Kursives Auszeichnen
Wann zeichnet man Wörter durch Kursivierung aus und was ist dabei semiotisch und typografisch zu beachten?
Kursivieren längerer Textpassagen
Das Kursivieren ganzer Sätze und noch längerer Textpassagen ist tabu. Ganz generell und ohne Ausnahme. Kursives ist schlechter zu lesen als Aufrechtes. Es ist mühsam und hetzt einen beim Lesen.
Es findet man zum Beispiel, wenn ein Brief oder ein längerer innerer Monolog in einen Roman montiert wird. Hier ist die Versuchung groß, den Text als Beiwerk einzuschätzen, nur zu überfliegen oder ganz zu überspringen. Gibt es Textpassagen, die aus dem normalen Text herausstechen, setzt man lieber in einer anderen Schriftart und aufrecht. Meist ist die Befürchtung, der Leser könnte die Montage nicht erkennen, allerdings grundlos. Zur Not kann man die Seite umbrechen.
Eine ganz schlechte Idee ist es, einen Prolog Prolog
zu nennen und ihn in seiner ganzen unerträglichen Länge zu kursivieren. Zuerst sollte man prüfen, ob man den Prolog nicht streichen kann. Leser wollen nach dem Aufschlagen eines Romans eine Geschichte betreten. Sie wollen keine Vorinformationen oder ein Propädeutikum absolvieren.
Der Ausdruck kursiv leitet sich vom lateinischen Verbum currere (cucurri, cursum)
ab, das laufen, eilen
bedeutet. In der Philologie unterscheidet man zwischen kursiver oder kursorischer Lektüre und statarischer Lektüre. Diese ist das langsame, aufmerksame und genaue Lesen, jenes das schnelle Lesen oder gar das Überfliegen eines Textes.
Die Schriftsetzerei spricht von kursiver Schrift, weil kursive Zeichen sich nach vorne neigen und den Eindruck erwecken zu rennen.
Setzt man einen längeren Text kursiv, zwingt man den Leser dazu, vom bedächtigen in hastiges Lesen zu verfallen. Dabei wird die Lektüre immer oberflächlicher. Das erste Kapitel eines Romans hat jedoch das entgegengesetzte Ziel: Der Leser soll es sich in der Geschichte bequem machen. Außerdem wird im ersten Kapitel ja alles zum erstenmal gesagt. Durch Kursivierung und Erhöhung des Lesetempos bewirkt man, daß wichtige Informationen wie der Name der Hauptfigur am Leser vorbeiziehen.
Dient der Prolog ausschließlich der Einstimmung, gehört er gestrichen. Ist er wirklich Teil der Handlung, deklariert man ihn besser in Kapitel 1
um. Ihn durch Kursivieren aus dem Rahmen zu heben, sollte man lieber lassen. Niemand liest solche Passagen mit Konzentration und Freude, weil man weiß, daß es hier noch gar nicht richtig losgeht, sondern erst später. Besser ist es, wenn sich ein Prolog erst nach dem Lesen als Prolog herausstellt. Dann ist niemand böse, denn Geschichten beginnen ohnehin immer kurz vor dem Eintreten der Haupthandlung.
All das gilt übrigens auch für Zitate, die meist kursiv erscheinen. Während des Schreibens eines Romans ist der Gedanke verführerisch, der Geschichte einen Refrain von Bob Dylan oder einen Aphorismus Goethens voranzustellen. Man glaubt, den Leser dadurch für das Kommende einzustimmen.
Während des Schreibens können solche Zitate nützen, weil sie helfen, den richtigen Sound zu treffen. Nach der letzten Überarbeitung muß der Sound der Geschichte aber auch ohne Zitat stimmen. Es wird dadurch überflüssig. Stimmt der Sound nicht, können Zitate ohnehin nichts retten. Sie verschlimmern den Eindruck dann noch. Zitate wirken in den meisten Fällen aufdringlich. Da sie in der Regel von berühmten Menschen stammen, wecken sie den Eindruck, der Autor will sich an ihnen emporziehen.
Kursivieren einzelner Wörter und Phrasen
Außer in Sonderfällen wird immer das ganze Wort kursiviert. Dies gilt auch dann, wenn man bei einem Kompositum einen Teil für besonders betonenswert hält.
Kursivierung und Satzzeichen
Der kursive Schnitt einer Schrift besitzt eigene kursive Satzzeichen wie den Punkt, das Komma und das Fragezeichen. Selbst der Punkt sieht etwas ovaler und schräger aus als sein aufrechter Kollege.
Die kursiven Satzzeichen besitzen vor allem eine andere Metrik. Darunter versteht man die in einer Schriftart festgelegten Werte, welchen horizontalen Raum ein Zeichen einnimmt und welchen Abstand es zu anderen Zeichen hält.
Die Achse kursiver Buchstaben und Satzzeichen (lila) überlappt nach oben den Bereich des folgenden Zeichens, nach unten ragt sie in den Bereich des vorausgehenden Buchstaben (grau). Kursive Zeichen sind also unterschnitten:
Verwendet man aufrechte Punkte in sonst kursiver Schrift, führt das zu einer überlappung der Achsen. Beim Punkt macht das noch nicht so viel aus:
Doch trifft ein d
auf ein Fragezeichen, kollidieren sie:
In vielen Ländern wie Schweden achtet man nicht auf solche Feinheiten. Deutschland, Österreich und die Schweiz besitzen allerdings den höchsten Standard in der Schriftsetzerei. Hier gilt ein Verstoß gegen die Setzregeln als Rechtschreibfehler und wird selbst bei Taschenbüchern und Katalogen nicht hingenommen.
Setzerregeln
Punkt und Komma nach kursivem Text
Ist das letzte Wort eines Satzes kursiviert, werden auch nachfolgende Punkte und KommasDas Komma: Funktion als Satzzeichen und Kommaregeln kursiv gesetzt.
Das gilt auch für Strichpunkte und Doppelpunkte:
Auslassungspunkte und Auslassungsstrich nach kursivem Text
Das aus drei Punkten bestehende AuslassungszeichenTutorial: Das Auslassungszeichen im System der Satzzeichen wird nicht aus drei Satzpunkten gebildet. Es ist ein eigenes Zeichen, das in jeder Schrift existiert. Darin ist der Abstand der Punkte zueinander vom Schriftgestalter wohldurchdacht festgelegt. Dieser Abstand ist stets größer als der Abstand dreier einzelner Punkte.
Ersetzen die Auslassungspunkte mindestens ein ganzes Wort, werden sie mit einem Leerzeichen abgetrennt. Ersetzen sie Buchstaben eines Wortes, werden sie direkt angeschlossen. In beiden Fällen erscheinen die Auslassungspunkte kursiv:
Auslassungspunkte lassen ein Wort oder einen Satz vor seinem Ende ausklingen. Wenn die Rede jedoch jäh abbricht, verwendet man lieber den Auslassungsstrich: Der Auslassungsstrich ist seiner Länge nach ein Halbgeviertstrich und seiner Funktion nach ein Gedankenstrich, der ohne Abstand angeschlossen wird:
Fragezeichen und Ausrufezeichen nach kursivem Text
Fragezeichen und Ausrufezeichen reichen bis zur Oberlinie. Hier steigt die Gefahr einer Kollision mit dem vorausgehenden Zeichen, zumal der Abstand nicht größer ist als bei anderen Zeichen. Deshalb werden auch sie nach einem kursiven Wort kursiviert:
Es ist auch möglich, die hohen Satzzeichen vom Wort abzurücken und dann aufzurichten. Früher war das eine Heidenarbeit, weshalb man diese Praxis in der deutschsprachigen Setzerei nur selten findet. Heutzutage kann man diesen Abstand automatisch schaffen, indem man die Laufweite kursiver Endbuchstaben vor einem Ausrufe- oder FragezeichenTutorial: Fragezeichen und Ausrufezeichen. vom Satzprogramm erhöhen oder ein 1/24, 1/16 oder 1/8 Geviert davor einfügen läßt.
In professionellen Satzprogrammen wie InDesign ist dies leicht, in Textverarbeitungsprogrammen wie Word dagegen mühselig. Word bietet als kleinsten Leerraum einen ¼-Em-Abstand
an. Das ist jedoch zuviel. Bürotypen sollten daher das Satzzeichen kursivieren. Schriftsteller sollten diese Arbeit ganz dem Setzer überlassen.
Ein aufrechtes Frage- oder Ausrufezeichen ist besonders dann angebracht, wenn man klarstellen möchte, daß es nicht nur das letzte, kursive Wort betrifft, sondern den ganzen Satz, in dem nur zufällig das letzte Wort kursiviert ist:
- In Kuba ruft man ¡Seremos como el Ché!
- Nennt man das Dolce vita?
Beim ersten Beispiel setzt man kein syntaktisches Satzzeichen (Punkt, Komma), denn Punkt und Komma folgen niemals direkt auf ein Ausrufe- und Punkt und Komma sind syntaktische SatzzeichenTutorial: Pragma-syntaktische Systematik der Satzzeichen.Fragezeichen:
- Richtig: In Kuba ruft man ¡Seremos como el Ché!
- Falsch: In Kuba ruft man ¡Seremos como el Ché!.
Die syntaktischen Aufgaben des Punkten erledigen die pragmatischen — im Internet würde man dazu semantisch
sagen — Satzzeichen, das Ausrufezeichen und das Fragezeichen, nebenbei mit. Deshalb bestehen diese beiden Zeichen auch aus einem Punkt mit einem Intonationshinweis darüber (Neuma).
Das folgende Beispiel zeigt einen Anlaß, wo zwei Ausrufe- und Fragezeichen aufeinander folgen:
- Ruft gefälligst ¡Seremos como el Ché!!
- Ruft man in Kuba ¡Seremos como el Ché!?
In diesem Fall gehört das erste Zeichen zur kursivierten Phrase und wird deshalb ebenfalls kursiviert. Das zweite Zeichen gehört zum Hauptsatz und steht mit ihm aufrecht. Es muß auf jeden Fall ausreichend spationiert werden, sowohl um die Struktur der Zeichensetzung klarzumachen, als auch um die beiden Satzzeichen nicht miteinander kollidieren zu lassen. Besser wäre jedoch, die Phrase nicht zu kursivieren, sondern in Anführungszeichen zu setzen.
- Ruft gefälligst
¡Seremos como el Ché!
! - Ruft man in Kuba
¡Seremos como el Ché!
?
Kursiver Text in Klammern und Anführungszeichen
Nur wenn alles innerhalb umschließender Zeichen wie Klammern, Anführungszeichen oder parenthetischer GedankenstricheTutorial: Pragmasyntax der parenthetischen Satzzeichen. kursiv ist, werden auch die umschließenden Satzzeichen kursiviert:
- Kampf gegen unprotestantische Umtriebe
(Dolce vita, Laissez faire, Hang loose, Imshallah).
Sind nur einzelne Wörter innerhalb der Klammern kursiv, stehen die Klammern drumherum aufrecht. Es spielt dann keine Rolle, ob Kursives und Klammer unmittelbar beieinander stehen:
- Einige Verben stehen mit dem Genitiv (
berauben
und manchmal auchbesinnen
).
Dieses Prinzip gilt für alle umschließenden Satzzeichen, also auch für Anführungszeichen oder parenthetische Geviertstriche:
Ich bin stets à jour
, sagte der Kommissar.- Der Kommissar — dabei war er stets à jour! — verstand überhaupt nichts mehr.
Besteht die wörtliche RedeTutorial: Richtig Zitieren mit wörtlicher und indirekter Rede ganz aus Kursivem, kippen auch die Anführungszeichen:
- »À jour?« sagte der Kommissar. »Bin ich stets!«
Bei umschließenden Satzzeichen gilt: Beide sind entweder aufrecht oder kursiv. Das eine darf nicht aufrecht stehen, wenn das andere kursiv ist, und umgekehrt.
- Richtig: (
berauben
usw.) - Falsch:
(berauben
usw.)
Kursives mit Initial
Läßt der Setzer die Kapitel eines Romans mit Initialen beginnen und ist das erste Wort zufällig kursiv, dann ist die Kacke am Dampfen. Diese Situation ist genauso unangenehm wie ein Kapitel, das mit wörtlicher Rede, also einem Anführungszeichen, beginnt.
Kursivierung und Gänsefüßchen sind beides Auszeichnungen, also vom selben Wesen, deshalb gibt es eine einzige Standardlösung für beides: Ein Initial hebt Auszeichnung auf. Ein kursives Wort wird aufgerichtet, das öffnende Anführungszeichen entfällt, doch das schließende bleibt. Hier gilt, daß der Initial das Wort, an dessen Beginn er steht, ohnehin kraft seiner Größe markiert (hervorhebt). Er ist also der Kreuzbube unter den Auszeichnungstrümpfen.