Plagiat und Sühne
Plagiate schaden nicht nur dem wahren Urheber. Sie stören das Immunsystem der Wissenschaft dabei, Falsches aufzuspüren. Aber nicht nur in der Wissenschaft: Das gesamte Allgemeinwissen der Deutschen über ihre Muttersprache ist falsch und skrupellosen Abschreibern geschuldet.
Annette Schavan
Bei der Diskussion über Annette Schavans Doktorarbeit trifft man immer wieder auf Stimmen wie diese:
Die selbst ernannten Plagiatsjäger befriedigen m.E. v.a. das eigene Ego. Lassen wir das doch die Uni entscheiden, ob dies ein Plagiat ist.
Leser Fachnir auf Zeit Online am 14.10.2012
Das sind die Vernünftigen, gegen die alle anderen kopflos erscheinen. Glaubt man. Tatsächlich sind die Vernünftigen die Ahnungslosen.
Was ist eine Dissertation?
Die Dissertation ist keine Prüfungsarbeit wie die theoretische Führerscheinprüfung oder eine Seminararbeit, die sogar dem Datenschutz unterliegen. Die Dissertation ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung.
Man überreicht sie nicht dem Promotionsausschuß wie eine Magisterarbeit, man muß sie bei einem richtigen Verlag veröffentlichen (neuerdings ist auch eine Veröffentlichung im Internet erlaubt). Der Sinn einer Dissertation, etymologisch verwandt mit dem Inserat, liegt nämlich nicht nur in der wissenschaftlichen Erforschung eines Themas und ihrer schriftlichen Abhandlung, sondern auch im Debütieren als wissenschaftlicher Autor.
Schavans Doktorarbeit wurde als normaler wissenschaftlicher Beitrag beim Verlag Rita G. Fischer (Edition Fischer)Externer Link zum Verlag veröffentlicht.
Ob eine Veröffentlichung ein Plagiat ist, entscheidet die Öffentlichkeit und kein geheimer Prüfungsausschuß einer Universität. Die Universität Düsseldorf entscheidet bloß darüber, ob sie Annette Schavan den Doktorgrad entzieht (da sie ihn ihr einst verliehen hat, kann auch nur sie ihn ihr wieder aberkennen), weil sie mit einem Plagiat gegen die Prüfungsordnung verstoßen hat. Dazu darf sie das Vorliegen eines Plagiats für den Hausgebrauch selbst beurteilen, aber dieses Urteil bindet weder die Wissenschaft noch die gesamte Öffentlichkeit.
Der Titelentzug ist eine Sache der Universität Düsseldorf. Sie ist ohne Belang für die Frage, ob die Öffentlichkeit als Souverän des deutschen Staates eine Ministerin zum Rücktritt drängt, weil sie sich über ein unerträgliches Vergehen in der Vergangenheit einig ist. Diese Einigkeit besteht als demokratische Mehrheit seit Guttenbergs Rücktritt: Wer klaut, wird rausgeschmissen.
Alles hängt also davon ab, ob sich eine Mehrheit dafür bildet, daß die von Schavanplag vorbildlich erarbeiteten Fälle als Plagiat zu beurteilen sind. Die Fälle sehen so aus:
Zum In-sein gelangt der Mensch nicht erst durch das Erkennen, im Gegenteil: nur weil ihm das Seiende bekannt ist, er darüber verfügt und damit vertraut ist in den verschiedensten Weisen des Besorgens, kann er sich auf das Erkennen einlassen. Erkennen setzt also immer schon den Bezug zur Welt voraus.
Annette Schavan: Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung. Frankfurt am Main, 1980. Externer Link zu Schavanplag
Dem stellt Schavanplag folgende Quelle gegenüber:
Es ist auch keineswegs so, daß wir erst durch das Phänomen des Erkennens zu so etwas wie dem In-sein gelangen würden; umgekehrt: nur weil wir immer schon mit dem Seienden vertraut sind, was in den verschiedensten Weisen des Besorgens seinen Niederschlag findet, können wir uns auf eine spezifische Weise des Kennens einlassen — eben das Erkennen. Das Erkennen vermittelt nicht etwa die Möglichkeit der Herstellung des Bezugs zur Welt, sondern setzt diesen Bezug immer schon voraus [...].
Walter Biemel: Martin Heidegger. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg, 1973.
Es ist unwahr, daß 1980 andere Maßstäbe gegolten hätten als heute:
Jedes Zitat innerhalb eines Textes wird durch Anführungsstriche und gegebenenfalls durch Einrücken gekennzeichnet.
Georg Hansen, Elke Nyssen, Josef Rützel: Einführung in wissenschaftliches Arbeiten: Grundlagen, Techniken, Verfahren. Kempten 1978.
Diesem Gebot folgen Beispiele, die keinen Zweifel lassen, daß Schavan ihre Passage mit Anführungszeichen hätte zuplastern und Biemel als Quelle erwähnen müssen. Alle fremden Gedanken, und dazu gehören auch Wortschöpfungen wie In-sein
, müssen zitiert werden. Zudem hat Schavan die falsche Schreibung In-sein
übernommen. Der Infinitiv hätte in der Durchkopplung großgeschrieben werden müssenTutorial: Wie schreibt man durchgekoppelte Wortzusammensetzungen?: In-Sein.
Besser wäre hier ein eingerücktes Blockzitat oder, wenn man die Quelle schon in Fetzen reißen möchte, was nicht so viel Esprit hat, wie sich mancher einredet, das Paraphrasieren mit dem Konjunktiv.Tutorial: Richtig Zitieren mit Konjunktiv 1 und Anführungszeichen. Dann keine Gänsefüßchen, aber natürlich am Anfang die Quellenangabe.
Ist Schavans Doktorarbeit ein Plagiat?
Ich halte es für ein Plagiat in seiner ureigensten Form, der Hochstapelei. Jedermann hat sich dieser Hochstapelei schon einmal schuldig gemacht, in Seminararbeiten aus Zeitnot oder als Anfänger aus Mangel an Übersicht, im Büro, im Freundeskreis, gegenüber seinem Partner. Wer gegen die Eurobonds in der Kaffeeküche Einwände erhebt und Gründe als eigene kluge Erkenntnis anführt, die er in Wirklichkeit Hans-
Nicht weiter schlimm und auch in einer Seminararbeit im ersten Semester verzeihlich, weil ein achtzehnjähriger Studienanfänger vor einem Berg von Forschungsliteratur steht, dessen Gipfel er erst Jahre später erklimmen wird.
In einer Magisterarbeit oder gar in einer Dissertation darf das nicht passieren. Vom Doktoranden wird erwartet, dass er in fünf Jahren ein Forschungsthema in seiner in Jahrzehnten gewachsenen Kompliziertheit durchdringt und in seiner Arbeit erstens übersichtlich aufbereitet und zweitens durch eigene Forschung auf eine höhere Ebene führt.
Drängt ihn Not zum Hochstapeln, indem er Primärbelege durch Sekundärliteratur plaziert, muß er sofort zum Doktorvater. Denn es ist ein sicherer Wink, daß das Thema zu weit gefaßt ist. Schavans Thema könnte in seiner Weite nur noch durch Das Universum und der ganze Rest
überflügelt werden. Obwohl der interdisziplinäre Ansatz a priori zu würdigen ist, offenbart Schavans Arbeit doch, daß interdisziplinäre Ansätze unter solchen Bedingungen zu nichts nütze sind. Es wäre die Aufgabe des Doktorvaters gewesen, dies im vorhinein zu erkennen. Die richtige Themafindung ist die wichtigste Aufgabe des Doktorvaters.
Verlust des Doktorgrads
Wird Schavan der Doktorgrad aberkannt, bleibt ihr nur das Abitur. Darüber haben sich viele Menschen gewundert.
"Sie promovierte, ohne vorher ein Diplom oder einen Magister zu machen." schreibt der Spiegel. Mir ist keine Uni bekannt, wo die Promotionsordnung auf einen Hochschulabschluß vor der Promotion verzichtet. Im Gegenteil werden i. a. hoche [hohe] Anforderungen an den Hochschulabschluß gestellt, um zum Promotionsverfahren überhaupt zugelassen zu werden.
Leser anonym007 am 15.10.2012 auf Spiegel Online Externer Link zur Quelle bei Spiegel Online
Nur weil man etwas nicht kennt, muß es noch lange nicht falsch sein. Den Magister gibt es für Geisteswissenschaften erst seit 1960. Davor studierte man vom ersten Semester an in einem Rutsch durch bis zum Doktor. Wenn man an der Promotion scheiterte, wie schön in Erich Kästners Roman Fabian
beschrieben, stand man mit leeren Händen da und hatte viele Jahre seines Lebens vertan.
Die Lektüre von Schavanplag läßt keinen Zweifel daran, wie wichtig es ist, daß dem Doktor heute der Magister vorausgeht. Der Magistrand (Magisterkandidat) sammelt Erfahrungen, die ihn später als Doktoranden vor Fehlern wie einem zu weit gesteckten Thema oder betrügerischen Abkürzungen feien.
Verjähren Plagiate?
Das tun sie nicht. Hohes Alter ist kein Argument, sondern nur ein Umstand. Die Pädagogik ist ein Massenfach, aber in anderen Fächern, zum Beispiel der historischen Sprachwissenschaft und der Ägyptologie (meine Fächer), sind Veröffentlichungen gang und gäbe, die das Alter von Schavans Arbeit um ein Vielfaches übertreffen.
Hier ist zu beachten, was oben ausgeführt wurde: Eine Dissertation ist eine wissenschaftliche Monografie und Teil der Forschungsgeschichte. Im Idealfall erlangt sie gar eine prominente Stelle, weil Dissertationen das Ergebnis von fünf Jahren Forschung enthalten. So lange und umfangreich forscht man für reguläre wissenschaftliche Veröffentlichung selten. Ein Doktorand kennt sich bei seinem Thema in Tiefe und Breite am Ende besser aus als jeder andere Mensch auf der Welt.
War seine Arbeit nicht koscher, muß sie auch nach dreißig oder mehr Jahren disqualifiziert werden, um Schaden von der Forschung abzuwenden.
Dieser Schaden ist nach bisherigen Erkenntnissen noch ein Bagatellschaden. Frau Schavan hat Zitierfehler der Primärquellen übernommen, weil sie die Primärquelle nicht selbst angesehen hat. Schavanplag führt verräterische Tippfehler an.
Das kann sich aber noch ändern, weil ja bisher nur formale Indizien für die Existenz von Plagiaten gesucht wurden. Ob sich aus den Plagiaten auch Fehlschlüsse ergeben haben, erweist im Anschluß die Forschung.
Der Sprachverführer von Thomas Steinfeld als schädliches Plagiat
Wie ein Totalschaden aussieht, möchte ich noch einmal an Thomas Steinfeld und seinem Sachbuch Der Sprachverführer
zeigen.
Thomas Steinfeld ist Chef des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung und hat in dieser Rolle Psychogramme enttarnter Plagiatoren wie Guttenberg und Helene HegemannExterner Link zum Artikel auf sueddeutsche.de verfaßt. Diese Psychogramme setzen tiefes Nachdenken über das Plagiieren, die Motive dafür und die Beurteilung voraus.
Steinfelds eigenes Buch ist am 16.08.2010 erschienen, zeitlich nach dem Artikel über Hegemann (17.05.2010) und vor dem Artikel über Guttenberg (25.02.2011). Im Tutorial über das Verb fragen
haben wir ihm folgendes Plagiat nachgewiesen:
Die meisten deutschen Verben werden »schwach« gebeugt, und alle, die jetzt noch aus einer anderen Sprache kommen. Es sind immer mehr gekommen, und so geht es fort. »Ich frug« ist ebenso verschwunden wie »ich buk«, und erst recht: »der Hund boll«, was heute »der Hund bellte« heißt. Johann Wolfgang Goethe schrieb oft »frug«, und so tat es lange auch Friedrich Schiller, bis er in seinen späten Jahren »fragte« benutzte.
Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. München 2010. Seite 67.
Wir haben mit dem Goethe-Wörterbuch und mit Hilfe der Redaktion dieses Wörterbuchs nachgeprüft, wie oft Goethe das Verbum fragen
stark beugte. Bei gut tausend Verwendungen des Verbums im Gesamtwerk beugt Goethe grundsätzlich und immer schwach. Für die falsche Form frug
finden sich eigentlich nur zwei zeitlich eng beieinanderliegende Belege, bei denen wir guten Grund zu der Annahme haben, daß er sich darin über frug
lustig macht. In jedem Fall sind sie markiert, also nicht als normale Verbform gebraucht.
Steinfelds Belegangabe ist also falsch. Das Gegenteil ist richtig: Goethe hat fragen
wie wir immer schwach gebeugt.
Das ist der Schaden: Der Beleg ist falsch und deshalb auch die abgeleitete These, man hätte früher frug
statt fragte
gesagt.
Steinfeld hält es grundsätzlich nicht für nötig, die Richtigkeit seiner Behauptungen durch Sekundärmittel (Handbücher und Wörterbücher) oder an Primärbelegen zu überprüfen. Das erkennt man bei seinem Buch auf Schritt und Tritt. Allein oben im Zitat sind alle Belegangaben falsch. Frug
ist nicht verschwunden, sondern nie da gewesen. Es wird seit dem Althochdeutschen schwach gebeugt er fragt, er fragte, gefragt
, erst nach Goethe kommt frug
durch ein Mißverständnis im neunzehnten Jahrhundert bei wenigen Dichtern der Romantik und im Neuplattdeutschen in Mode. Der Hund boll
im älteren Deutsch nicht, wie Steinfeld irgendwo aufgeschnappt hat, sondern er ball
, wie man aus jedem Handbuch des Mittel- oder Frühneuhochdeutschen erfährt:
funff hundert hunde, di machten ungefugen schal:
diser galph, diser palApollonius von Tyrland
Übersetzung: Fünfhundert Hunde, die machten ungeheuren Krach: die einen gellten, die anderen bellten.
Der Rest des Sprachverführers bewegt sich auf diesem Niveau.
Steinfeld hat also keine Ahnung, was es mit dem Verbum fragen
auf sich hat. Er hält es nicht für nötig, Handbücher zu konsultieren, und natürlich hält er es auch nicht für nötig, Belege bei Goethe zu suchen.
Wie kommt er dann auf seine Behauptung?
So:
Goethe schrieb oft
frug; Schiller schrieb es ursprünglich auch, bekehrte sich aber später zufragte.Ludwig Reiners: Stilkunst: ein Lehrbuch deutscher Prosa. München 1943 und 2004. Seite 182.
Ludwig Reiners. Das ist nicht einmal eine Sekundärquelle wie ein Handbuch oder das Goethe-
Hier noch einmal der Vergleich. Haben Sie noch im Gedächtnis, welche Variante von Steinfeld und welche von Reiners stammt?
- Goethe schrieb oft frug; Schiller schrieb es ursprünglich auch, bekehrte sich aber später zu fragte.
- Johann Wolfgang Goethe schrieb oft »frug«, und so tat es lange auch Friedrich Schiller, bis er in seinen späten Jahren »fragte« benutzte.
Kann das Zufall sein? Vielleicht hat Thomas Steinfeld nie von Reiners gehört? Hier der Auszug aus dem, was Steinfeld Personenregister nennt.
Reiners, Ludwig 37, 39f., 58, 105, 186, 189, 215, 223
Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. München 2010. Personenregister. Seite 270.
Die Seite 67 ist nicht dabei. Es gibt noch einen Anhang mit Anmerkungen, wo Steinfeld Quellen anführt. Allerdings nur zu dem Zweck, seine Belesenheit bei deutschen Dichtern glänzen zu lassen. Auf Seite 251 werden Quellen für die Seite 67 angeführt. Dort steht nur Martin Mosebach. Den hat Steinfeld also auch gelesen, denkt sich der leichtgläubige Leser.
Steinfeld kennt Reiners Stilkunst nachweislich, er erwähnt ihn an anderer Stelle. Kommt Ihnen das als notorischem Plagiatsaffärenkonsumenten bekannt vor?
Die einzige uns bekannte Besprechung dieses Buchs stammt von Ursula März in der Zeit
, wo es offenkundig kein Problem ist, daß eine Autorin bei Hanser ein Buch von HanserSteinfeld bei Hanser rezensiert.
Hier die Stelle, wo es um die starke und schwache Beugung von Verben geht:
Das wahrhaft Erstaunliche an Steinfelds Sprachverführer, der tatsächlich hält, was der Titel verspricht, ist vielmehr seine animierende, ja nachgerade fröhliche Wirkung. Man legt das Buch zur Seite und hat auf der Stelle Lust, jemanden anzurufen und in ein Gespräch zu verwickeln, nur um ein paar Wörter zu verwenden, die man seit Langem nicht mehr verwendet hat. Oder: die man seit Langem nicht mehr verwandte? Schon zieht, mithilfe des Präteritums und der starken Beugung des Verbs, eine dunklere, leicht dramatische Tendenz in den Sinn des Satzes ein.
Ursula März: Sie lebt! In: Die Zeit, Hamburg 13.1.2011.
Sie sahen gerade, wie der Schaden, den Steinfeld in seinem Buch sät, bei Lesern blüht, die wie Ursula März völlig unbeleckt von der deutschen Sprache sind. Auch das Verbum wenden
war niemals ein starkes Verb (zur Beugung von wenden
und winden
gibt es ein TutorialWandte oder wendete, gewandt oder gewendet? Das Verbum 'wenden' richtig konjugieren.): Die Formen ich wandte
und gewandt
sind auch schwach, wie man am -t-
erkennt und in der Ich-Form zudem an der Endung -e
, die starke Verben niemals haben ich schwamm, ich sang, ich bot, ich ritt
.
Ich kann mir zwar gut vorstellen, daß Steinfeld wenden
mit winden
verwechselt oder ich wandte
für stark hält, nur kann ich die Stelle in seinem Buch nirgendwo finden. Mehrmaliges Durchblättern und die Suche mit Google Books ergaben nichts. Deshalb müssen wir eine weitere Stufe der Verfälschung annehmen: Ursula März jubelt Steinfeld einen Fehler unter, den er selbst unterlassen hat. Der aber seinem Stil entspricht.
Wer angeregt durch die Rezension das Buch kauft, wird völlig in die Irre geführt. Deswegen stimme ich Ursula März begeistert zu, wenn sie behauptet, man bekomme vom Sprachverführer genau das, was der Titel verspricht.
Und so nimmt ein Irrtum seinen grausamen Lauf:
"Ihre Bestellung wurde versendet!" Wo andere sich beim Anblick dieser Betreffzeile der lang ersehnten E-Mail des Internetversandhändlers die Hände reiben, hole ich tief Luft und frage mich, wieso meine Bestellung versendet und nicht versandt wurde. Wie kann man nur ein derart schönes Verb auf eine solch entsetzliche Weise verunstalten?
Vor einigen Jahren lernte ich während meines Studiums, dass nicht alle Verben gleich sind. Einige sind stark, andere besonders, die meisten schwach. (…) Die Abschlussarbeit meines Germanistikstudiums habe ich den starken Verben gewidmet.
Ariane C. Gehr: Rettet die starken Verben! Externer Link zur Quelle bei Zeit Online
Um Gottes Willen. Eine Germanistin, die ihre Abschlussarbeit den starken Verben widmet und nicht weiß, daß ich sandte, gesandt
gar keine starken Verbformen, sondern schwache sind? Für senden
gilt das wie für wenden, wandte, gewandt: Es sind schwache Verben mit Rückumlaut.Wandte oder wendete, gewandt oder gewendet? Das Verbum 'wenden' richtig konjugieren.
Quelle? Zeit Online! Es kann sich um ein Plagiat handeln: Ariane C. Gehr hat das irgendwo aufgeschnappt, nicht verstanden und nicht überprüft, und einfach weiterposaunt. Vielleicht weiß aber sie aber wirklich nicht, was ein starkes Verb ist, und ist von ganz allein darauf gekommen.
Schätzen Sie einmal, wie vielen Menschen inzwischen der Eindruck vermittelt wurde, die starken Verben würden aussterben. Das Problem ist, daß der Eindruck falsch ist. Das Gegenteil stimmt.Video-Tutorial: Sterben die starken verben aus?
Bastian Sick
Ein weiteres Beispiel wäre Bastian Sicks Irrtum, bei meinetwegen
handelte es sich um eine Genitivform, worauf ja die irrsinnig falsche Theorie beruht, der Genitiv stürbe aus und würde durch den Dativ verdrängt.
"Wegen dir", sang die bayerische Sängerin Nicki 1986. Das Lied war damals ein großer Erfolg und erlangte Bekanntheit weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Ein deutscher Schlager, der nicht auf Hochdeutsch getextet war. Die Bayern, das weiß man, haben's net so mit dem Wes-Fall (Woos is des?), sie lieben den Dativ wie das Weißbier und die Blasmusik. Daher verzieh man der Sängerin auch gerne den dritten Kasus im Zusammenhang mit dem Wörtchen "wegen".
Udo Jürgens: Kreuzzug für die Rettung des Genitivs: Als müsse er diesem kommerziellen Tiefschlag des Genitivs etwas entgegenhalten, brachte im selben Jahr der Österreicher Udo Jürgens eine Platte mit ähnlich klingendem Titel heraus: "Deinetwegen" hieß das Album, und es wurde ein großer Erfolg weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Zum Glück: So wurden die Radiohörer im deutschsprachigen Raum daran erinnert, dass man in Bayern "wegen dir" sagen kann, dass die richtige Form aber "deinetwegen" lautet. Denn was Udo Jürgens singt, ist immer bestes Hochdeutsch. Ein Jahr lang ging er mit "Deinetwegen" auf Tournee, ein beispielloser Kreuzzug für die Rettung des Genitivs.
Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Spiegel Online am 22.10.2003 und später als Buch.Externer Link zur Quelle bei Spiegel Online
Anmerkung: Bairisch ist Hochdeutsch!
Daß meinetwegen
ein Genitiv ist, muß Sick irgendwo aufgeschnappt haben, vielleicht bei Wikipedia:
In seltenen Fällen erscheint die Genitivform des Vorderworts in veränderter Gestalt: meinetwegen, deinetwegen usw. (aus „meiner wegen“, „deiner wegen“ usw.). Diese Ausnahmen sind nicht aus Regeln ableitbar.
Wikipedia: Fugenlaut. Externer Link zum Artikel bei Wikipedia
Wobei es auch umgekehrt ein Plagiat durch Wikipedia von Bastian Sick sein kann. Denn was da steht, ist unglaublicher Unfug. Hier einmal meinetwegen,
wie es noch zu Luthers Zeiten aussah:
Du weissest / was der HERR zu Mose dem man Gottes sagete
von meinen vnd deinen wegen in Kades-Barnea.Josua 14:6, Martin Luther, Ausgabe letzter Hand vom Jahr 1545
Übersetzung: Du weißt also, was der Herr zu Mose, dem Mann Gottes, sagte über mich (was mich betrifft, meinetwegen) in Kadesch-
Barnea.]
Bastian Sicks Kronzeuge für einen Genitiv ist also der Dativ des Possessivpronomens mein
, und das hat mit Genitiv nichts zu tun: Von meinem/
Denn nach von
steht seit jeher der Dativ:
- Stufe 1:
von meinen wegen
(wobeiwegen
im Niederdeutschen die BedeutungSeite
hatte, also: von meiner Seite aus, was mich betrifft) - Stufe 2:
von meinent wegen
mit epenthetischen Verschluß wie ineigen-t-lich, Obs-t
oder berlinerischEben-d!
- Stufe 3 und heute:
von meinet(-)
mit Ausfall vonwegen n
Wer sich erkundigt, wie meinetwegen
entstanden ist, muß darauf stoßen. Ein verflucht guter Grund, das überhaupt nachzuprüfen zu wollen, könnte zum Beispiel sein, daß Genitive im Deutschen niemals auf ∙t
enden und es auch keinen Lautwandelt von ∙r
zu ∙t
gibt, wie Wikipedia behauptet.
Dieses Detail ist nicht nur Sick nicht aufgefallen, sondern auch den Horden von Kritikern nicht, die sich Sicks Bücher vorgeknöpft haben. Wir waren zu unserem Erstaunen Jahre nach der Veröffentlichung die ersten und einzigen, denen das bei der Erstlektüre aufgefallen ist. Aber daß Wikipedia darauf hereinfällt, ist eine Zumutung. Wie viele Menschen haben den Unfug einer durch nichtableitbare Regeln veränderten Gestalt wohl gelesen? Und noch wichtiger: Wiegen diese Regeln leichter als kalte EnteExterner Link zur kalten Ente bei Youtube?
Natürlich mopst sich auch Thomas Steinfeld die Quatschthesen über den Tod des Genitivs, die wir in der Genitivwoche in Gänze widerlegt habenAll unsere Tutorial zum Genitiv im Überblick.:
Größere Schwierigkeiten scheinen die Deutschen mit dem Genitiv zu haben. So sehr, dass sie ihn gern mit einem
vonund dem Dativ ersetzen.Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. München 2010. Seite 174.
So ein Deutscher wird wohl Otfrid von Weißenburg gewesen sein, der eigentlich als Großmeister und Vater der deutschen Schriftsprache gilt. Er schrieb vor einem Jahrtausend ther keisor fona Rumu
der Kaiser von Rom
oder thie selbun zaltun alle mir thesa beldi fona thir
dieselben erzählten alle mir diese Kühnheit von dir
.
Oder gar später das Nibelungenlied! Schnallen Sie sich an, es beginnt so:
Uns ist in alten mæren [wunders]Genitiv vil geseit von helden lobebæren, von grōzer arebeit, von freuden, hochgeziten, von weinen und von klagen, von küener recken strīten muget ir nu wunder hœren sagen.
Nibelungenlied, erste Aventüre, erste Strophe, nach Handschrift C.
Uns ist in alten Geschichten Wunder(liche)s (eig.: des Wunders) viel erzählt, (und zwar) von ruhmreichen Helden, von großen Mühen (schlechten Zeiten), von Freuden (guten Zeiten), Festen, von Weinen und Klagen, vom Kampf tapferer Kerle. Wunderliches könnt ihr jetzt gleich hören.
Das wunder
ist ein Substantiv. Es bezeichnet im Mittelhochdeutschen eine Tat oder ein Ereignis, das einen wundern macht. Wir würden heute Wunderliches
sagen. Wunders
ist ein Genitiv, und zwar einer derer, denen Steinfeld hinterhertrauert.
Gab es nicht einmal eine ganze Reihe von Verben, die den Genitiv nach sich zogen:
dankenundachten,begehrenundbrauchen,hütenundpflegen,unterfangenundverzichten?Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. München 2010. Seite 174.
Nein, gab es nicht. Der adverbiale Genitiv war im Mittelhochdeutschen produktive Grammatik und konnte theoretisch nach jedem Verb als Adverbiale auf die Frage in Bezug worauf?
stehen.
Wie wir im Tutorial über den Genitiv bei Verben darlegten,Der genitiv nach Verben (adverbialer Genitiv) konnte diese syntaktische Stelle auch von Präpositionalphrasen belegt werden. Und die sind heute als einzige Möglichkeit übriggeblieben, weil der adverbiale Genitiv (sich als Umstandsangabe auf Verben beziehender Genitiv) nicht vom Dativ, sondern vom adnominalen Genitiv verdrängt worden ist, der früher sehr selten war.
Ein Blick ins Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, dessen Chef Steinfeld ja ist, hätte ihm gezeigt, daß dieser adnominale Genitiv einer der häufigsten Kasus überhaupt ist. Ich schnappe mir mal den ersten Artikel aus Steinfelds Abteilung, dem ich auf sueddeutsche.de begegne:
Brechts Johanna
Sie war nimmermüde in ihrer Energie und ihrem Engagement - und nach Meinung von Bertold Brecht "eine der begabtesten Schauspielerinnen des Berliner Ensembles". Nun ist die große Schauspielerin Käthe Reichel ist gestorben.
Christine Dössel: Brechts Johanna. In: sueddeutsche.de vom 19.10.2012.Externer Link zum Zufallsartikel
Drei (adnominale = sich auf ein Nomen beziehende) Genitive bei der Süddeutschen, einer (adverbial) im Nibelungenlied, wo in der vormodernen Zeit mehr Genitive verbraten werden als irgendwo sonst. Dieses Verhältnis ist kein Zufall und fällt hier durch den Zufallsbeleg geringer aus als im großen Durchschnitt.
Steinfeld dennoch:
Der Genitiv verschwindet als eigene Deklinationsform; was er sagen sollte, lebt mit der Präposition
vonfort […]Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. München 2010. Seite 174.
Sprach er eben noch von adverbialen Genitiven nach Verben, geht er hier zu adnominalen über, ohne zu bemerken, daß es zwei völlig verschiedene Dinge sind. Die falsche Schlußfolgerung (der adnominale Genitiv verschwindet durch von
) soll durch falsche Belege (der adverbiale Genitiv zum Beispiel nach achten
, wo auch im Mittelalter gerne wie heute auf etwas
angeschlossen wurde) bewiesen werden, die mit der Schlußfolgerung nichts zu tun haben.
Hatten Sie gerade den Eindruck, der Genitiv wäre im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung am Verschwinden? Ich hätte mir eher weniger Genitive und mehr Präposition gewünscht. Das hätte der Sinnlichkeit des Textes genutzt. Der Genitiv wird übrigens nie verschwinden.
Steinfelds Behauptung ist also falsch, das Gegenteil richtig.
Den weiteren Unfug auf Seite 174 erspare ich Ihnen; werfen wir stattdessen noch einen Blick auf das Nibelungenlied: Der Genitiv wunders
wird danach noch ausgeführt, und zwar mit der Präposition von
. Dieselbe syntaktische Stelle bei sagen (erzählen)
(Wozu/
- [wunders]Adverbiale sagen: des Wunders erzählen = erzählen in Bezug auf Wunder.
- [von helden]Adverbiale sagen: von Helden erzählen = erzählen in Bezug auf Helden.
Es sind also nicht nur die Belege falsch oder gar nicht vorhanden, natürlich ist auch die Schlußfolgerung auf das Falscheste falsch: Nicht aus Unfähigkeit greift der Deutsche zur Präposition, sondern weil er aus den vielfältigen Mitteln des Deutschen schöpft. Nicht nur der Dichter des Nibelungenlieds macht das, auch Christine Dössel, die Untergebene von Thomas Steinfeld: nach Meinung von Bertold Brecht
.
So ist es übrigens seit den frühesten Belegen des Deutschen. Wer Sick oder Steinfeld folgt, wird in seinen sprachlichen Mitteln beschnitten.
Wer die Primärbelege nicht beachtet und Theorien von windigen Quellen mopst, liegt in seinen Schlußfolgerungen mit grausamer Gewißheit daneben. Davon kann jeder Wissenschaftler berichten.
Abschließendes Urteil
Zurück zur ursprünglichen Frage: Glauben Sie jetzt noch, daß Plagiate verjähren sollten?
Sie müssen enttarnt und bereinigt werden. Reiners hat den Goethemythos irgendwo aufgeschnappt und unüberprüft das Gegenteil der Wahrheit verbreitet. Diese Unwahrheit hat Steinfeld bei Reiners aufgeschnappt, ohne den Unterschied zwischen starken und schwachen Verben im Ansatz zu verstehen, und ihn unüberprüft seinen Lesern als eigene Erkenntnis verkauft, obwohl er in Wahrheit nur durch seine Ahnungslosigkeit darauf hereingefallen ist. Seine Rezensentin Ursula März verlängert den Ball und gibt ihm noch mehr Wucht in die falsche Richtung. Zeit Online mausert sich zum Zentralorgan derer, die sich um das Aussterben solcher starken Verben ängstigen, die gar keine starken Verben sind.
Bei einer Epidemie sucht man den Patienten null. Genau das hat Schavanplag gemacht. Ein Plagiat gebiert Gebiert und gebährt sind beide richtig. immer ein weiteres. Das ist kein Wunder, sondern ein einfacher evolutionärer Mechanismus: Wenn auf Stufe 1 die Primärbelege für eine Theorie fehlen, hat auch der Plagiator der nächsten Stufe für die gemopste Theorie keine Belege. Weil sie nicht existieren. Der Plagiator wird also nur von Plagiatoren plagiiert.
Oder von Nichtplagiatoren entlarvt. Je weiter man sich in der Plagiatskette zum Ursprung vorarbeitet, desto gründlicher kann man das Übel ausreißen. Deshalb dürfen Plagiate nicht verjähren.
Eine andere Frage ist, welche Strafe zu verhängen ist. Guttenbergs Doktorarbeit war ein Desaster, in dessen Ausmaßen ich Ähnlichkeiten zu Steinfeld sehe. Die Aberkennung des Doktorgrades war zwingend erforderlich. Zusammen mit dem Eindruck, den man von Guttenberg bei seinem Verhalten als Verteidigungsminister beim Shootout in Afghanistan und beim Kielholen auf der Gorch Fock bekam, kann man durchaus zu dem Urteil gelangen, daß Guttenberg viel zu gefährlich für seinen Posten war und zurücktreten mußte.
Anders bei Annette Schavan. Ihre Arbeit ist disqualifiziert, weil wissenschaftliche Veröffentlichungen frei von solchen Fehlern sein müssen. Was bisher geschehen ist, verhindert bereits, daß die Arbeit jemals wieder von einem Wissenschaftler oder Studenten zitiert wird. Es ist also alles erreicht, um den Schaden zu heilen.
Meiner Einschätzung nach sind ihr ihre Plagiate aus Not und Unerfahrenheit unterlaufen, nicht aus Niedertracht, wie man bei anderen meinen kann. Es war ihre erste wirklich wissenschaftliche Veröffentlichung. Dennoch gründet Schavans Doktorwürde fast ausschließlich auf dieser Arbeit.
Bedauerlicherweise war es aber nicht nur Schavans erste, sondern auch ihre letzte wissenschaftliche Veröffentlichung, ich kann in der Publikationsliste keinen weiteren Titel finden, der mit Wissenschaft zu tun hat. Die Liste dokumentiert zwar Schavans Gottgläubigkeit, aber keine Fortschritte beim redlichen wissenschaftlichen Arbeiten. Im Gegenteil, Schavanplag weist nach, daß von tätiger Reue keine Rede sein kannExterner Link zu Schavanplag: Funde in neueren Texten von Schavan..
Wer mit beiden Beinen in der Kirche steht wie Schavan, dem bleibt allerdings nur die bekennende Reue. Sie sollte zurücktreten und ihren Doktor behalten dürfen. Die Erniedrigung bei einer Aberkennung halte ich für unmenschlich und unverhältnismäßig in Anbetracht der Tat und der sonst doch guten Leistung der Dissertation. Ich habe den Führerschein erhalten, obwohl ich beim Einparken den Außenspiegel am Privatwagen des Prüfers abgefahren habe.
Schavan hat sich durch ihr Urteil über Guttenberg zum Narren gemacht. Dafür würde ich den in seiner Weisheit unergründlichen Humor des fliegenden Spaghettimonsters verantwortlich machen.
Anders bei Sick und Steinfeld. Wer seine Leser als Sachbuchautor durch unüberprüfte Mythenmopsereien in die Irre führt, begeht ein besonders schwerwiegendes Plagiat, weil Privatleser nicht verpflichtet sind, ein Sachbuch wissenschaftlich-
Eines muß man Herrn Sick aber zugute halten: Er hat zwar Urteile übernommen (die Genitivtodesangst ist ein alter Hut), die er nicht versteht und nicht überprüfen kann, weil ihm, wie ich glaube, dazu die akademischen Voraussetzungen fehlen, aber seine Lehrgeschichten hat er sich alle selbst ausgedacht und nicht von anderen paraphrasiert. Ich vermute, daß er meinetwegen
als Beispiel aufgeschnappt hat, weil ich bei ihm nur ausgelutschte Ideen finden konnte. Er kann es allerdings auch aus eigenem Antrieb verkannt haben, weil es ja auch von Amts wegen
heißt. Darauf fällt einer wie Sick wohl herein.
Thomas Steinfeld unterstelle ich Vorsatz und niedere Motive. Wer am Tage Guttenberg und Hegemann in der Zeitung zerlegt und am Abend ein Buch aus herangeflatterten Ad-hoc-
Für Thomas Steinfeld stellt ein Plagiat wie in der Causa Schavan ein "Symptom für den Zustand einer Universität dar, die Wissenschaft vor allem als Gegenstand des Wettbewerbs kennt".
Heute in den Feuilleton, Süddeutsche Zeitung, 16.10.2012.
In: Perlentaucher, 16.10.2012.Externer Link zur Quelle bei Perlentaucher
Ein Zitat aus zweiter Hand, aber dennoch gruselig.
Nachtrag: Januar 2013
Seit diesem Artikel hat sich die Lage weiterentwickelt: Die Universität Düsseldorf hat eine Hauptuntersuchung eingeleitet. Wer den Wissenschaftsbetrieb kennt, hat nichts anderes erwartet.
Von Frau Schavan habe ich den Eindruck, sie möchte sich als Frau der Wissenschaft gerieren. Ein beachtliches Selbstverständnis angesichts einer einzigen wissenschaftlichen Publikation, die so lange zurückliegt.
In der Presse wurde laut, Schavan fordere unabhängige Gutachter:
Schavan erklärte dazu in einer Mitteilung, sie hoffe, „dass mit der Eröffnung eines ergebnisoffenen Verfahrens jetzt auch verbunden ist, externe Fachgutachten einzuholen“. Sie sei davon überzeugt, „dass die unbegründeten Plagiatsvorwürfe ausgeräumt werden“.
Handelsblatt, 23.01.2013Externer Artikel zum artikel beim Handelsblatt
Da wundert sich jeder Student. Das kann man von der Universität einfach so fordern? Dann doch auch für die Seminarklausur aus dem letzten Semester. Vielleicht kann man mit einem externen Gutachter die Zensur nachträglich nach oben schrauben.
Tatsächlich war Stefan Rohrbacher als erster Gutachter der Universität Düsseldorf bereits unabhängig. Das sind Professoren nämlich grundsätzlich. Sie sind keine Angestellten des Dekans, sondern werden berufen und haben dann bis auf die ein oder andere Rahmenpflicht (Vorlesungen halten, Studentinnen nicht auf die Möpse starren) völlige Freiheit. Kein Professor würde eine Dienstanweisung befolgen, die ihn in seiner Unverfangenheit bei wissenschaftlichen Gutachten beschneidet. Und ganz sicher nicht ein Professor wie Stefan Rohrbacherexterner Link zu Wikipedia.
Etwas Unabhängigeres als eine Prüfung durch den Promotionsausschuß kann man als Student oder Promovend nicht erwarten. Wenn die Universität Düsseldorf von ihrem Recht Gebrauch macht, die Doktorwürde zu entziehen, weil Frau Schavan gegen die Prüfungsordnung verstoßen hat, zu deren Einhaltung sie sich damals an Eides Statt verpflichtet hat, dann kann Frau Schavan danach vor einem bürgerlichen Gericht gegen die Universität klagen. Das ist dann der Moment und der Ort, wo sie selbst Gutachter einbringen kann.
Die Sache hat nur einen Haken: Niemand wird in Deutschland Berufsrichter, ohne selbst studiert zu haben. Und wie Professoren sind auch Richter unabhängig von Weisungen.