21. 1:20:47 Kommas können in neuer Rechtschreibung weggelassen werden, wenn der Infinitiv von einer Erweiterung abhängt, aber keine Erweiterung vom Infinitiv
  22. 1:21:25 Erweiterung 2c: Der Infinitiv hängt von einem formalen Korrelativ wie es, das oder daran ab: Susanne liebte es, zu essen.
  23. 1:23:05 Das Prinzip des Kommas vor erweiterten Infinitiven in alter und neuer Rechtschreibung: Warum die Kommasetzung der neuen Rechtschreibung richtiger ist
  24. 1:26:52 Regel und Freiheit in der amtlichen Rechtschreibung
  25. 1:27:42 Verfälschende Interpretation der amtlichen Rechtschreibung in Wörterbüchern
  26. 1:33:14 Abschlußtest für Kommasetzung vor Infinitiven und abschließender Vergleich zwischen alter und neuer Rechtschreibung
  27. 1:35:50 Erweiterte und nichterweiterte Partizipien als Adverbialia
  28. 1:38:40 Unsinnige Kommas: Ohne zu wissen, weshalb oder Zwei Tage, nachdem …

Video veröffentlicht am 20.11.2010 (122.76 MB).

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Welche Aufgabe hat das Komma?

Die Aufgabe des Kommas liegt darin, Wörter und Phrasen in Satzgliedern sowie Sätze in Satzgefügen aufzuzählen.

Komma als Pausenzeichen

Dem Komma wird gerne angedichtet, ein Pausenzeichen zu sein. Es soll den Leser also dazu bringen, eine Atem-, Sprech- oder Denkpause einzulegen, und eine Zäsur zu signalisieren.

Komma ist ein Pausenzeichen.

Werner Müller, in: Sozusagen, 19.2.2010, Bayerischer RundfunkExterner Link zum Bayerischen Rundfunk (Audio-Datei)

Dies ist nicht die Aufgabe des Kommas. Grundsätzlich kann man dem Leser nicht durch Interpunktion vorschreiben, in welchem Rhythmus er einen Text liest. Nur der GedankenstrichVideo-Tutorial: Typografische Striche und ihre Funktion kann eine leere Zeit verstreichen lassen.

Das Komma als
syntaktisches Gliederungszeichen

Noch öfter stößt man auf diese Auffassung über die Aufgabe des Kommas als Satzzeichen:

Das Komma ist ein Gliederungszeichen. Innerhalb eines Ganzsatzes grenzt es bestimmte Wörter, Wortgruppen oder Teilsätze voneinander oder vom übrigen Text des Satzes ab.

Duden: Die deutsche Rechtsschreibung. 24. Auflage, Seite 71

Wenn man von der Idee der Gliederung ausgeht, dann muß man auch erklären, wann zwischen Wörtern, Phrasen und Teilsätzen ein Komma steht und wann nicht. Wie wir sehen können, steht ja nicht nach jedem Wort ein Komma. Wie lauten die Bedingungen? Duden kann sie nicht nennen, weil die Prämisse der Gliederung falsch ist. Duden kann nur die Fülle der Anwendungen des Kommas beschreiben, ohne einen Zu­sammen­hang zu erkennen. Der Benutzer kann aus der Beschreibung im Duden nur den Schluß ziehen, daß Kommas willkürlich gesetzt werden.

Mehr zur Widerlegung dieser Ansicht finden Sie im Video-Tutorial. Die aktuell gültige amtliche Rechtschreibung, die wir in diesem Artikel darstellen, nimmt selbst­verständlich keine Willkür an, sondern folgt einem strengen Prinzip.

Wir raten deshalb allen, die nach der amtlichen Recht­schreibung (Reform­schreibung 2006) schreiben wollen, sich an das amtliche RegelwerkExterner Link (PDF): Amtliches Regelwerk der Rechtschreibung (2006) auf der Webseite des Rechtschreibrats zu halten. Das Komma ist darin richtig beschrieben, die Regeln stringent formuliert und im Gegensatz zu den meisten Wörter­büchern mit richtigen Bei­spielen aus­gestattet.

Dieser Artikel vergleicht die klassische Rechtschreibung mit der reformierten und hält sich eng an das amtliche Regelwerk in ihrem Wortlaut und ihrer Struktur.

Prinzip der Kommasetzung

Hier die eine und einzige Funktion des Kommas in der deutschen Sprache:

Funktion des Kommas

Das Komma markiert Aufzählungen in einem Satzglied.

Diese Funktion ist formal-syntaktisch und nicht musisch-psychologisch: Das Komma wird beim Lesen nicht bewusst wahrgenommen.

  • eine schöne, alteattribut Vase

Hier werden zwei Adjektive innerhalb des Attributs aufgezählt. Sie beziehen sich gleichrangig auf das Substantiv. Darum steht ein Komma.

  • eine bahnbrechendeattribut1 physikalischeattribut2 Entdeckung

Hier hat das Substantiv zwei Attribute, die jeweils ein einziges Adjektiv enthalten. Zuerst sind die Entdeckungen physikalischer Art, und von diesen physikalischen Entdeckungen wiederum nur die bahnbrechenden. Das fernere bahnbrechendeattribut1 bezieht sich nicht nur auf die Entdeckungen, sondern auf physikalische Entdeckungen.

Das Komma signalisiert Aufzählungen innerhalb eines der fünf Satzglieder (Subjekt, Prädikat, Objekt, Attribut und Adverbiale) oder in einem Satzgefüge.

  • Die Lottozahlen lauten 9, 18, 27, 32, 48, 49prädikat.

Hier werden im Prädikat Zahlen aufgezählt.

Aber auch Satzgefüge sind syntaktisch gesehen Satzglieder. Ein Satzgefüge ist, was zwischen zwei Punkten steht.

  • Als es Nacht wurde, ging sie ins Bett.

Hier werden zwei Sätze in einem Satzgefüge aufgezählt. Darum steht ein Komma.

Wo nicht syntaktisch in Satzgliedern aufgezählt wird, steht kein Komma. Die Aufgabe des Kommas als Satzzeichen liegt nicht darin, etwas zu gliedern, sondern Aufzählungen kenntlich zu machen.

Es gibt also in Wirklichkeit nicht viele Kommaregeln, sondern nur eine einzige. Wenn Sie diese eine Regel mit ein wenig Übung verinnerlicht haben, können Sie in jedem Zweifelsfall die richtige Entscheidung treffen, ohne irgendwo nachzuschlagen.

Aufzählungen in Satzgliedern

In einem Satz folgen die Satzglieder aufeinander. In dieser Abfolge — Abfolge als Gegensatz zur Aufzählung — stehen die Satzglieder in einer festgelegten Reihe und beziehen sich syntaktisch aufeinander. In einem normalen Hauptsatz folgen also Subjekt, Prädikat und vielleicht ein Objekt oder Adverbiale aufeinander:

  • Maria tanzt.
  • Ich sehe keinen VogelObjekt!
  • Peter geht in die SchuleAdverbiale.
  • Wir helfen ihmAdverbiale.
  • Sie leben nochAdverbiale.

In allen Fällen ist die Stelle des Subjekts mit einem Substantiv oder einem Pronomen gefüllt. Wenn wir nun zwei oder drei Personen etwas tun lassen, werden innerhalb des Subjekts drei Substantive aufgezählt:

  • Peter, Knut, MariaSubjekt gehen in die Schule.

Das Komma zeigt, daß in einem Satzglied, an derselben syntaktischen Stelle also, mehrere Dinge aufgezählt werden. Das gilt für alle Satzglieder:

  • Es dauerte ein, zweiAttribut Tage.
  • Peter ging gerne in die Schule, in die Bücherei, ins SchwimmbadAdverbiale.

Aufzählungen im Satzgefüge

Die fünf Satzglieder können wie oben mit Wörtern oder Phrasen gefüllt sein. Aber auch mit ganzen Sätzen:

  • Wort: MariaSubjekt ist schön.
  • Phrase: Dieses MädchenSubjekt ist schön.
  • Satz: Daß du kommstSubjekt, ist schön.

Hier zeigt sich, daß das Komma eben kein Gliederungszeichen ist. In den beiden ersten Fällen steht nach dem Subjekt kein Komma, beim dritten schon: Daß du kommst, ist schön.

Das hat aber nichts mit dem Subjekt zu tun. Das Komma steht hier, weil innerhalb des Satzgefüges, also innerhalb des Ganzsatzes, zwei Sätze aufgezählt werden: einmal der Hauptsatz … ist schön und zudem der Gliedsatz daß du kommst. Es spielt dabei keine Rolle, ob der eine Satz dem anderen wie hier untergeordnet ist (Hypotaxe) oder ob zwei Sätze gleichrangig aufgezählt werden (Parataxe). Parataxe bedeutet Nebeneinanderstellung oder -ordnung im syntaktischen Sinne.
Hypotaxe bedeutet Unterordnung. Ein Hauptsatz mit einem untergeordneten Nebensatz ist eine Hypotaxe.

In diesem Beispiel werden zwei Sätze aufgezählt, die sich syntaktisch nicht aufeinander beziehen:

  • Es roch nach Lavendel, im Kamin brannte ein Feuer.

Einfaches und doppeltes Komma

Das Komma tritt einfach oder doppelt (paarig) auf. Ein einfaches Komma setzt man wie in allen bisher genannten Beispielen dort, wo die Satzglieder in ihrer normalen Reihenfolge aufeinander folgen. Nur unter diesem Umstand können sie sich syntaktisch aufeinander beziehen.

AdjektivattributeDas Adjektiv als Attribut (Tutorial) und Substantivattribute, sogenannte Appositionen, stehen im Deutschen vor dem Bezugswort.

  • Das junge und klugeAttribut Mädchen las gerne Bücher.
  • Der KauzAttribut Peter kaute ständig Tabak.

Versetzt man den Inhalt des Attributs, kann er sich syntaktisch nicht mehr Attribut auf das Bezugswort beziehen. Aus einem vom Bezugswort abhängigen Attribut wird ein Einschub.

  • Das Mädchen, jung und klug, las gerne Bücher.
  • Peter, der Kauz, kaute ständig Tabak.

Diese Einschübe sind eingeschobene Aussagen. Der Bezug ist syntaktisch verloren und wird nur inhaltlich aus der räumlichen Nähe klar. Aussagen sind Sätze. Hier werden also zwei Sätze in einem Satzgefüge aufgezählt. Deswegen steht jetzt ein Komma. Weil der eingeschobene Satz aber mitten im anderen steht, steht das Komma zwangsläufig zweimal. Die eingeschobenen Aussagen nennt man Parenthesen. Parenthese stammt von einem griechischen Verbum, das sehr schön zeigt, was dabei passiert: títhemi bedeutet ich setze, stelle, lege, und zwar para dazwischen und en in. Eine Par∙en∙these ist also Dazwischen∙hinein∙setzen, ein Einschub.

Es gibt noch weitere Attribute. Zum Beispiel Relativsätze oder Daß-Sätze:

  • Der Mann, der an der Ampel wartete, trug einen Hut.
  • Die Tatsache, daß du kommst, erfreut mich sich.

Solche Attributsätze stehen nach dem Bezugswort Mann, Tatsache. Obwohl sie in den Beispielen an ihrer normalen Stelle stehen, wird ein Doppelkomma gesetzt. Das liegt daran, daß im Ganzsatz wieder zwei Sätze aufgezählt werden, erstens der Hauptsatz und zweitens der Attributsatz. Es spielt bei Attributsätzen und anderen Gliedsätzen also im Gegensatz zu Phrasen oder Wörtern keine Rolle, ob sie als Attribut an ihrer normalen Stellen stehen oder versetzt als Einschub. Da sie Sätze sind, muß ohnehin ein Komma stehen, weil im Ganzsatz zwei Sätze aufgezählt werden.

Erinnern wir uns daran, was Duden über das Komma sagt. Tatsächlich stößt man beim Lesen oft auf ein Komma genau dort, wo die eine syntaktische Einheit zu Ende ist und eine neue beginnt:

  • Daß du kommst, ist aber schön.

Wir wissen aber, daß dies nur Zufall und keinesfalls verläßlich ist. Seinem echten Auftrag nach steht das Komma nicht zwischen syntaktischen Einheiten, sondern ausnahmslos mitten darin, weil es ja innerhalb der syntaktischen Einheit aufzählt. Es kann im Beispiel nicht die Aufgabe des Kommas sein, die Teilsätze zu trennen. Denn an anderen Stellen tritt das Komma nicht an der erwarteten Stelle auf. Die syntaktische Gliederung wäre im Beispiel genauso ersichtlich, wenn dort kein Komma stünde.

Anwendungsfälle der Kommasetzung

Nachfolgend zeigen wir die Anwendungsfälle dieser Kommaregel und verweisen auf die Unterschiede zwischen alter und neuer Rechtschreibung.

Komma im Attribut

Ein Substantiv kann von mehr als einem Adjektiv bestimmt sein. Werden die beiden Adjektive in einem Attribut aufgezählt, steht ein Komma:

  • Milena trug ein langes, rotesAttribut Kleid.

Beide Adjektive beziehen sich jeweils auf das Substantiv. Dessen kann man sich vergewissern, indem man die Reihenfolge der Adjektive vertauscht: Das Attribut verändert sich dadurch nicht in seinem Inhalt.

  • Milena trug ein rotes, langesAttribut Kleid.

Ebenso kann man eines der beiden Adjektive streichen, ohne daß sich das andere dadurch verändert: Streicht man die Farbe, bleibt das Kleid nach wie vor lang.

  • Milena trug ein langesAttribut Kleid.
  • Milena trug ein rotesAttribut Kleid.

Es kann auch vorkommen, daß sich das erste Adjektiv nicht nur auf das Substantiv bezieht, sondern zugleich auch auf das zweite Adjektiv.

  • Das war eine sensationelle physikalische Entdeckung.

Hier werden nicht zwei Adjektive in einer Satzeinheit aufgezählt. Deswegen steht kein Komma. Die Rede ist nicht von allen sensationellen Entdeckungen, sondern nur von physikalischen, und von diesen nur von denen, die nicht belanglos oder langweilig sind, sondern sensationell. Syntaktisch ist Entdeckung also von einem Attribut physikalische näher bestimmt. Bezugswort und Attribut bilden eine Einheit, die dann wiederum von einem Attribut eingeschränkt wird: nicht alle physikalischen Entdeckungen, sondern nur die sensationellen darunter.

Komma im Adverbiale

Dasselbe gilt für Adverbialia (Umstandsangaben). Attribute bestimmen ein Substantiv näher, Adverbialia das Verb. Die Handlung (Verb) vollzieht sich also unter gewissen Umständen, die das Adverbiale wiedergibt.

  • Peter ging gerne]Adverbiale [ins Schwimmbad, ins Kino und zum TanzenAdverbiale 2.

Im Adverbiale 2 wird dreierlei aufgezählt. Jedes dieser drei bezieht sich jeweils auf das Verb. Zwischen dem ersten und dem zweiten Adverbiale steht dagegen kein Komma, denn gerne gehört nicht zur Aufzählung im zweiten Adverbiale. Zunächst erklärt das erste Adverbiale, daß die Handlung gern ausgeführt wird, wenn ein zweiter Umstand erfüllt ist: Daß die Fortbewegung ein bestimmtes Ziel hat. In die Schule oder ins Bett geht Peter nämlich nicht gerne. Die beiden Adverbialia gern + ins Schwimmbad beziehen sich also hierarchisch aufeinander. Sie sind die normale Folge der Satzglieder und keine Aufzählung. Deswegen steht kein Komma. Ins Schwimmbad und ins Kino beziehen sich dagegen nicht aufeinander, sondern unabhängig voneinander auf das Verb. Sie sind eine Aufzählung. Deswegen steht ein Komma.

Komma im Subjekt

Vergleichen wir zwei Beispiele:

  • A, b, cSubjekt sind Buchstaben.
  • Der Arzt FridolinSubjekt fährt einen Mercedes.

Im ersten Beispiel wird im Subjekt dreierlei aufgezählt: a, b, c. Weil es eine Aufzählung ist, steht ein Komma. Wird einer der drei aufgezählten Füllungen entfernt, verändert das den Rest nicht.

Im zweiten Beispiel lautet das Subjekt der Arzt Fridolin. Hier werden aber nicht zwei Substantive aufgezählt, weswegen auch kein Komma steht. Der Arzt ist ein Attribut, das Fridolin näher bestimmt. Wo sich ein Satzglied syntaktisch auf ein Wort, eine Phrase oder einen Satz bezieht, haben wir es mit der normalen Folge von Satzgliedern zu tun und nicht mit einer Aufzählung.

Versetzt man nun den Arzt von der normalen Position vor dem Bezugswort an eine andere Stelle, kann er sich nicht mehr als Substantivattribut auf Fridolin beziehen. Inhaltlich schon, aber nicht mehr syntaktisch.

  • FridolinSubjekt, der ArztEinschub, fährt einen Mercedes.

Aus dem Arzt wird nun also eine Parenthese, eine eingeschobene Aussage. Weil nun zwei Sätze im Satzgefüge aufgezählt werden, steht ein Komma. Es sind zwei, weil der eine Satz mitten in den anderen eingeschoben ist und ihn unterbricht.

Kleine Zwischenfrage: Glauben Sie, daß es noch etwas über das Komma zu sagen gibt, was wir bis hierhin nicht schon mehrfach durchgenommen haben? Hoffentlich nicht. Da kommt nichts Neues mehr. Es ist überall die eine und einzige Kommaregel. Der Duden geht dagegen davon aus, daß es 32 — in Worten: zweiunddreißig — Kommaregeln gäbe (K100 bis K132).

Paarige Kommas bei Parenthesen

Als Parenthese gilt all das, was nicht an der Stelle im Satz steht, die der liebe Gott ihm als Heimat zugewiesen hat. Bei einem Adjektiv als Attribut ist das die Stelle vor dem Bezugswort.

  • Dieses junge und klugeattribut Mädchenbezugswort konnte schon mit drei Jahren lesen.

Nur durch die Position vor dem Bezugswort wird deutlich, daß sich das Adjektiv auf das nachfolgende Substantiv bezieht. Gibt das Adjektiv diese Stelle auf, kann es syntaktisch kein Attribut zum Substantiv mehr sein. Daß wir es inhaltlich dennoch damit verbinden, liegt nur an der räumlichen Nähe.

  • Dieses Mädchen, jung und klug, konnte schon mit drei Jahren lesen.

Diese Konstruktion unterscheidet sich syntaktisch nicht von dieser hier:

  • Dieses Mädchen — Sie war das klügste Mädchen der Welt! — konnte schon mit drei Jahren lesen.

Jung und klug ist also eine eingeschobene Aussage. Die Parenthese steht in paarigen Kommas, wenn sie kein eigenes Verb enthält. Sonst verwendet man parenthetische Gedankenstriche, wenn der Erzähler des Satzes seinen begonnen Satz unterbricht, um einen anderen Satz zu sagen, oder paarige AnführungszeichenAnführungszeichen (Tutorial), wenn der Erzähler sich selbst unterbricht, um einen anderen wörtlich zu Wort kommen zu lassen.

Komma zwischen Teilsätzen

Ein Satz läßt sich auf das Prädikat darin reduzieren. Die Satzaussage ist schließlich der Grund, warum dieser Satz überhaupt geäußert wird. Ein Satz liegt vor, wenn er ein Prädikat besitzt. Sobald zwei Sätze in einem Satzgefüge aufgezählt werden, steht ein Komma. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich der eine Satz als Gliedsatz (Nebensatz) auf den anderen (Obersatz) bezieht. Das ist dem Komma egal. Sobald zwei Sätze in einem Satzgefüge aufgezählt werden, wird diese Aufzählung wie alle Aufzählungen durch ein Komma dargestellt.

In einem hypotaktische Satzgefüge ist der Nebensatz ein Satzglied des Obersatzes. Deswegen nennt man ihn Gliedsatz. Bis auf das Prädikat können alle Satzglieder von einem Satz gefüllt werden:

a) Subjektsatz:

  • Das BildSubjekt ist aber schön.
  • Daß du kommstSubjekt, ist aber schön.

b) Objektsatz:

  • Ich will ein EisObjekt.
  • Ich will, daß du kommstObjekt.

c) Attributsatz:

  • Das jungeAttribut Mädchen ging noch nicht zur Schule.
  • Das Mädchen, das gerade erst drei geworden warAttribut, ging noch nicht zur Schule.

d) Adverbialsatz:

  • Ich komme gern/am FreitagAdverbiale.
  • Ich komme, wenn du willstAdverbiale.
  • Ich komme, obwohl ich krank binAdverbiale.
  • Ich komme, sobald ich fertig binAdverbiale.
  • Ich komme, weil ich es willAdverbiale.

In einem parataktischen Satzgefüge werden zwei Sätze aufgezählt, die sich syntaktisch nicht aufeinander beziehen. Sie teilen kein einziges Satzglied.

  • Es roch nach Lavendel Hauptsatz 1, im Kamin brannte ein Feuer Hauptsatz 2

Komma bei Ausrufe und Anreden

Duden widmet ein Komma-Kapitel Hervorhebungen, Ausrufen und Anreden. Hier eine Hervorhebung:

  • Deine Mutter, die habe ich gut gekannt.

Deine Mutter ist ein ganzer Hauptsatz, der Rest des Satzgefüges ein zweiter. Es werden zwei Sätze aufgezählt.

Außerdem steht das Komma nach Ausrufen und Anreden:

  • Ach, das ist aber seltsam!
  • Herr Müller, folgen Sie mir.

Auch Anreden sind Ausrufe. Die beiden Ausrufe stehen jedoch in keinem syntaktischen Verhältnis zum Rest des Satzes. Sie können keines der fünf Satzglieder bilden. Satzglieder gibt es fünf:
Subjekt (Satzgegenstand),
Prädikat (Satzaussage),
Objekt,
Attribut,
Adverbiale (Umstandsangabe).
Also muß es sich um Sätze handelt. Daß sie ziemlich kurz sind, ist unerheblich. In beiden Beispielen werden also innerhalb des Satzgefüges zwei Sätze aufgezählt. Deshalb steht ein Komma.

In K131 erfindet Duden eine Erläuterung, die die amtliche Rechtschreibung in Wirklichkeit gar nicht enthält und lehrt seinen Lesern Falsches: Das Komma entfalle jedoch, heißt es dort, wenn keine Hervorhebung gewollt ist:

  • Ach das ist aber schade.

Davon ist in der amtlichen Rechtschreibung nichts zu lesen. Sie enthält in §79 keine Einschränkung der Regel oder eine Erläuterung (der Paragraph endet nach der Regel). Im vorangegangenen Beispiel muß auf jeden Fall ein Komma stehen, weil ach keine syntaktische Stelle im Satz einnehmen kann und deshalb ein eigener Satz sein muß.

Im Regelwerk wird lediglich darauf hingewiesen, daß bitte normalerweise ein Adverb ist, das sich auf das Verb bezieht. Weil das keine Aufzählung ist, steht auch kein Komma.

  • Bitte folgen Sie mir!

Eine flehentliche Bitte bildet einen eigenen Satz mit Ausrufezeichen.

  • Bitte! Helfen Sie mir!

Wenn sich diese Sätze in einem Satzgefüge wiederfinden, werden natürlich zwei Sätze aufgezählt:

  • Bitte, helfen Sie mir!

Dies hat nichts damit zu tun, was Duden als Beispiel konstruiert:

  • Ach das ist aber schade.

Dieses Beispiel ist nach alter und neuer Rechtschreibung falsch. Und noch einmal: Die Behauptung, es bestände die Möglichkeit, hier kein Komma zu setzen, steht nicht in der amtlichen Rechtschreibung. Und zwar, weil es syntaktisch völlig unmöglich ist. Ach kann kein Satzglied bilden. Es kann also auch kein Adverbiale sein, denn die erste Stelle des Satzes nimmt bereits das Subjekt das ein.

Komma vor Konjunktionen wie und oder aber

Zwei Wörter, zwei Phrasen, zwei Sätze können mit einer Konjunktion wie und miteinander verknüpft sein. Man unterscheidet hier kopulative von adversativen Konjunktionen.

Kopulative Konjunktionen

Kopulativ nennt man Konjunktionen, die zwei Dinge miteinander verknüpfen. Dies ist vor allem und. Sowohl die alte als auch die neue Rechtschreibung gehen davon aus, daß eine Verknüpfung keine Aufzählung ist. Verknüpftes bildet eine Einheit, die mehr als die Summe ihrer Einzelteile ist, Aufzählungen dagegen nicht.

Wenn zwei Dinge also verknüpft sind, sind sie keine Aufzählung. Deswegen steht vor und kein Komma.

Das gilt für Wörter, Phrasen und Sätze:

  • Zwei Wörter: Audi und Volvo sind Automarken.
  • Zwei Phrasen: Im Bad und in der Küche gab es eine Fußbodenheizung.
  • Zwei Sätze: Es roch nach Lavendel und im Kamin brannte ein Feuer.

In der alten Rechtschreibung gilt: Vor und steht grundsätzlich kein Komma. Nur wenn zwei gleichrangige und verknüpfte Sätze völlig eigenständig sind, also kein einziges Satzglied miteinander teilen, wird der Grundsatz gebrochen und ein Komma gesetzt.

  • Alte Rechtschreibung: Es roch roch nach Lavendel, und im Kamin brannte ein Feuer.
  • Neue Rechtschreibung: Es roch roch nach Lavendel und im Kamin brannte ein Feuer.

In der alten Rechtschreibung muß man sich die Reihenfolge der Glieder des zweiten Satzes genau ansehen:

  • Nach dem Aufwachen kochte Petra Kaffee kein Komma und ging Peter unter die Dusche.

Da das Verbum im Hauptsatz immer an zweiter Stelle steht, muß sich das Adverbiale nach dem Aufstehen auch auf den zweiten Satz beziehen. Es nimmt in beiden Sätzen die erste Stelle ein. Die beiden Sätze teilen also ein Satzglied, so daß kein Komma steht.

  • Nach dem Aufwachen1
    kochte 2 Petra 3 Kaffee
    und
    ging 2 Peter 3 unter die Dusche.

Anders in dieser Variante:

  • Nach dem Aufwachen kochte Petra Kaffee, und Peter ging unter die Dusche.

Weil das Subjekt im zweiten Satz die erste Stelle einnimmt, kann sie nicht das Adverbiale einnehmen. Das Adverbiale kann sich also nicht auf den zweiten Satz beziehen.

  • Nach dem Aufwachen 1
    kochte 2 Petra 3 Kaffee
    , (Komma!) und
    Peter 1 ging 2 unter die Dusche.

Peter kann schlecht duschen, ohne vorher aufgewacht zu sei. Doch die allgemeine Logik oder erzählerische Reihenfolge spielt bei der Kommasetzung keine Rolle. Die beiden Teilsätze teilen kein Satzglied. Deswegen steht nach der alten Rechtschreibung ein Komma.

Fehler in der alten Rechtschreibung ergeben sich, wenn man statt auf die Form auf den Inhalt achtet:

  • Peter kam, und dann bleib er.

Auch wenn Peter hier zweimal das Subjekt des Satzes bildet, einmal als Substantiv und dann noch einmal als Pronomen, so kommt es nur darauf an, daß er förmlich zweimal genannt wird. Nach der alten Rechtschreibung wurde das Komma nur weggelassen, wenn die Handlung einfach wiederholt wird:

  • Er redete und er redete.

Die neue Rechtschreibung hält sich dagegen streng an das Prinzip des Kommas als Aufzählungszeichen: Wo verknüpft wird, wird nicht aufgezählt. Deshalb steht das Komma nie vor und. Verstöße gegen dieses Dogma läßt sie nie bei typischen Konstruktionen zu, sondern immer nur bei konkreten Sätzen, wenn dort wirklich ein Mißverständnis entsteht, sobald man das Komma nicht setzt.

Wer also nach neuer Rechtschreibung schreibt, darf nach §73 nicht grundsätzlich ein Komma zwischen gleichrangige Sätze setzen, wenn sie mit und verknüpft sind. Dazu zwei Beispiele:

  • Er fotografierte die Berge, und sie lag in der Sonne.

In diesem Fall darf das Komma gesetzt werden, weil das weibliche Fürwort sie auch im Akkusativ sie lautet und man beim Lesen glauben könnte, und verknüpfte zwei Objekte die Berge und sie, obwohl es in Wahrheit zwei Sätze miteinander verknüpft. Durch das Komma wird sogleich deutlich, daß sie ein Nominativ und das Subjekt eines zweiten Satzes sein muß.

Vertauscht man die Akteure, verschwindet die Verwechslungsgefahr, weil sich das männliche Personalpronomen in Nominativ und Akkusativ unterscheidet:

  • Sie fotografierte die Berge und er lag in der Sonne.

In der alten Rechtsschreibung wird undogmatisch zwischen zwei verknüpfte Sätze ein Komma gesetzt, wenn sie gleichrangig sind, in der neuen Rechtschreibung in Übereinstimmung mit der Universalregel grundsätzlich nicht und im konkreten Fall nur, wenn sich die Gefahr nachweisen läßt (§73).

Der Freiheit sind also Bedingungen gesetzt. Wer sie sich grundsätzlich nimmt, schreibt falsch, weil er die Freiheit so fehldeutet, daß er daraus einen Grundsatz ableitet, der der universellen Aufgabe des Kommas als Aufzählungszeichen widerspricht.

Allgemein gilt: Grundsätzlich darf in der neuen Rechtschreibung bei typischen Fällen nur gegen die Universalregel verstoßen werden, wenn dies als Regel formuliert ist. Paragraph 73 ist so ein Beispiel.

Öfter wird nach einer Regel in einer Erläuterung (E) eine Freiheit gewährt. Solche Freiheiten dürfen nie typisch angewendet werden, sondern immer nur in konkreten Einzelfällen.

Wir sagen dies so ausdrücklich, weil man beobachten kann, daß viele Leute die Ausnahme im konkreten Einzelfall als Regel für typische Fälle mißdeuten und so Kommaregeln erschaffen, die es in Wahrheit nicht gibt, weil sie gegen die Universalregel verstoßen. Das geschieht immer dann, wenn Anwender die Universalregel verkennen.

Adversative Konjunktionen

Anders verhält es sich bei adversativen Konjunktionen wie aber oder sondern. Hier steht ein Komma, was oft damit erklärt wird, daß das Komma den Gegensatz ausdrückt. Aber wie wahrscheinlich ist es, daß das Komma hier eine Funktion ausübt, die der Universalkommaregel gänzlich widerspricht, nur um etwas zu signalisieren, was die Wörter aber und sondern bereits lexikalisch tun?

Stattdessen kann man ganz einfach annehmen, daß aber nicht verknüpft. Aus zwei Einzeldingen wird also keine Einheit — sie bleiben zweierlei Dinge. Und sie werden aufgezählt; deswegen steht ein Komma:

  • Er war nicht reich, aber schönprädikat.
  • Nicht für die Schule, sondern für das Lebenadverbiale lernen wir.

Daß innerhalb dieser Aufzählung ein lexikalischer Gegensatz besteht, ändert nichts daran, daß wir es mit einer Aufzählung zu tun haben. Im ersten Beispiel werden innerhalb des Prädikats zwei Prädikatsnomina reich, schön aufgezählt, im zweiten innerhalb eines Adverbiales zwei Präpositionalphrasen für die Schule, für das Leben.

Komma vor Infinitivgruppen und nach Partizipialgruppen

Was die Abgrenzung von Infinitivgruppen und Partizipialgruppen angeht, gibt es einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen der alten und neuen Rechtschreibung, der aber unter der Oberfläche nicht so fundamental aussieht. Die Reformschreibung hat lediglich eine Sonderannahme aufgegeben, von man auch vor der Rechtschreibreform wußte, daß sie im Hinblick auf die Funktion des Kommas formal falsch ist.

Das Komma bei Infinitiven und Partizipien bildet wohl die Mehrheit unter den Kommafehlern. Der Grund liegt allein darin, daß die meisten Sprecher nicht wissen, was ein Infinitiv oder Partizip ist. Deshalb erklären wir dies zunächst.

Was sind Infinitive und Partizipien?

Oft stößt man auf die Annahme, der Infinitiv wäre ein substantiviertes Verb. Dies ist jedoch falsch. Der Infinitiv ist nicht substantiviert; er ist also keine Verbform, die sich wie ein Substantiv verhält. Das zeigt sich schon daran, daß man die Substantivierung nicht zurückwandeln kann. Es gibt keinen verbalen Infinitiv.

Der Infinitiv ist ein echtes Substantiv. Daß er mit einem Suffix ∙en von einer Wurzel abgeleitet ist, von der man auch Verbalformen, Adjektive und Adverbien ableitet, spielt keine Rolle.

  • irr∙ → ich irr∙e
  • irr∙ → irr∙en
  • irr∙ → irr∙end
  • irr∙ → Irr∙tum

Beim Wortausgang ∙en handelt es sich also nicht um eine Beugungsendung, sondern um ein Wortbildungssuffix, das mit ∙ung oder ∙heit vergleichbar ist.

Der Infinitiv ist also ein normales Substantiv wie Haus oder Pferd. Sieht man das nicht so, kann man die Kommasetzung beim Infinitiv nicht erklären. Manchmal schreibt man den Infinitiv klein und manchmal groß. Die Schreibung hat keinen Einfluß darauf, um welche Wortart es sich handelt.

Daraus ergibt sich, daß der Infinitiv sich in bezug auf Syntax und Kommasetzung wie jedes andere Substantiv verhält und nicht wie ein Verb. Daß er lexikalisch eine Handlung ausdrückt, spielt ebenfalls keine Rolle. Auch die Substantive Befreiung, Fahrt drücken Handlungen aus.

Kein Komma vor einfachem Infinitiv

Der Infinitiv kann in allen Satzgliedern auftauchen, die ein normales Substantiv enthalten können.

Im Subjekt:

  • Irrtum ist menschlich.
  • Irren ist menschlich.

Im Objekt:

  • Ich will ein Eis.
  • Ich will schwimmen!

Im Prädikat als Prädikatsnomen oder Prädikativum:

  • Peter ist Lehrer.
  • Das ist Reden.
  • Ich bin beim Zahnarzt.
  • Ich bin beim Schreiben.

Im Attribut:

  • die Kunst der Malerei
  • die Kunst des Liebens

Nirgendwo wird bei diesen Infinitiven ein Komma gesetzt, denn wo Satzglieder aufeinander folgen und sich aufeinander beziehen, wird nichts aufgezählt.

Infinitiv mit zu

Auch beim fünften Satzglied, dem Adverbiale, kann der Infinitiv stehen.

  • Ich sandte mich zu sagen, daß …

Präpositionalphrasen stehen grundsätzlich im Satzglied Adverbiale, beziehen sich also auf das Verb.

  • Er eilte nach Hause.
  • Er lebte in einem grünen Haus.

Auch was wir heute als Infinitive mit zu bezeichnen, sind eigentlich Präpositionalphrasen. Die Präposition bezeichnet das Ziel einer Bewegung und regiert den Dativ.

  • Er kam zu mir.

Schon seit dem Frühmittelalter wird der Infinitiv mit zu verwendet, um das Ziel einer Handlung auszudrücken. Im Althochdeutschen erhält er sogar noch eine Dativendung.

  • ze wort-e zu Wort-e
  • er santa mih ze sagenn-e er sandte mich zu sagen

Dieser finale Infinitiv stand einst nur dort, wo ein Finalsatz zu einem Infinitiv verkürzte werden konnte, weil das Objekt oder Subjekt des Hauptsatzes mit dem Subjekt des Nebensatzes identisch war.

  • Ich bleibe im Bett, damit ich gesund werde. → Ich bleibe im Bett, um gesund zu werden.
  • Sie sandte ihn, damit er sage, daß … → Sie sandte ihn zu sagen, daß …

Am Beginn des Neuhochdeutschen ist der finale Sinn des Infinitivs mit zu verblaßt, so daß es heute viele Anschlüsse gibt, die keinen oder im heutigen Sprachverständnis keinen finalen Sinn mehr haben:

  • Er vermochte es nicht zu sagen.
  • Du brauchst nicht zu heulen.

Der Infinitiv mit zu ist ein normales Satzglied und im Sinne der Kommasetzung kein erweiterter Infinitiv (siehe unten). Deshalb steht grundsätzlich kein Komma, denn es wird nichts aufgezählt.

Komma vor erweitertem Infinitiv

Das Komma vor dem Infinitiv kommt erst ins Spiel, wenn der Infinitiv erweitert ist. Alle möglichen Erweiterungen stehen räumlich vor dem Infinitiv. Erweiterte Infinitive lassen sich in zwei Gruppen einteilen.

Die Erweiterung hängt vom Infinitiv ab

Infinitive können durch ein Objekt oder ein Adverbiale erweitert werden, die syntaktisch vom Infinitiv abhängen. Die alte Rechtschreibung setzt in diesem Fall ein Komma:

  • Peter plante, seine FreundinObjekt zu überraschen.
  • Peter plante, nichts]Objekt [dagegenadverbiale zu unternehmen.
  • Peter plante, heimlich/am Morgen/mit Petraadverbiale abzureisen.
  • Peter plante, ihradverbiale zu helfen.

Auch die Negation können wir als Adverbiale zählen:

  • Peter plante, nichtNegation zu kommen.

Der Infinitiv ist direkt vom Verbum abhängig — ob als Adverbiale oder Objekt, hängt davon ab, ob man zu als Präposition oder als Partikel auffaßt. Dieses ist angemessener. In jedem Fall folgen hier die Satzglieder normal aufeinander; aufgezählt wird also nicht, denn auch die vom Infinitiv abhängigen Erweiterungen stehen an ihrem normalen Platz.

Die alte Rechtschreibung hat durchaus erkannt, daß der Infinitiv ein normales Substantiv ist. Sobald er allerdings noch von ihm abhängige Erweiterungen bei sich hat, schafft er etwas, was einem Nebensatz inhaltlich ziemlich nahe kommt. Zudem ist der Infinitiv hier nicht durch ein Attribut, sondern ein Adverbiale näher bestimmt, was seinen verbalen Charakter unterstreicht. Auch beim Objekt ist zu beobachten, daß es wie bei echten Verbformen mit einem Objekt im Akkusativ steht und nicht — wie es beim Infinitiv sonst üblich ist — im genitivus subiectivusGenitiv subiectivus (Tutorial):

  • Die Polizei befreiteverb die GeiselObjekt.
  • Die Befreiung/das BefreienSubjekt der Geiselgenitivattribut verlief glimpflich.

Weil der erweiterte Infinitiv also das Gewicht eines Nebensatzes annahm, hat man zwei Sätze aufgezählt, als wäre er auch formal ein Nebensatz. Deshalb steht in der alten Rechtsschreibung ein Komma.

Die neue Rechtschreibung sagt dagegen: Auch wenn der Infinitiv das Gewicht eines Nebensatzes annimmt, so ist er dennoch formal keiner. Aus diesem Grund steht in neuer Rechtschreibung kein Komma bei Erweiterungen des Infinitivs, wenn die Erweiterung syntaktisch vom Infinitiv abhängig ist.

  • Peter plante seine Freundin zu überraschen.
  • Peter plante nichts dagegen zu unternehmen.
  • Peter plante ihr zu helfen.

In der Erläuterung 2 des §75 (§75 E₂) sieht die neue Rechtschreibung ein Komma vor, wenn sonst unklar bliebe, ob ein Adverbiale sich auf das Verb oder den Infinitiv bezieht.

Im folgenden Beispiel steht kein Komma. Deswegen muß sich das Adverbiale auf das Verb beziehen und nicht auf den Infinitiv:

  • Peter plante heimlich/am Morgen/mit Petra/nichtAdverbiale abzureisen.

Verläuft allerdings nicht die Planung heimlich, sondern die Abreise, bezieht sich das Adverbiale auf den Infinitiv.

  • Peter plante, heimlich/am Morgen/mit Petra/nichtAdverbiale abzureisen.

Der Aufbau von §75 hat eine ganz klare Hierarchie, bei der die Freiheit in Erläuterung 2 nur anzuwenden ist, wenn sonst im konkreten Fall ein Mißverständnis entsteht. Es ist leider zu beobachten, daß viele den Aufbau des Paragraphen nicht verstehen und die Ausnahme auf den ganzen Typ des erweiterten Infinitivs ausweiten und somit den ganzen Paragraphen in sein Gegenteil verkehren.

In den folgenden Fällen darf also kein Komma stehen, weil ein Mißverständnis ausgeschlossen ist:

  • Peter plante ihr zu helfen.
  • Peter plante sie zu sehen.

Werfen wir einen Blick auf aktuelle Veröffentlichungen in deutscher Sprache. Sie alle richten sich theoretisch nach der reformierten Schreibung von 2006.

  • Und zwar so sehr, dass sich mancher Verfechter von Schwarz-Grün genötigt sieht, nun seinerseits ans Mikrofon zu treten. (Spiegel Online)
  • … der grüne Bsirske hatte gefordert, in Deutschland wieder ein Recht zum Generalstreik einzuführen. (FAZ)
  • Merkel bemüht sich gleichzeitig, nicht radikal zu wirken. (Die Zeit)
  • Trotzdem konnte ich mich nicht erinnern, jemals zuvor derart viele Maden auf einer einzigen Leiche gesehen zu haben. (Simon Beckett: Leichenblässe. Rowohlt. Seite 38.)
  • Obwohl Molly immer ziemlich heikel gewesen war, was Mäuse anging, und sich mehr als üblich bemüht hatte, sie vom Haus fernzuhalten, schreckte sie beim Anblick der ängstlichen Eindringlinge nicht zurück. (David Koontz: Todesregen. Heyne. Seite 78.)
  • … weil große Unternehmen genötigt sind, umfassende Bürokratien (NB: Richtig wäre der Singular) auszubilden … (Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. Hanser. Seite 16.)

In keinem Beispiel ist die Anwendung der Freiheit zulässig, weil nirgendwo Zweifel bestehen kann, worauf sich die Erweiterung bezieht. Die gezeigten Fälle sind keine Ausnahmen, sondern repräsentativ.

Das bedeutet, daß alle Zeitungs- und Buchverlage fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten der Reformschreibung die Kommas nach den Regeln der alten Rechtschreibung setzen. Das gilt auch für die wenigen anderen Kommafälle, worin sich alte neue Rechtschreibung unterscheiden.

Einige werden die neue Schreibung unterminieren wollen, aber wir glauben, daß die große Mehrheit durchaus die Kommas richtig setzen will und nicht ahnt, daß sie es nicht tut. Der Grund dafür liegt darin, daß die meisten sich nicht nach der amtlichen Rechtschreibung richten, sondern nach einem Wörterbuch. Die Kommaregeln, die man im Einleitungsteil der Wörterbücher findet, sind allerdings nur eine Interpretation der Redakteure. Uns ist kein Wörterbuch für reformierte Schreibung bekannt, das seine Leser klar darüber informiert, daß das Komma vor Erweiterungen, die vom Infinitiv abhängen, abgeschafft wurden. Alle glauben oder wollen glauben, daß dieses Kommas von §75 E₂ legitimiert oder gar vorgeschrieben wird, aber genau das ist nicht der Fall. Ein solcher Verstoß gegen die Universalkommaregel müßte in einer Regel geregelt sein. Hier ein schlimmes Beispiel:

In allen anderen Fällen ist die Kommasetzung bei Infinitivgruppen mit zu freigestellt, z. B.:

Sie plante(,) abzureisen.

Die Geschäftsführung beschloss(,) neue Mitarbeiter einzustellen.

Ihm war wichtig(,) die Arbeit bald abzuschließen.

Wahrig. Die deutsche Rechtschreibung. S. 104.

Das erste Beispiel zeigt einerseits, daß eine Regel falsch verstanden wurde, die weiter unter erklärt wird, und zudem, daß das abtrennbare Vorderglied eines zusammengesetzten Infinitivs für eine Erweiterung gehalten wird. Diesem Irrtum hängen leider viele nach.

Infinitive mit abtrennbaren Vorderglied

Oben sahen wir, daß einfache Infinitive mit zu nicht erweitert sind. Deswegen steht kein Komma: Er befahl ihm zu gehen.

Gehen ist ein nichtzusammengesetztes Wort. Es gibt aber auch Komposita, bei denen ein einfacher Infinitiv durch ein Präverb (Präfix) erweitert wird: heimgehen, weitergehen, losgehen, untergehen. Diese Präfixe sind Wortbildungselemente und selbstverständlich keine Erweiterung! Heimgehen unterscheidet sich in keiner Weise vom einfachen Gehen. Es spielt überhaupt keine Rolle, wie viele Buchstaben ein Infinitiv hat. Solange sich nicht andere Wörter als Adverbiale oder Objekt auf ihn beziehen, ist es keine Erweiterung. Deswegen darf weder nach alter noch nach neuer Rechtschreibung ein Komma stehen:

  • Er befahl ihm heimzugehen
  • Er befahl mir zu schweigen.
  • Er befahl mir zurückzukommen.
  • Er befahl mir auszurichten, daß …

Der Infinitiv hängt von der Erweiterung ab

Es gibt aber auch Fälle, wo die Erweiterung nicht vom Infinitiv abhängt, sondern umgekehrt der Infinitiv von der Erweiterung. Sie sind in §75 Regel 2 und 3 formuliert.

In Regel 2 hängt der Infinitiv von einem Substantiv ab.

  • Er fasste den Plan, abzureisen, und packte den Koffer.

Hier wird nach alter und neuer Rechtschreibung ein Doppelkomma gesetzt. Warum hat die Reform dieses Komma nicht auch abgeschafft? Weil es der Universalregel entspricht. Der Plan bildet im Beispiel das Objekt zum Fassen. Aber nicht allein. Auch der Infinitiv ist Teil des Objekts.

  • Er fasste den Plan, abzureisen,Objekt und packte den Koffer.

Dieses Doppelkomma wird aus demselben Grund gesetzt wie in diesem uns wohlbekannten:

  • Der Kauz Peter schlief. → Peter, der Kauz, schlief.

Wenn die Apposition der Kauz seine Stelle vor dem Bezugswort aufgibt, ist es nur noch eine Parenthese, die in Doppelkommas steht, weil jetzt zwei Sätze aufgezählt werden. Die Parenthese beschreibt das ehemalige Bezugswort immer noch näher.

Genau so beschreibt auch der Infinitiv das Substantiv näher. Er gibt seinen Inhalt an. Der Plan bestand darin abzureisen. Innerhalb des Satzglieds werden also zwei Dinge aufgezählt: das Substantiv und der Infinitiv.

Regel 3 beschreibt die Situation, in der statt des Substantivs ein leeres Wörtchen wie es oder das steht. Hier steht der Infinitiv wieder in paarigen Kommas, weil das Korrelativ es, das und der Infinitiv innerhalb desselben Satzglieds aufgezählt werden. Das ist auch in alter Rechtschreibung so.

  • Petra liebte es, zu essenObjekt.

Dreierlei ist zu beachten. Erstens: Sowohl das Substantiv als auch das Korrelativ müssen nicht unmittelbar vor dem Komma stehen:

  • Der Plan des Einbrechers, zu entkommen, scheiterte.
  • Hugo wird es nichts bereuen, zu heiraten.

Zweitens: Das Korrelativ kann von einer Präposition abhängen. Aus in es/das wird dabei darin. Grundsätzlich gilt: Präposition + es/dasdar-Präposition. Das ändert nichts am Komma. Das Wörterbuch von Wahrig hat das nicht verstanden und bringt ein solches Beispiel an völlig falscher Stelle mit falscher Kommaregel. Richtig also nach alter und neuer Schreibung:

  • Ihr Plan bestand darin, auszubrechen.

Drittens: Das Ziel der neuen Rechtschreibung besteht allgemein darin, Kommas zu reduzieren und nicht zu vermehren. Im Zweifelsfall sollte man das Komma also weglassen. Dies wird in Erläuterung 1 des §75 angeboten: Hat der Infinitiv kein Adverbiale, das man irrtümlich auf das gebeugte Verb beziehen könnte, kann man das Komma nach Substantiven und Korrelativen auch weglassen:

  • Ihr Plan bestand darin auszubrechen.

Dieser Empfehlung sollte man folgen. Wo auch immer ein Infinitiv allein zwischen zwei Kommas steht, sollte man die Kommas streichen. Denn auch ohne diese Kommas kann nichts falsch aufeinander bezogen werden. Aber mit Kommas wird der Satzfluß deutlich gehemmt.

  • Gut: Ihr Plan bestand darin auszubrechen und deshalb sucht sie nach einer Feile.
  • Schlecht: Ihr Plan bestand darin, auszubrechen, und deshalb suchte sie nach einer Feile.

Bedenken Sie, daß alle Satzzeichen nur dann stehen, wenn die Funktion, die sie ausüben, nicht auch durch die Syntax erfüllt wird. Denn die Maxime der Interpunktion des Deutschen ist Antiredundanz.

Zu guter Letzt sei noch einmal auf die Unterschiede zwischen alter und neuer Rechtschreibung hingewiesen. In folgendem Fall nach §75.3 hängt der Infinitiv von einem Korrelativwort ab, dessen Inhalt er beschreibt.

  • Satz 1: Petra liebte es, zu essenObjekt.

Beide Rechtschreibungen setzen ein Komma. Nach §75 E₁ kann das Komma in neuer Rechtschreibung weggelassen werden, wenn vom Infinitiv keine Erweiterungen abhängen. Das darf hier nur geschehen, wenn wirklich sicher ist, daß es ein Korrelativ zum Infinitiv ist. Das ist im folgenden Beispiel nicht sicher:

  • Satz 2: Apfelmus! Petra liebte es zu essen.

Der Leser muß sich nun die Frage stellen, ob es anaphorisch oder kataphorisch ist. Anaphorisch, das heißt rückbezüglich, vertritt es als Pronomen das Apfelmus. In diesem Fall setzt die alte Rechtschreibung ein Komma vor es, weil es als Objekt vom Infinitiv abhängt.

  • Apfelmus! Petra liebte, es zu essen.

Die neue Rechtschreibung setzt hier kein Komma:

  • Apfelmus! Petra liebte es zu essen.

Ist es dagegen kataphorisch, bezieht es sich also auf etwas, was erst noch genannt wird (der Infinitiv), dann muß das Komma stehenbleiben, auch wenn der Infinitiv kein Objekt hat.

Alte Rechtschreibung:

  • Apfelmus! Petra liebte es, zu essen.
    (es → Essen im allgemeinen)
  • Apfelmus! Petra liebte, es zu essen.
    (es → Apfelmus)

Neue Rechtsschreibung:

  • Apfelmus! Petra liebte es, zu essen.
    (es → Essen im allgemeinen)
  • Apfelmus! Petra liebte es zu essen.
    (es → Apfelmus)

Es ist hier anzuraten, das es zweimal zu nennen, bevor man §75 E₂ Kommas setzt, um die Gliederung zu veranschaulichen.

  • Gut: Apfelmus! Petra liebte es, es zu essen (es kann nur das Apfelmus sein)
  • Notlösung nach §75 E₂: Apfelmus! Petra liebte, es zu essen.

Denken sie an die Zukunft! Das Komma der Notlösung ist uns aus der alten Rechtschreibung gut vertraut. Wenn man die Kommas in den nächsten Jahrzehnten aber so setzt, wie es die Regelung vorschreibt, dann würde bald niemand mehr verstehen, was das Komma in der Notlösung bedeutet. Denn es verstößt gegen die Universalregel, von der es in der neuen Rechtschreibung keine Ausnahme gibt. Ohne Kenntnis der alten Rechtschreibung ist dieses Komma unverständlich.

um zu mit Infinitiv

Die neue Rechtschreibung kennt noch eine dritte Erweiterung (§75.1), die ein Komma mit sich bringt: umzu + Infinitiv. Sie unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, daß das Komma nicht zwischen Erweiterung und Infinitiv steht, sondern vor der Erweiterung. Hier wird also nicht aufgezählt.

Als die finale Bedeutung von zu gehen verblaßt war, hat man in frühneuhochdeutscher Zeit noch eine weitere Präposition davorgesetzt. Um zu darf bis heute nur vor dem Infinitiv gebraucht werden, wenn er sich in einen Finalsatz verwandeln ließe:

  • Der Chef sandte seine Sekretärin, um dem Buchhalter die Kündigung zu überbringen.
  • Der Chef sandte seine Sekretärin, damit sie dem Buchhalter die Kündigung überbringe.

Der Finalsatz und der Infinitiv mit um zu beinhalten also die Absicht, mit der die Handlung des Obersatzes ausgeführt wird, also das Ziel oder den finalen Grund, warum es tut.

Beide Rechtschreibesysteme setzen ein Komma vor um + zu, weil die Phrase ein verkürzter Finalsatz ist und somit als Nebensatz gewichtet wird. Da unter dieser Annahme Sätze im Satzgefüge aufgezählt werden, steht ein Komma. Die neue Rechtschreibung verzichtet hier also auf ihre generelle Prinzipientreue, weil um an dieser Stelle sehr leicht fehlgedeutet werden kann.

In allen Fällen, wo nach §75(1-3) ein Komma zu setzen ist, ist es ein Doppelkomma. In §75.2 (Substantiv) und §75.3 (Korrelativ) ist der Infinitiv ein Einschub wie bei Peter, der Kauz, …, bei §75.1 würde der verkürzte Nebensatz den Hauptsatz unterbrechen.

Außer um gibt es noch andere Erweiterungen, die alle Verkürzungen aus Nebensätzen sind, weswegen nach §75.1 ein Doppelkomma zu setzen ist:

  • ohne Er lief geradeaus, ohne daß er wußte, wohin er wollte. → Er lief geradeaus, ohne zu wissen, wohin er wollte.
  • anstatt/statt Er lief geradeaus, anstatt daß er abbog. → Er lief geradeaus, anstatt abzubiegen.
  • außer Ihm fiel nichts Besseres ein, außer daß er geradeaus lief. → Ihm fiel nichts Besseres ein, außer geradeaus zu laufen.
  • als Er blieb lieber im Bett, als daß er aufstand. → Er blieb lieber im Bett, als aufzustehen.

Komma beim Partizip

Was für den Infinitiv gilt, gilt ebenso für das Partizip. Es ist ein Adjektiv und keine adjektivierte Verbform. Allerdings ist alles leichter, denn das Partizip tritt entweder wie ein ganz normales Adjektivattribut auf das gelesene Buch, die aufgehende Sonne oder als participium coniunctum. Participium coniunctum ist ein sogenanntes Prädikatsadjunkt. Es bezieht sich einerseits wie ein Attribut auf das Subjekt Fritz, aber zugleich auch wie ein Adverbiale auf das Verb brach auf. Das participium coniunctum findet man meist an der ersten Stelle des Satzes.

  • Bald brach Fritz wieder auf.
  • Gerade erst heimgekommen, brach Fritz wieder auf.

Als normale Stelle dieses Partizips gilt wie beim Adverbiale allgemein die erste oder dritte Stelle im Satz. Wie beim Infinitiv können auch Erweiterungen vom Partizip abhängen, aber umgekehrt das Partizip nicht von einer Erweiterung. Das bedeutet, daß die neue Rechtschreibung kein Komma setzt, die alte nur dann, wenn eine Erweiterung vom Partizip abhängt. Da die Erweiterung immer vor dem Partizip steht, sind Mißverständnisse ausgeschlossen. Das Partizip wird in der amtlichen Rechtschreiberegelung aus diesem Grund gar nicht erwähnt. Es werden grundsätzlich keine Kommas gesetzt.

Alte Rechtschreibung:

  • Ermüdet brach Fritz wieder auf.
  • Gerade erst heimgekommen, brach Fritz wieder auf.

Neue Rechtschreibung:

  • Ermüdet brach Fritz wieder auf.
  • Gerade erst heimgekommen brach Fritz wieder auf.

Wird das Partizip als Prädikatsadjunkt von der ersten Stelle anderswohin versetzt, gilt dasselbe wie für versetzte Attribute: Sie werden zu Einschüben, die am Ende des Satzgefügen nach einem Komma stehen und mitten im Hauptsatz in paarigen Kommas:

  • Linda, reich an Schönheit, hatte ein Leben lang Erfolg.
  • Linda, aus vollem Halse lachend, kam auf mich zu.
  • Als erster ging Schmidt durchs Ziel, gefolgt von Huber.

Zur Klarstellung: An der ersten und dritten Stelle des Satzes, also vor oder nach dem Verb, steht das Prädikatsadjunkt an seiner normalen Stelle und wird nicht zur Parenthese:

  • Aus vollem Halse lachend 1 kam 2 Linda 3auf mich zu.
  • Linda 1 kam 2 aus vollem Hals lachend 3auf mich zu.

An jeder anderen Stelle wird das Prädikatsadjunkt zur Parenthese und steht in paarigen Kommas.

  • Linda 1, aus vollem Halse lachend Einschub, kam 2 auf mich zu 3.

Ganz hinten wird das schließende Komma vom Punkt abgelöst:

  • Linda 1 kam 2 auf mich zu 3, aus vollem Halse lachend Einschub.